Tierheime auch in der Region am Limit: Petition auf Facebook soll wachrütteln
Es ist fünf nach zwölf – Tierheime überfüllt, Mitarbeiter „brechen unter der Last zusammen“
Ausgesetzte Hunde, beschlagnahmte Welpen, überforderte Besitzer, die ihren Vierbeiner loswerden wollen. Auch die Tierheime in Bayern platzen aus allen Nähten. Es fehlt an Geld, Zeit, Personal und Unterstützung: „Eigentlich ist es schon zu spät“, bestätigt auch Marie Hund, Leiterin des Tierheims Winhöring. Den Brandbrief des Vereins Schattenhunde haben viele regionale Tierheime auf Facebook geteilt und ihr derzeitiges Profilbild verdeutlicht die Situation: Man sieht schwarz.
Winhöring/Deutschland – „Da ist ein acht Monate alter Welpe, der angeblich beißt, wo man sich dann denkt, na ja, der beißt nicht, der ist halt in der Pubertät.“ Marie Hund, Leiterin des Tierheimes Winhöring ist bei solchen Beispielen ratlos. Warum machen sich Leute nicht Gedanken, was auf sie zukommt, bevor sie sich einen Hund ins Haus holen? Der acht Monate alte Hund landet dann bei Marie im Tierheim. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Den Tierheimen geht es schlecht.
Die Situation ist mehr als angespannt in unseren Tierheimen
„Dann haben wir ja ständig Welpen aus dem Ausland. Wir sind ja recht grenznah an Österreich. Da ist jetzt die Grenzkontrolle verschärft worden.“ Es seien auch immer mehr Hunde, die einfach ausgesetzt werden. Erst vor kurzem wurden zwei kleine Hunde direkt vor den Toren des Winhöringer Tierheims ausgesetzt. Dazu kämen entsprechende Tierarztkosten, die auch gestiegen seien. Trotz ermäßigter Preise beim Tierarzt würde das nun zu Buche schlagen.
Die Situation ist prekär: „Also aktuell haben wir sowieso Aufnahmestopps, also wir nehmen keine Abgabehunde. Es gibt Abgabelisten, wenn wir mal Platz haben, irgendwann in ein paar Wochen, dass man da jemanden anrufen kann, und dann haben wir ja nur noch die Welpenplätze, die aber auch regelmäßig belegt sind.“
„Wir haben aufgefangen, gemahnt und appelliert - jetzt brechen wir zusammen“
Ein Brandbrief des Bündnisses Schattenhund machte in den letzten Tagen die Runde in den sozialen Medien. Die Petition beginnt mit erschütternden Worten: „Wir Tierschützer*innen haben aufgefangen, gemahnt und appelliert, doch jetzt brechen wir unter der Last der in Not geratenen Tiere zusammen.“ Sie richten Ihren Appell an Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft und Ariane Kari, Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung. Auch Tierschützer in den Landkreisen Mühldorf, Altötting, Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land haben die Petition geteilt. Sie alle schlagen Alarm und fordern:
- Nachhaltige Maßnahmen zur Eindämmung und Überwachung des (illegalen) Welpen- und Hundehandels. Insbesondere im Internet!
- Konsequente Kontrollen und Reglementierungen für den übermäßigen Import von Hunden aus dem Ausland
- Durchsetzung des Qualzucht-Verbots, sowie Verbot der wahllosen, nicht ausreichend reglementierten Vermehrung von Hunden
- Existenzsichernde, moderne Finanzierungsmodelle für Tierheime und schnelle Hilfe in Notsituationen
- Eine Registrier- und Kennzeichnungspflicht für Hunde
- Einen Befähigungsnachweis für Neu-Hundehalter
- Eine fachlich fundiertere Ausbildung für Tierpfleger und erweiterte Qualifizierungsmöglichkeiten
- Ein einheitliches Prozedere zur Anerkennung des Hundetrainer-Berufs
- Die Stärkung der Städte und Kommunen, um bestehende Gesetze und Verordnungen zum Schutz der Tiere entsprechend umzusetzen
Es fehlt an Geld, aber auch an Verständnis
Was müsste passieren, damit sich die Zustände in unseren Tierheimen verbessern? Die Petition fordert unter anderem, die Kommunen und Städte zu entlasten. Das Geld reicht vorne und hinten nicht: „Also wir kriegen schon Tierpauschalen, die sind aber jetzt nicht so hoch, davon kann ein Tierheim nicht leben.“ Wie stemmt Marie und all die anderen Tierschützer in den Tierheimen dann den finanziellen Aufwand? „Wir sind halt ein Verein, wir haben Mitgliedschaften, dann Erbschaften und sowas. Wir sind auch auf Spenden angewiesen.“
Hund und Mensch müssen zusammenpassen: Leute werden manchmal „richtig ausfallend“
Neben der Ebene der Politik, von der in der Petition unter anderem gefordert wird, endlich einen verpflichtenden Hundeführerschein einzuführen, ebenso wie eine Registrierungspflicht für Haustiere, sieht Marie das Problem auch auf gesellschaftlicher Ebene: „Also man sieht es ja auch an den Leuten, die die Hunde haben wollen oder abgeben wollen, dass manche vielleicht einfach nicht zusammenpassen, Hund und Mensch.“ Und wenn Tierheimangestellte sich dann gegen den Bewerber entscheiden, sei man, so Marie der Buhmann:
„Da muss man sich halt einfach ein bisschen Zeit nehmen, den Hund kennenlernen. Die meisten wollen schon den Hund sofort mitnehmen oder am zweiten Tag für ein Wochenende mit nach Hause nehmen.“ Marie Hund und ihre Angestellten seien vor allem dieses Jahr schon mehrfach beschimpft worden und nach Absagen ihrerseits wurden einige Leute „sogar richtig ausfallend.“
Wunsch der Tierheime: verpflichtender Hundeführerschein
Gut fände sie auch, wenn ein verpflichtender Hundeführerschein eingeführt werden würde. Allerdings würde sie sich wünschen, dass der potenzielle Hundebesitzer wirklich auf Herz und Nieren geprüft wird und vor allem Wissen zu Hundeverhalten erlernt: „dass da wirklich auch über das Halten und das Lesen des Hundes einfach viel mehr gefragt wird und auch jeder. Also egal, ob das jetzt ein Listenhund ist, die ja komplett auseinandergenommen werden in der heutigen Zeit, oder ein Chihuahua.“
Auch eine Registrierungspflicht, wie sie zum Beispiel bereits seit dem 1. Juli 2008 in Österreich gilt, wäre hilfreich, so Marie Hund. Damit könne man unter anderem entlaufene Tiere besser wieder zu ihren Besitzern zurückbringen. Aber auch die Besitzer von ausgesetzte Tieren, in Deutschland eine Straftat, könnten zur Rechenschaft gezogen werden. Auch der illegale Welpen-Handel wäre so erschwert.
Jeder einzelne kann helfen: Geld- und Sachspenden dringend gebraucht
Was können wir alle tun, wollen wir zum Schluss unseres Gespräches wissen: „Geld und Sachspenden auf jeden Fall“, so die kurze, klare Antwort. Wer sich bei den Sachspenden unsicher ist, kann jederzeit auch Kontakt aufnehmen. Auch die anderen Tierheime in der Region brauchen dringend Unterstützung. Einfach mal auf die jeweilige Webseite gehen oder anrufen und nachfragen, wie man helfen kann.


