Der Anfang vom Ende? - *Update*
Sorge um Klinik in Haag - das sagt Klaus Holetschek zur temporären Schließung
Das InnKlinikum Haag wird für drei Monate dicht gemacht. Viele Bürger befürchten, dass es das schleichende Ende ist. So ist die Stimmung in der Marktgemeinde.
Update, 16 Uhr: „Jeder einzelne Termin war hochemotional, tränenreich und wehmütig“
Mit Verständnis hat Manuela Landgraf auf die dreimonatige Schließung des Krankenhauses Haag reagiert. Die Vorsitzende des Personalrats in Mühldorf und Haag spricht von einer offenen und transparenten Kommunikation durch die Klinikleitung gegenüber den Mitarbeitern.
„Jeder einzelne Termin war hochemotional, tränenreich und wehmütig“, erzählt Landgraf. „Der Standort Haag ist ein Schmuckstück, das Konzept der Altersmedizin wurde und wird mit viel Engagement, Leidenschaft und Herzblut gelebt.“ Das Personal in Haag sei teils jahrelang mit der Klinik verwurzelt.
Nach ihrer Einschätzung gab es nach den Informationsveranstaltungen „keinen Mitarbeiter, der nicht Verständnis für diesen notwendigen Schritt der Zusammenlegung beider Standorte zeigte“. Glücklicherweise sei das Personal in Haag und Mühldorf durch die gemeinsame Bewältigung der Coronapandemie sehr gut zusammengewachsen.“ Ziel aller Mitarbeiter der Kliniken in Mühldorf und Haag sei die Erhaltung beider Standorte und die Gewährleistung der bestmöglichen Patientenversorgung.
Ziel ist die Wiedereröffnung des Klinikums in Haag
Das „InnKlinikum“ betont auf Nachfrage, das Krankenhaus wieder öffnen zu wollen. „Fest steht weiterhin, dass die Klinikleitung im engen Austausch mit dem Klinikverwaltungsrat und dessen Vorsitzenden Landrat Max Heimerl daran arbeiten wird, das ‚InnKlinikum‘ Haag als Standort in eine positive Zukunft zu führen“, betont Medizinvorstand Dr. Wolfgang Richter.
Er macht aber klar, dass eine Aussage über die drei Monate hinaus nicht möglich ist. „Ob nach diesen drei Monaten alle Mitarbeiter zurückverlegt werden können oder vielleicht ein Teil davon länger verbleiben muss, ist derzeit reine Spekulation und hängt natürlich von den auslösenden Faktoren ab: der Coronasituation und der personellen Lage in drei Monaten.“
Nach Angaben der Bayerischen Krankenhausgesellschaft gab es die Schließung eines Krankenhauses wegen Corona-Personalmangel bislang noch nicht. „Wir kennen keinen Fall, wo eine Klinikgruppe ein Haus komplett zusperrt“, sagt Eduard Fuchshuber, Sprecher der BKG. „Aber es gibt viele Fälle, in denen Abteilungen wegen Personalmangels zugemacht werden müssen.“
Er nennt die Situation in den Kliniken dramatisch, weil bis zu einem Drittel des Personals ausfällt. „Die Schließung in Haag ist sehr ärgerlich, aber das einzig Richtige.“
Holetschek: „Vorübergehende Schließung ist bedauerlich“
Auch das Bayerische Gesundheitsministerium von Klaus Holetschek äußert Verständnis für die Entscheidung. „Die vorübergehende Schließung ist bedauerlich“, sagte eine Sprecherin. „Aber entscheidend ist, dass die akutstationäre Versorgung der Patientinnen und Patienten mit den umliegenden Krankenhäusern in Mühldorf und Wasserburg gesichert ist. Und dies ist der Fall.“
Bedingungen werden schwieriger
Das Ministerium weist allerdings darauf hin, dass sich die Rahmenbedingungen für Krankenhäuser unabhängig von der Corona-Pandemie geändert hätten und sich damit auch die bayernweite und regionale Krankenhausstruktur verändern könne. „Erforderlich sind deshalb Umstrukturierungen und neue Versorgungsangebote, um die flächendeckend hohe medizinische Versorgung weiterhin aufrechtzuerhalten.“
Erstmeldung - Sissi Schätz: „Eine mittlere Katastrophe für Haag“
Haag in Oberbayern – Das Haager Krankenhaus ist seit über 150 Jahren fester Bestandteil des Orts. Doch das könnte jetzt vorbei sein: Das befürchten zumindest viele Bürger nach der Ankündigung der Geschäftsführung des InnKlinikums Altötting-Mühldorf, das Zentrum für Altersmedizin in der Marktgemeinde ab November für mindestens drei Monate zu schließen (wir berichteten).
