Symposium zu Alpenflüssen in Burghausen
„Wir wissen, dass wir an die Wand fahren“: Hochwasser-Schutz an Salzach & Co. auf dem Prüfstand
Die Geschichte der Alpenflüsse ist geprägt von menschlichen Eingriffen. Während Schutzbauten einst die Lösung waren, plädieren Experten heute für mehr Renaturierung. Doch die Herausforderungen sind groß - nicht nur in urbanem Gelände. Warum immer höhere Dämme keine Lösung darstellen.
Burghausen – Für Groß und Klein, für Wissenschaftler und Laien wurde vom 9. bis 11. August ein umfassendes Programm zum Thema Alpenflüsse geboten. Neben einer Fotoausstellung, einer Schreibwerkstadt und unzähligen Workshops wurde der Zustand der Alpenflüsse in sechs Impulsvorträgen geschildert.
„So war das in den Alpen“, begann der Professor Markus Aufleger von der Universität Innsbruck seinen Vortrag. Vor langer Zeit habe es viele verzweigte Alpenflüsse gegeben. Die Reaktion der Menschen auf Hochwasser ist wie folgt ausgefallen: „Man hat begonnen, Schutzbauten zu machen“, sagte Markus Aufleger. „Man hat die Flüsse reguliert“, fügte er noch hinzu. Damit wäre die Anzahl der verzweigten und pendelnden Flüsse nach Aussage des leitenden Wissenschaftlers Severin Hohensinner von der Universität BOKU Wien stark zurückgegangen. Ein Beispiel für einen pendelnden Fluss sei die Salzach. „Er pendelt von einer Talseite zur anderen“, erklärte er. Die Zahl der linear begradigten und bogig regulierten Flusstypen hätte dagegen zugenommen. Markus Aufleger bemerkte, dass die Pegelstände der Flüsse infolge der Begradigung dieser angestiegen seien. „Man hat Dämme gebaut“, sagte er. Zusätzlich seien Stauanlagen und Kraftwerke errichtet worden. „Diese Regulierung war der Beginn der Tiefenerosion“, stellte er noch fest. „Wir leiten das Wasser viel zu schnell ins Meer“, schlussfolgerte der Professor Stefan Zerbe von der Universität Bozen.
„Renaturierung ist nicht eine Kür, sondern eine Pflicht.“
Es müsste ein Uferrückbau erfolgen. „Die Verbauungen müssen raus“, sagte Markus Aufleger. Dann verbreitere sich der Fluss. „Er hat weniger Kraft, sich in die Tiefe zu arbeiten“, fügte er an. Nach den Schilderungen von Stefan Zerbe bringt die Renaturierung positive Entwicklungen hinsichtlich der Flora und Fauna mit sich. So würde einerseits die Vielfalt der Auen-Habitate erhöht werden, andererseits die Grauerlenverjüngung vorhanden sein. Weiterhin würden FFH-Lebensräume gefördert werden, also Lebensräume von Tieren und Pflanzen, die nach EU – Recht geschützt worden seien.
Fischbestand in heimischen Gewässern - Mehr Renaturierung, mehr Tiere
Auswirkungen hat die Renaturierung nach dem Forschungsgruppenleiter Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei auf den Fischbestand. Vor den Maßnahmen habe es keine geeigneten Laichhabitate gegeben. Nachdem die Fische geschlüpft sind, seien sie weggespült worden. „Die Fließgeschwindigkeit ist so hoch, dass sie immer weiter weg vom Ufer kommen“, stellte Christian Wolter fest. „Viele andere landen in der nächsten Staustufe“, sagte er.
Während bei komplexen Flussverläufen nach sechs Kilometern die Hälfte der Jungfische in ein Brutauffanggebiet gekommen sei, würde bei einem einfachen die Hälfte dieser erst nach 68 Kilometern in ein solches gelangen. Außerdem würde auch der Vergleich des Fischbestandes bei den zwei unterschiedlichen Flussverläufen für Renaturierungsmaßnahmen sprechen. „Im kanalisierten Bereich gibt es eine elffach geringere Fischdichte.“
Weitere Maßnahmen gefordert - Alpine Flüsse auch für Burghausen bedeutsam
Zwar gingen die Renaturierungsprojekte voran, aber zielführend sei es nach Stefan Zerbe nur, wenn man das ganze Flusssystem betrachte und nicht nur einzelne Teilareale. „Für die Flussrenaturierung haben wir wenig Spielraum“, sagte er aber auch. Das läge daran, dass viele Gebiete landwirtschaftlich genutzt werden würden. Um die Wasserresilienz und die Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen, sei nach dem Süßwassermanager Paul Brotherton von Wetlands International Europe auch europäisches Handeln notwendig. So sollen die den gesetzten Zielen schadende Subventionen eliminiert werden, die „Water Framwork“ Richtlinie verstärkt und implementiert werden und der Green Deal vollumfänglich umgesetzt werden. Außerdem sähen sie ein EU- weites Wasser- und Klimaresilienzgesetz als sinnvoll an, das unter anderem EU-Wasserreserven festlegen soll. „Wir wissen, dass wir an die Wand fahren“, sagte Markus Aufleger. „Es ist schwierig, am Fluss zu arbeiten“, gab er zu, „aber man darf nicht aufhören.“
Der Bürgermeister Florian Schneider bedankte sich bei allen, die die Veranstaltung organisiert haben, und bei dem Umweltreferenten der Stadt Gunter Strebel. „Wir haben eine besondere Verbindung zum Thema Wasser“, sagte er als Vertreter der Stadt Burghausen. Burghausen sei durch die Mauteinnahmen aus dem Salztransport entlang der Salzach damals reich geworden, aber dann auch schnell wieder arm. Aufwind habe Burghausen wieder durch die vielen Unternehmen bekommen, die sich in der Umgebung ansiedelten. Grund für die Verlegung des Standorts an diesen Ort sei die Wasserkraft gewesen. „Wir wollen die Salzach wieder zu einem Alpenfluss machen“, sagte er. (iro)
