Haagerin wird Ehrenbürgerin
„Das ist eine wahnsinnige Ehre“: Das sagt Gertrud Grabmeyer über die Auszeichnung
Buchführerschein, Kinderbuchabteilung, Lesenachmittage: Gertrud Grabmeyer hat in der Haager Bücherei viele Neuerungen eingeführt. Die Marktgemeinde Haag hat sie dafür zur Ehrenbürgerin ernannt. Warum ihr Ehemann ihr die Auszeichnung erstmal verschwieg und wie es jetzt mit der Bibliothek weiter geht.
Haag - Gertrud Grabmeyer ist die neue Ehrenbürgerin von Haag. Die Auszeichnung würdigt ihr Lebenswerk, die Bibliothek. Die Pädagogin öffnete Generationen das Herz fürs Lesen. Von Kindern und Eltern erhielt sie zum Abschied eine Schachtel voller Dankesbriefe.
Gertrud Grabmeyer ist gebürtige Landshuterin. Nach der Schule studierte sie Mathematik und Physik für das Lehrfach. So kam sie als junge Pädagogin an das Gymnasium Gars, wo sie in dem Kollegen Dr. Bernhard Grabmeyer ihren Mann kennenlernte. Später zogen sie nach Haag.
Zum Lesen hatte sie von klein auf eine Beziehung: „Ich lese gern“, sagt die Pädagogin. Als Kind habe sie nur einmal im Jahr, zu Weihnachten, ein Buch geschenkt bekommen. So führte sie ihr Weg damals schon in die Bücherei zum Ausleihen: „Das war der einzige Zugang zu Kinderbüchern.“ In Haag brachten sie ihre Töchter dazu, die damals in der Pfarrbibliothek mithalfen und eines Tages berichteten, da sei nichts mehr los, man suche eine Nachfolge für die Leiterin. „Das reizte mich, anzuschieben, dass wieder was geht“, so Gertrud Grabmeyer im Rückblick. Sie stammte aus einem Geschäftshaushalt und besaß wirtschaftliches Geschick, das sie ab sofort neben Beruf und Familie in ihr neues Ehrenamt einbrachte.
Heuer 18.000 ausgeliehene Medien
Nur 4.000 Bücher wurden vor 26 Jahren ausgeliehen. Heuer waren es 18.000, die dazu noch einen Einnahmerekord ergaben. Zu Beginn musste alles sortiert und „ausgemistet“ werden. Die neue Bibliothekarin besorgte aktuellen Lesestoff. Da das Geld nicht reichte, fuhr Grabmeyer in die Bibliothek von Neumarkt, um drei Kisten Kinderbücher auszuleihen, die sie dann in dreimonatigem Turnus auswechselte. Später stellte sie das umständliche Zwei-Karten-System für die Ausleihe auf Computer um und katalogisierte den Gesamtbestand: „Ich kenne jedes Buch, das wir in der Bücherei haben“, erklärt sie. Jede Neuerwerbung habe sie quergelesen.
Einen ersten Aufschwung brachte die Zusammenarbeit mit einer Referendarin der Volksschule, die mit dem Ausleihen von Büchern für die vierten Klassen begann, was sich dann auf Drängen der Eltern auf alle Klassen ausweitete. Ein Frühstück mit der Frauen-Union brachte die Idee der Lesenachmittage im Ferienprogramm. Sie waren über 20 Jahre stets ausgebucht. „Die sind erstaunlich gut bei Kindern wie Eltern angekommen, erzählt die Ehrenbürgerin.
Viele Verbesserungen folgten, so die räumliche Ausweitung über die ehemalige Caritasstelle. Dafür erhielt Gertrud Grabmeyer die Möbel geschenkt, sodass sie eine eigene Kinderabteilung einrichten konnte. Sie erfand für die kleinen Leseratten den „Büchereiführerschein“, machte mit an der Lesenacht der Schulen und weitete ihren Wirkungskreis auf die Realschule und umliegenden Gemeinden aus.
In neuerer Zeit schätzte man den Wert der Bücherei für die Schulen wieder. Die Haager Bibliotheksleiterin wurde mit ihrem Team mehrfach ausgezeichnet, so sieben Mal vom „Kultusministerium“ mit dem Gütesiegel „Bibliotheken Partner Schulen“. Sogar beim Einkaufen bedanken sich heute einstige, nun erwachsene „Lesekinder“. „Die Arbeit mit Kindern war wirklich schön“, so die neue Haager Ehrenbürgerin Gertrud Grabmeyer, „man konnte was bewirken“. Sie hatte wie nur wenige von Anbeginn den Wert der Lesefähigkeit und des Interesses für Bücher bei Kindern erkannt. Dem leistete auch die Digitalisierung keinen Abbruch: Viele hätten all die E-Books wieder zur Seite gelegt, um in einem richtigen Buch zu blättern. In Haag fühlt sich Gertrud Grabmeyer längst „sehr wohl“.
Ehemann verschwieg Auszeichnung
Die Auszeichnung der Ehrenbürgerschaft habe ihr der Mann zunächst verschwiegen, weil er wusste, dass „ich nicht gern im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht“. Dann aber freute sie sich: „Das ist eine wahnsinnige Ehre.“ Was sie außer dem Titel mitbekommt, weiß sie nicht, doch sie hofft: „Vielleicht darf ich jetzt auch mal umsonst auf den Turm rauf.“ Etwas trüber ist die Hoffnung für den Bestand ihres Lebenswerkes. Schon vor einem halben Jahr habe sie ihren Abschied angekündigt. Reaktion des Trägers, der Pfarrkirchenstiftung: Sie wurde zu keinem Gespräch mehr geladen. „Die haben nichts unternommen“, vermutet sie.
Sicherer glaubte sie die Bibliothek in Händen der Gemeinde. Aber auch eine seit über 20 Jahren debattierte Bibliothek im Zehentstadel werde nicht so einfach realisiert sein und schon gar nicht geleitet. „Zwei Festangestellte wären dafür nötig“, findet Gertrud Grabmeyer und fragt sich: „Wer macht denn das mit den Schülern am Vormittag?“ Sie selber steht nicht mehr zur Verfügung. Die Ehrenbürgerin will sich künftig vor allem um Haus und Garten, um die Familie kümmern – und dabei natürlich noch das eine oder andere Buch lesen.