100 Tage im Amt
Mit 20 Jahren Bereitschaftsleiterin des Haager Roten Kreuzes: Das treibt Vanessa Schmid an
Mit gerade einmal 20 Jahren ist Vanessa Schmid Leiterin des Haager Roten Kreuzes. Ihre Stellvertreterin Julia Ebersberger ist nur sechs Jahre älter. Was die beiden Frauen antreibt und was ihnen Sorgen bereitet.
Haag - Seit Anfang des Jahres ist das Haager Rote Kreuz unter neuer Leitung. Florian Ferschmann trat nach elf Jahren an der Spitze zurück (wir berichteten). Die neue Leiterin ist er 20 Jahre jung, ihre Stellvertreterin mit 26 Jahren nicht viel älter. Etwas über 100 Tage sind die beiden nun im Amt. Grund genug, die ersten Monate Revue passieren zu lassen.
Corona weiter zu spüren
An einen Termin mit Vanessa Schmid zu kommen, ist gar nicht so einfach. Die Haagerin ist schwer beschäftigt. Zwischen ihrem neuen Ehrenamt, ihrem Studium in München und anderen Verpflichtungen bleibt kaum Zeit für einen Pressetermin. Insbesondere jetzt, wenn die Sanitätsdienste wieder beginnen und die Haager Bereitschaft wieder mehr und mehr gefordert ist. „Bei uns staut es sich im Moment ein bisschen“, erzählt auch Julia Ebersberger, die seit Anfang des Jahres die Rolle von Schmids Stellvertreterin übernommen hat. Immer noch hängt dem Haager Roten Kreuz Corona nach. Viele der in den vergangenen Jahren verschobenen Feierlichkeiten werden derzeit nachgeholt, entsprechend werden auch die Sanitäter vermehrt angefordert. Langsam werde es aber besser, setzt Schmid hinzu.
20 Jahre und 26 Jahre sind sie jung und ein bisschen in die Position als Leiterinnen „reingerutscht“, sagen sie. „Wir wussten, dass Flo aufhören will, aber eigentlich dachten wir, dass das erst im Frühjahr sein wird“, erzählt Schmid. Anfang April war das ursprünglich geplante Rücktrittsdatum. Dann entschied sich Ferschmann aber für einen Rücktritt gleich zum Jahreswechsel. Für die beiden „Neuen“ nicht viel Vorlaufzeit. Wobei sie gar nicht so neu sind. Ebersberger ist seit fünf Jahren aktiv in Haag dabei. Schmid seit sechs Jahren. Eigentlich studiert sie Elektroinformationstechnik an einer Hochschule in München, Ebersberger ist Kinderpflegerin in einer Krippe. Der Großteil ihrer Freizeit wird aber mit dem Roten Kreuz gefüllt.
Sanitäter am Haager Herbstfest gefragt
Denn bei den meisten Großveranstaltungen rund um Haag ist auch die Bereitschaft vor Ort. So stellen sie beim Faschingszug und dem Haager Herbstfest die notfallmedizinzische Versorgung sicher, auf rein ehrenamtlicher Basis. Vier bis sechs Personen sind täglich bei solchen Großveranstaltungen im Einsatz, etwa acht Stunden dauert eine Schicht. Und da herrscht keine Langeweile, denn die Sanitäter werden benötigt, wie die Einsatzstatistik zeigt. Etwa fünf mal pro Tag müssten sie am Volksfest tätig werden, schätzt Schmid. Meistens ginge es um zu viel Alkohol. „Aber auch die ein oder anderen Beteiligten bei einer Schlägerei verarzten wir“, erzählt Schmid. Viel Arbeit für die Ehrenamtlichen. Doch die beiden jungen Frauen machen es gern.
Von der Feuerwehr zum Rettungsdienst
Ehrenamt gehört bei Schmids Familie dazu. Der Großteil ist bei der Haager Feuerwehr. Der Onkel war sogar einige Zeit Kommandant. Offiziell ist Schmid ebenfalls noch Feuerwehrlerin, inzwischen nimmt aber ihre Tätigkeit als Rettungssanitäterin mehr Zeit ein. Mit knapp 14 Jahren ist sie beim BRK eingetreten. Zuerst zur Jugend vom Kreisverband Mühldorf, dann kam sie zur Haager Bereitschaft. Schon bald ging es auch zum ersten Sanitätsdienst. Der Rest sei Geschichte. Mit ihrem Wechsel von der Feuerwehr zum Rettungsdient hätte die Familie aber kein Problem, setzt Schmid lachend hinzu. „Ich glaube, meinem Papa ist einfach nur wichtig, dass ich mich engagiere.“
Engagieren wollte sich auch Ebersberger schon lange. Zur Haager Bereitschaft kam sie aber nur „durch Zufall“, wie sie erzählt. „Ich wollte schon immer was in die medizinische Richtung machen, aber Krankenpflege oder Rettungsdienst haben mich nicht angesprochen.“ Vor einigen Jahren sei ihr dann beim Lose kaufen am Glückshafen ein Plakat aufgefallen, Werbung für den Tag der offenen Tür der Haager BRK. „Ich dachte: Ach, das kann man auch ehrenamtlich machen? Und man kann sich die Dienste selbst einteilen?“ Schon beim ersten Treffen sei ihr deshalb klar gewesen: „Das ist genau, das, was ich gesucht habe.“
Neues Notfallsanitätergesetz macht zu schaffen
Gemeinsam leiten Schmid und Ebersberger nun die Bereitschaft, die 120 Mitglieder, davon 50 Aktive hat. Hinzu kommt die Jugend, aufgebaut im vergangenen Jahr, die inzwischen 15 Mitglieder zählt. Der Nachwuchs ist also gesichert. Entsprechend gut ist die Stimmung der beiden.
Nur das geplante Notfallsanitätergesetz macht ihnen zu schaffen. Die Unterstützungsgruppe (UG) Rettungsdienst – bisher mit 150 bis 200 Einsätzen im Jahr ein sehr gefragtes Einsatzmittel – kann kaum mehr ausrücken. „Seit diesem Jahr sind wir eigentlich die meiste Zeit abgemeldet“, bedauert Schmid. Denn aufgrund der neuen gesetzlichen Lage müsste im Rettungswagen ein Notfallsanitäter mit an Bord sein, statt wie bisher „nur“ ein Rettungssanitäter. „Das können wir aber als reine Ehrenamtliche nicht leisten.“ Immerhin dauert die Ausbildung zum Notfallsanitäter drei Jahre. Zum Vergleich: Rettungssanitäter kann man innerhalb von drei Monaten werden. Dass die UG Rettungsdienst die meiste Zeit nicht einsatzbereit ist, frustriert Schmid aber nicht nur. Sie macht sich auch Sorgen, um die Versorgung. „Die 150 Einsätze kommen ja nicht von irgendwoher“, erklärt Schmid. Die Haager BRK hoffen deshalb auf ein einlenken kurzfristiges des Gesetzgebers, denn noch sei das Gesetz nicht durch.