Klimamaßnahmen im Spannungsfeld
Zu wenig oder zu viel Klimaschutz? Debatte mit Hubert Aiwanger im Zukunftsforum Altötting
Im Rahmen des Zukunftsforums Perspektivwechsel in Altötting diskutierten Vertreter aus der Politik, Wissenschaft und Psychologie über Klimamaßnahmen im Spannungsfeld. Mit von der Partie war auch der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.
Altötting – Klimaschutzmaßnahmen spalten die Gemüter: „Zu wenig oder zu viel?“ So lautete die brisante Frage des Zukunftsforums Perspektivwechsel, bei dem sich am 9. November Vertreter der Politik, Wissenschaft und Psychologie im Altöttinger Kultur+Kongress Forum versammelten, um über die Zukunft der Klimapolitik zu diskutieren. Unter den Diskutanten war auch der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. „Ich erlebe die Debatte als aufgeheizt“, startete die Diplom-Psychologin Lea Dohm in die Diskussion.
„Wir haben an vielen Stellen ein Anspruchsdenken“
Um die wirtschaftliche Transformation zu meistern, müssten die Leute nach Hubert Aiwanger auf diesem Weg vernünftig mitgenommen werden. „Leute mitzunehmen, heißt, dass ich meine innerpolitischen Ziele nur so schnell vorantreibe, dass ich immer die Mehrheit der Bevölkerung hinter mir habe“, sagte Hubert Aiwanger. Nach ihm ist die Bevölkerung auch bis zum angekündigten Heizungsgesetz vernünftig mitgegangen. Da dadurch politischer Druck entstanden sei, habe man sich etwas vergaloppiert. Er kenne auch viele Personen, die sich noch schnell eine Ölheizung einbauen würden, um auf der sicheren Seite zu sein. „Lieber dauert es in meinen Augen zehn Jahre länger und die Bevölkerung geht mit“, stellte er klar. Dass solch ein Druck aufgebaut werde und die Bevölkerung nicht mehr mitgehen würde, würde nach Hubert Aiwanger das Wort „Ideologie“ bedeuten.
Laut Diplompsychologin Lea Dohm versteht man unter dem Begriff die Werte, Ziele und Normen eines jeden Einzelnen. Daher solle man sich auf die gemeinsamen Werte besinnen. „Sie müssen sich vorstellen: Ich sitze jetzt quasi zwischen den zweien“, sagte Thomas Ranft. Die Entscheidung, ob man mitgehe oder nicht, habe mit dem Gefühl der Sicherheit zu tun. Viele Akteure hätten Unsicherheit geschaffen. Erforderlich seien daher klare Aussichten. Diese Unsicherheit entstünde vor allem durch falsche Kommunikation. „Wir haben an vielen Stellen ein Anspruchsdenken“, stellte Thomas Ranft fest. Beispielhaft zeigte er auf, dass der Nachbar seiner Schwester von der Bundeswehr vor den Hochwasserfluten gerettet worden sei.
„Das Erste, was er sagt: Fahren Sie auch zum Bahnhof“, führte Thomas Ranft dem Publikum vor Augen. „Ich finde schon, dass Politik von den Bürgern etwas fordern darf“, führte er weiter aus. Lea Dohm beobachtete das Hin- und Herschieben der Verantwortlichkeiten. Während die Politik auf den Bürgerwillen verweisen würde, würden die Bürger das Handeln der Politiker fordern. „Es wäre total hilfreich, an einem Strang zu ziehen“, sagte sie.
„Nicht entweder oder, sondern beides“
In Bayern gebe es nach Aussage von Hubert Aiwanger viele Häuser, die an die Erdgasheizung angeschlossen seien. In Hohenwart in Pfaffenhofen sei eine Erdgasheizung schon auf Wasserstoff umgestellt worden. „Wir haben die Leitungen. Sie sind überwiegend wasserstofftauglich mit kleiner Anpassung“, sagte er. Eine Umstellung der Hälfte der Wohnungen in München auf Wärmepumpen innerhalb von zehn Jahren halte er nicht für wahrscheinlich. „Wir haben das Wasserstoffkernnetz jetzt festgelegt“, sagte Hubert Aiwanger. 9000 Kilometer soll dieses lang werden und es soll 2032 fertig sein.
Bis dahin würden die großen Städte angeschlossen sein. Der weitere Ausbau würde dann folgen. „Es soll Wasserstoff auch im großen Stil importiert werden“, erklärte Hubert Aiwanger. Dabei betonte er die Transport – und Speicherfähigkeit des Wasserstoffs. Auf den Einwand der Professorin Petra Denk, die die Diskussion moderierte, dass Wasserstoff einen geringen Wirkungsgrad hätte, sagte er: „Der Wirkungsgrad ist natürlich am höchsten, wenn ich direkt den Strom 1:1 in die Batterie ballere, aber die Batterie ist schneller voll und die Sonne scheint weiter.“
Diese Thematik veranschaulichte er am Beispiel eines Erdbeerfeldes. „Es ist natürlich am effektivsten vom Wirkungsgrad her, die Erdbeeren frisch zu essen. Aber wenn du den Bauch voll hast mit den Erdbeeren, dann mache ich aus dem Rest Marmelade (ist gleich Wasserstoff)“, erklärte er. Zwar sei das nicht so effektiv wie das Essen der Erdbeeren vom Feld, aber man hätte auch Proviant für den Winter. Allerdings sei der Wasserstoff bislang sehr kostspielig. Daher resümierte er: „Bei einem Neubauhaus ist derzeit zunächst wahrscheinlich eine Wärmepumpe günstiger.“ Dagegen sei bei denkmalgeschützten Häusern eine Gasheizung und der dazugehörige Aufschlag für Wasserstoff anzuraten.
Bedeutsam sei der Wasserstoff nach Hubert Aiwanger auch für die Industrien. „Ich war vor wenigen Tagen bei den ERLUS Dachziegelwerken“, sagte er. „Sie sagen, sie bräuchten 25 bis 27 Windräder, um mit dem Strom das Erdgas zu ersetzen“, fügte er an. Eine Umstellung auf Wasserstoff würden diese allerdings mitgehen. Alternativen zu Wasserstoff sind nach Hubert Aiwanger für die Industrie die weitere Nutzung des Erdgases oder die Abwanderung nach Amerika. „Für so etwas ist das Wasserstoffnetz genau richtig“, sagte Thomas Ranft. „Jetzt will ich es auch im Haus verfüllen, wo es eine Alternative gibt“, kritisierte er. Vielmehr soll der Wasserstoff vornehmlich für die Industrie zur Verfügung stehen. Haushalte sollten also eine Wärmepumpe einbauen, wenn sie es können. „Das müssen sie dem einzelnen Hausbesitzer überlassen“, sagte Hubert Aiwanger.