Was mich freut, was mich ärgert
„Das ist für uns der Dolchstoß!“: Warum die Czaps aus Haag gegen ein Café im Zehentstadel sind
„Wenn Haag zwei Ärztehäuser vertragen kann, dann auch zwei Cafés“: Das war die Aussage von Bürgermeisterin Sissi Schätz im Gemeinderat. Das sehen Günter Müller und Angelika Müller-Czap, die das „Czapuccino“ in Haag führen, anders. Warum eine weitere Gastro-Einrichtung für sie der Dolchstoß ist.
Haag - „Wenn Haag zwei Ärztehäuser vertragen kann, dann gehen auch zwei Cafés“: Das war die Aussage von Bürgermeisterin Sissi Schätz im jüngsten Gemeinderat zu den Plänen für den Zehentstadel. Denn nach dem Umbau des Ostteils soll dort ein Café einziehen. Wie die Rathauschefin weiter mitteilte, habe sich die Verwaltung auch schon mit einem Integrationsbetrieb als möglicher Betreiber in Verbindung gesetzt. Es stehe der „soziale Gedanke“ im Vordergrund und das Café werde staatlich gefördert, argumentierte sie. Als Beispiel nannte sie in der Sitzung das „Cafésito“ in Wasserburg und das „Innleitn“ der Stiftung Ecksberg in Mühldorf.
Doch schon in der Sitzung kam auch Kritik auf: Gemeinderat Josef Hederer (PWG) äußerte die Befürchtung, dass ein Integrationsbetrieb möglicherweise als Konkurrenz zu anderen Gastronomieeinrichtungen „böses Blut“ schaffe. Es sei schwer für andere Betreiber, die keine Förderung erhalten würden. „Dass die Marktgemeinde diesen Teil des Zehentstadels pachtfrei oder verbilligt hergibt, ist für viele Wirte schwierig“, war seine Meinung.
Das sehen Angelika Müller-Czap und Günter Müller, die das „Czappuccino“ in Haag führen, genauso. Für sie stellen die Pläne der Marktgemeinde ein großes Problem dar. „Ein weiteres Tagescafé ist für uns der Dolchstoß!“, ist sich Müller-Czap sicher. „Wir haben unser Café 2019 eröffnet und wirklich viel Geld reingesteckt“, erklärt die Inhaberin und verweist auf die Komplexität des Bauvorhabens unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes. „Dann kam Corona und wir mussten praktisch nach der Eröffnung wieder dicht machen. Jetzt kämpfen wir mit der Inflation und den steigenden Preisen. Das waren wirklich schwere Jahre“, blickt die 52-Jährige zurück. „Von der Gemeinde haben wir in dieser Zeit überhaupt keine Unterstützung bekommen. Wir haben uns total im Stich gelassen gefühlt. Während der Pandemie gab es für Senioren Restaurant-Gutscheine, die die Verwaltung ausgeteilt hat. Da wurden wir vom Gemeinderat gar nicht berücksichtigt“, schimpft Müller-Czap.
Frequenzbringer in Haag
„Das ‚Czapuccino‘ haben wir auch nicht eröffnet, weil wir so gerne eine Gastronomie betreiben wollten, sondern als Frequenzbringer. Im Haager Zentrum ist mittlerweile wenig los. Wir versuchen, Leben in den Ort zu bringen. Das Café sollte ein Zuckerl sein für unsere Kunden. Bei uns einkaufen und danach noch Kuchen essen und sich einen Kaffee schmecken lassen, das war der Gedanke“, sagt die Inhaberin. „Mit dem Lokal machen wir überhaupt keinen Gewinn. Wenn wir Glück haben, gehen wir mit Plus-Minus-Null raus. Wir sind nur am Strampeln - und jetzt das: Ein zweites Cafe direkt gegenüber“, klagt sie. „Haag ist nicht Wasserburg. In der Stadt funktioniert das vielleicht, aber doch nicht hier bei uns. Und dann soll das neue Lokal auch noch staatlich gefördert werden, das ist ja Wettbewerbsverzerrung“, findet Müller-Czap. Günter Müller sieht es genauso wie seine Frau: „Wenn gegenüber vom Milchwerk Jäger eine zweite Molkerei aufmacht - und diese würde dann auch noch subventioniert werden, dann wäre der Teufel los“, sagt er.
