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Richter hegt Zweifel an Schuldfähigkeit

Essenszwang im Kindergarten? Verleumdungsprozess gegen vermeintliches Opfer aus Altötting

Eine Altöttingerin behauptete in Flugblättern, von ihrer Kindergärtnerin zum Essen gezwungen worden zu sein. Nun steht sie wegen Verleumdung vor Gericht.
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Eine Altöttingerin behauptete in Flugblättern, von ihrer Kindergärtnerin zum Essen gezwungen worden zu sein. Nun steht sie wegen Verleumdung vor Gericht.

Eine Altöttingerin hat schwere Vorwürfe gegen ihre ehemalige Kindergärtnerin verbreitet – unter anderem in Flugblättern. Am 1. April stand sie nun wegen Verleumdung vor Gericht. Amtsrichter Dr. Kramer hegte jedoch Zweifel an der Schuldfähigkeit der Angeklagten. Zum Prozess und wie es nun weitergeht.

Altötting – Am 1. April startete am Amtsgericht Altötting ein Verleumdungsprozess gegen eine 29-jährige Frau. Seit mehreren Jahren erhebt die gebürtige Altöttingerin schwere Vorwürfe gegen ihre ehemalige Erzieherin und deren Vorgesetzte. In anonymisierten Mails und in Flugblättern verbreitete die Frau, dass sie in den Jahren 2001 bis 2003 in ihrem ehemaligen Kindergarten im Landkreis Altötting gewaltsam zum Essen gezwungen worden sei. Wiederholt hatte sich die Angeklagte in den vergangenen Jahren an Medien und Behörden gewandt und neben einer Entschuldigung seitens der Erzieherin auch Schmerzensgeld gefordert. Ermittlungen und Zeugenaussagen konnten die Vorwürfe der 29-Jährigen jedoch nicht stützen. Amtsrichter Dr. Steffen Kramer, der Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten hegte, sah sich am 1. April gezwungen, den Prozess auszusetzen. Ein psychiatrisches Gutachten soll nun klären, ob die Frau schuldfähig ist.

Anschuldigungen in Flugblättern

Schon in ersten Anrufen bei ihrem ehemaligen Kindergarten hatte die Angeklagte vehement Vorwürfe und Forderungen nach Schmerzensgeld an die aktuelle Kindergartenleiterin gerichtet. Ein Gesprächsangebot schlug sie jedoch aus. Stattdessen schrieb die Angeklagte E-Mails an den Kindergarten, das Jugendamt, Ministerien, Staatsanwaltschft und an die Medien. Auch innnsalzach24.de erhielt Mails der Angeklagten, worin sie ihre Erzieherin als „äußerst boshafte Person“ beschrieb, die ihre Macht über die Kinder genossen habe. „Wenn ein Kind das Essen herunterwürgte, und sich danach jedes Mal übergeben musste, war es ihr egal“, so die Angeklagte in ihrem anonymen Schrieb.

Im Januar 2024 soll die Angeklagte schließlich auch Flugblätter gedruckt und verteilt haben. Auf den Flyern wiederholte sie ihre Vorwürfe und Beleidigungen und nannte den vollständigen Namen sowie die Wohnadresse ihrer ehemaligen Erzieherin. Nach dem Beginn des Prozesses in Altötting bat sie jedoch darum, die Öffentlichkeit auszuschließen. Als Grund dafür gab sie an, sich durch die Veröffentlichung der Vorwürfe und die Aufmerksamkeit der Medien stark belastet zu fühlen. Dr. Steffen Kramer lehnte ihren Antrag jedoch ab, da sie die Vorwürfe ja bereits selbst veröffentlicht habe.

Zum Essen gezwungen, trotz Erbrechen?

Weil der Rechtsanwalt der Angeklagten zur Verhandlung nicht erschienen war, bat die 29-Jährige um die Zuweisung eines Pflichtverteidigers. Sie gab an, sich nicht in der Lage zu fühlen, sich selbst zu verteidigen und legte ein nervenärztliches Attest vor. Richter Dr. Kramer konnte zuerst keine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten feststellen, zog jedoch im Verlauf der Verhandlung zunehmend den psychischen Zustand der Frau in Zweifel. Auf Nachfrage des Richters erklärte die 29-Jährige, dass sie wegen eines Streits mit ihrer Mutter und ihres anschließenden Auszugs aus der gemeinsamen Wohnung in eine Krise geraten sei. Dadurch habe sie sich auch auf die mutmaßliche Misshandlung im Kindergarten rückbesonnen.

Die 29-Jährige gab sie an, dass sie als Kind schon immer ein „schlechter Esser“ gewesen sei und sich häufig erbrechen habe müssen. Aus Angst vor ihrer Kindergärtnerin soll sie sich jeden Morgen im Kindergarten übergeben haben und dennoch von der Erzieherin zum Essen gezwungen worden sein. „Auch während der Mahlzeiten musste ich mich übergeben, aber ich musste weiter essen“, so die Angeklagte vor Gericht. „Zwischen zehn und elf Uhr ist sie an meine Box gegangen und dann musste ich bis 12 Uhr sitzenbleiben. So habe ich die Zeiger meiner Armbanduhr beobachtet, während die anderen Kinder spielten.“

Erinnerung oder Wahn?

„Es ist ja vorbildlich, dass sie mit fünf Jahren bereits eine Armbanduhr lesen konnten“, bemerkte Richter Dr. Kramer, „doch richtig vorstellen kann ich mir das nicht.“ Auch die Staatsanwältin bezweifelte die Angaben der Beschuldigten. „Woran können Sie sich denn selbst erinnern und was ist ihnen erzählt worden“, fragte sie die 29-Jährige. Gerade weil die Angeklagte die täglichen Abläufe im Kindergarten so bildhaft beschrieb, entstand der Eindruck, dass sie ihre „Erinnerungen“ konstruiert haben könnte. Die Frage des Richters, ob die Mutter der Angeklagten denn nichts gegen die vermeintliche Misshandlung ihrer Tochter unternommen habe, verneinte die 29-Jährige.

Zeuginnen, die im Zuge der Verhandlung befragt wurden, konnten sich jedenfalls weder an das „Übergeben“ der Angeklagten noch an „Essenszwang“ im Kindergarten erinnern. Ganz im Gegenteil: Sie beschrieben die Erzieherin als liebevolle und kinderfreundliche Frau. Als die Angeklagte einer Zeugin vorwarf, ihr als Mitschülerin in der Grundschule die Brotzeitbox genommen zu haben, um sie zu „füttern“, wurde der Ton des Richters rauer: „Ist das Ihr Ernst?“, fragte er, und warnte die Angeklagte, dass weitere Strafanzeigen gegen sie folgen könnten, wenn weitere Falschbehauptungen von ihr in den Raum gestellt würden.

Psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben

Richter Dr. Kramer bezweifelte am Ende offen, dass die Angeklagte imstande sei, die Unrechtmäßigkeit ihres eigenen Handelns zu begreifen. Zudem wies er darauf hin, dass die Ermittlungen und Zeugenaussagen keinerlei Hinweise auf die beschriebenen Misshandlungen ergeben hätten. Nach einem Gespräch mit der Staatsanwältin beschloss er die Verhandlung auszusetzen, weil Zweifel an der Schuldfähigkeit der Angeklagten bestanden. Ein psychiatrisches Gutachten soll nun klären, wie es um den Zustand der Angeklagten steht. Je nach Dauer der Gutachtenerstellung wird der Prozess innerhalb von drei Wochen fortgesetzt oder muss nach Ablauf der drei Wochen neu aufgerollt werden.

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