Mythos und Wahrheit
Wie wehrhaft war die Burghauser Burg wirklich? Experte enthüllt überraschende Erkenntnisse
Wie wehrhaft war die Burghauser Burg wirklich? Mittelalterarchäologe Dr. Joachim Zeune gab an der Volkshochschule Burghausen spannende Einblicke in ihre Verteidigungssysteme.
Burghausen – Für Parkplatzprobleme in der Neustadt sorgte nach der Programmmanagerin der Volkshochschule Burghausen und Kunsthistorikerin Barbara Weis der Vortrag „Burg über allen Burgen?“ am 20. Februar. Hierbei stellte der Mittelalterarchäologe Dr. Joachim Zeune – auch der Burgenversteher genannt – im Zeichen des 1000-jährigen Jubiläums dar, wie wehrhaft die Burghauser Burg wirklich war. Bekannt ist Dr. Joachim Zeune von dem Terra X Zweiteiler „Mythos Burg“. Kurzum: „Überall, wo Burg draufsteht, ist Zeune drin“, so Barbara Weis.
Zwischen Schutz und Trutz: Was eine Burg wirklich wehrhaft macht
Um über die Wehrhaftigkeit einer Burg sprechen zu können, müsse man nach Dr. Joachim Zeune zwischen Schutz und Trutz unterscheiden. Mit einem Schild könne man sich zwar schützen, allerdings niemanden bekämpfen. Demnach handele es sich hierbei um Schutzwehr. „Um wehrhaft zu sein, braucht man Wehreinrichtungen“, sagte Dr. Joachim Zeune. Beispiele dafür seien der Speer oder der Spieß. „Jedes Wehrelement ist ein Schutzelement“, resümierte Dr. Joachim Zeune. Umgekehrt gelte dies allerdings nicht. Zudem würden fünf Faktoren den Ausgang einer Burgbelagerung beeinflussen. Einer davon sei der Lageplatz. Schließlich stehe die Burg an dem Ort, an dem sie am besten verteidigt werden könne.
Überlieferte Mythen: Heißes Pech und siedendes Öl
„Die meisten unserer Burgen sind Spornburgen“, sagte Dr. Joachim Zeune. Diese lägen – wie auch die Burghauser Burg – auf einem Fels – oder Bergsporn, aber unterhalb des Berggipfels. Der schmale Streifen, auf dem die Burghauser Burg stehe, werde fast überall von höherem Gelände umragt. „An den beiden Längsseiten ist die Burg extrem bedroht“, stellte Dr. Johannes Zerne fest. Weiterhin seien die Moral, List und Belagerung – und Verteidigungsgeräte entscheidend für den Erfolg einer Burgbelagerung. Historische Abbildungen belegen, dass beim Direktangriff beispielswiese die Burgmauern erklettert oder Löcher in diese gehackt worden seien. Dass heißes Pech oder siedendes Öl über die Eindringlinge gegossen worden sei, sei allerdings ein Irrtum. „Das hat das 18./19. Jahrhundert völlig frei erfunden“, stellte Dr. Joachim Zeune klar. Stattdessen habe es Steinwerfer bei jeder Belagerungsart gegeben. In der Distanz seien dagegen Fernwaffen wie Katapulte eingesetzt worden.
Wacklige Schießscharten
„Wir wissen über die Burghauser Burg relativ wenig“, sagte Dr. Joachim Zeune. Vor allem fehle es an einer großen Chronologie der Burg. 1130 werde sie als urbs – einem befestigten Platz – erwähnt. Dann seien auf der Burg Weißensee 1212 erstmals Schleudermaschinen – sogenannte Bliden – aufgetaucht. „Man hat einmal einen Nachtwurf gemacht“, sagte Dr. Joachim Zeune. Eine 90 Kilogramm schwere Kugel sei mithilfe der Schleudermaschine 600 Meter weit geflogen. Was aber im Nahkampf erforderlich gewesen sei, seien die Schießscharten gewesen. „60 bis 70 Prozent aller Schießscharten funktionieren nicht“, sagte Dr. Joachim Zeune salopp. Grund dafür seien die zu engen Schießkammern.
Burghauser Burg im Wandel: Ausbau unter Herzog Georg dem Reichen
Allerdings sei es im Mittelalter nicht unbedingt um deren Funktionsfähigkeit, sondern um die Symbolik gegangen. Infolge von Kanalarbeiten um 1988 konnte ein Mauerzug aus dem13. Jahrhundert in der fünften Vorburg der Burghauser Burg freigelegt werden. Allerdings sagte er: „Wir finden keine Wehrelemente aus dieser Zeit.“ Zudem habe die Burghauser Burg viele eckige und runde Türme, die nach Albert Balthasar aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen würden. Nach dem Aufkommen der Feuerwaffen und Hakenbüchsen sei es zu zahlreichen Hussiteneinfällen ab 1420 – auch in Ostbayern – mit mobiler Artillerie gekommen. Darauf mussten die Burgeneigentümer reagieren. „Die Burgen wurden richtig wehrhaft“, stellte Dr. Joachim Zeune fest. So seien die Wehrelemente im Burgenbau verdichtet worden.
War die Burghauser Burg wirklich uneinnehmbar?
Wie eine Ansicht aus dem Jahr 1477 zeige, habe es auf der Burghauser Burg nun Flankierungstürme und einen Zwinger auf der Hauptburg gegeben. An großen Rondellen, Bastionen und Streichwehren fehle es aber. „Das Zeughaus spricht dafür, dass damals die Burg relativ stark armiert war“, stellte Dr. Joachim Zerne fest. Ab 1476/87 sei schließlich die Burghauser Burg unter Herzog Georg dem Reichen groß ausgebaut worden. Zur Beurteilung der Wehrhaftigkeit der Burg können nach Dr. Joachim Zerne ein Stadt – und Burgmodell des Jakob Sandtner und ein Gemälde von Hans Donauer aus dem 16. Jahrhundert herangezogen werden. „Jeder Burgabschnitt ist mäßig stark befestigt, bis wir ans Georgstor kommen“, stellte Dr. Joachim Zerne fest.
Da Bauspuren am Georgstor erkennbar seien, sei es vermutlich mit einem Balkenschirm oder Zinnen bestückt gewesen. Allerdings fehle es an einem Wurferker. „Ein eigentliches Wehrelement fehlt uns an jedem Tor“, sagte Dr. Joachim Zerne. Dagegen habe die Schildmauer auf der Hauptburg einen hölzernen Balkenschirm. „Sie ist sehr wehrhaft“, so Dr. Joachim Zerne. Zudem gebe es im Außenbereich massenintensiven Festungsbau wie den Pulverturm. „Die Burg – so wie sie ist – war eigentlich nicht sehr wehrtauglich“, resümierte Dr. Joachim Zerne.
von Iris Rogger