„Ich habe mit Sissi Schätz vergangenes Jahr über diese Problematik schon gesprochen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie uns verstanden hat“, erklärt die Inhaberin. „Wir sind ja überhaupt nicht gegen die Umbaumaßnahmen im Zehentstadel - im Gegenteil. Wenn dort Kultur stattfindet, haben alle etwas davon. Auch mit der großen Bücherei, die im Westteil angedacht ist, arrangieren wir uns schon. Aber ein weiteres Tagescafé können wir nicht hinnehmen. Ich verstehe nicht, warum das so forciert wird. Es gebe viele Möglichkeiten, möglicherweise Restaurant“, zählt sie auf. Auch das Argument der Bürgermeisterin, dass das Bistro „Valentino“ und das „Czappuccino“ nebeneinander existieren könnten, zählt für die Inhaberin nicht. „Das sind zwei verschiedene Konzepte“, erklärt sie. „Wenn im Zehentstadel ein Café aufmacht, ist der nächste Leerstand vorprogrammiert, nämlich das ‚Czappuccino‘. Und wenn wir schließen, wäre das ein echter Verlust für den Ort“, findet die 52-Jährige.
„Wir wollen Frequenz in die Ortsmitte bringen“
Wie die Bürgermeisterin Sissi Schätz auf Anfrage der Wasserburger Zeitung erklärt, kann sie die Bedenken des Ehepaars Müller-Czap wegen des geplanten Integrationscafés im Zehentstadels „nicht nachvollziehen“. Zwei Cafés in Haag sind „nebeneinander leicht verträglich. Wir haben ja auch die Bäckerei Glück und die Bäckerei Böck, beides mit Café“, so die Rathauschefin. „Ich sehe die Planungen für den Zehentstadel als drittes Konzept. Es ist nicht nur ein Tagescafé, sondern es gibt auch Abendbewirtung zu den Kulturveranstaltungen“, verdeutlicht sie. „Wir wollen Frequenz in die Ortsmitte bringen. Davon profitiert sicherlich auch das Schreibwarengeschäft ‚Czap‘, auch wenn vielleicht der ein oder andere zum Kaffee trinken in den Zehentstadel geht“, zeigt sie sich überzeugt. „Außerdem hatten wir in Haag früher vier Cafés: Preßl, Wanger, Keller und Bauer. Da gab es keine Schwierigkeiten und da hatte die Marktgemeinde die Hälfte der jetzigen Bewohner“, erklärt die Bürgermeisterin.
„Integrationsbetriebe sind Wirtschaftsbetriebe und müssen sich wie jeder andere Betrieb auf dem Markt behaupten. Von einer pachtfreien oder verbilligten Überlassung des Cafés war nie die Rede. Es gibt erste Sondierungsgespräche, ob die Idee im Zehentstadel zu verwirklichen wäre. Eine Pacht wurde noch nicht verhandelt. Zuschüsse erhalten die Integrationsbetriebe vom Staat für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung“, so Schätz.
Die Behinderten- und Inklusionsbeauftragte der Marktgemeinde Haag, Sabine Binsteiner-Maier, weist in einer Presseerklärung der Marktgemeinde nochmals ausdrücklich auf den sozial-inklusiven Aspekt einer solchen Idee eines Integrationscafés hin. „Nicht nur der Inklusionsgedanke, sondern vor allem auch eine Umsetzung, ich meine damit eine echte und gelebte Inklusion, wäre auch bei uns in Haag so wichtig“, betont Sabine Binsteiner-Maier. „Ich erlebe so oft nur Lippenbekenntnisse. Inklusion bei Kindern wird heute vielerorts versucht und teilweise auch gelebt. In Kindergärten ist die geforderte Inklusion schon oft nicht mehr wegzudenken. Bei Jugendlichen wird es schon seltener und schwieriger. Im Berufsleben gibt es die Inklusion nur sehr, sehr selten. Man kann hier auch von einer Inklusionspyramide sprechen. Die Basis wird gelegt, aber sobald es im Leben ernst wird, ist der sozial-inklusive Gedanke fast nicht mehr vorhanden“.
„Wer plötzlich familiär mit dem Thema Einschränkung oder Beeinträchtigung durch Unfall oder Krankheit konfrontiert wird, versteht, dass der Einsatz für Abbau von Barrieren und für Inklusion kein moderner Luxus ist, sondern der Ausgleich von Nachteilen. Gelebte Nächstenliebe, oder einfach nur die Umsetzung von Hilfe“, betont Gemeinderat Siegfried Maier, selbst Vater einer behinderten Tochter, in der schriftlichen Presseerklärung. „Mit einem Integrationscafé im Zehentstadel könnten wir zeigen, dass wir nicht nur darüber reden, sondern auch machen.“
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