„Das ist eine mittlere Katastrophe für Haag“, verdeutlicht Bürgermeisterin Sissi Schätz. „Es macht mich sehr betroffen, dass das InnKlinikum Haag geschlossen werden muss.“ Dass das Krankenhaus im Februar – entgegen der Befürchtungen vieler Leser – wieder öffnet, darauf setzt die Rathauschefin. „Landrat Max Heimerl und der Kreistag haben erklärt, dass der Standort in Haag erhalten bleiben soll. Darauf müssen wir jetzt einfach hoffen“, erklärt sie.
Aber: Die Befürchtungen, dass das InnKlinikum die Einrichtung in Haag nicht mehr öffnet „kommen nicht von ungefähr“, meint sie. Die großen Personalprobleme in der Pflege seien überall bekannt. Die Bürgermeisterin baut darauf, dass die Einrichtung „nicht schleichend dichtgemacht wird“.
Standort wieder reaktivieren
In den Wintermonaten würden die Covid-Patienten auf die großen Kliniken wie Mühldorf oder Altötting konzentriert, doch danach müsse der Standort in Haag wieder reaktiviert werden, findet die Rathauschefin.
Das Krankenhaus sei ein attraktiver Arbeitgeber, vor allem für das Personal, das in der Gegend wohne und nicht täglich nach Mühldorf fahren müsse. Auch für die älteren Bürger sei die Einrichtung essenziell, verdeutlicht die Bürgermeisterin. Darüber hinaus befürchtet sie, dass der große Gebäudekomplex mitten im Ortskern– gerade in der dunklen Jahreszeit – bei einer Schließung „wie tot“ wirke.
Der Krankenhausförderverein, bei dem Schätz Mitglied ist, habe kurzfristig eine Sitzung anberaumt, um weitere Möglichkeiten zu besprechen. Eine komplette Schließung des Standortes wäre für die Bürger undenkbar. „Die Haager geben nicht kampflos auf“, ist die Rathauschefin überzeugt.
Als „sehr traurig für unseren Ort“ bewertet Haags Seniorenbeauftragte Fini Deliano die angekündigte dreimonatige Schließung des InnKlinikums. Die Altersgeriatrie, auf die das Krankenhaus zuletzt spezialisiert war, ist nach ihrer Überzeugung gut angenommen worden. „Die älteren Bürger sind immer gern dort hingegangen“, so Deliano. Nun nach Mühldorf zu fahren, das sei eine Herausforderung für die Senioren. „Viele können nicht mehr ein Auto steuern und auch die Angehörigen könnten nicht immer einspringen. „Es gibt zwar einen Bus, aber für Rollator- und Rollstuhlfahrer ist das auch nicht immer einfach.“ Zudem sei die Marktgemeinde für den westlichen Landkreis Mühldorf ein wichtiger Gesundheitsstandort. „Wir haben ein großes Einzugsgebiet und die Bürgerinnen und Bürger sollen jetzt alle nach Mühldorf fahren?“
Deliano hofft, dass es bei der dreimonatigen Schließung bleibt, bezweifelt dies jedoch. „Sie haben uns auch früher schon eine Station nach der anderen geschlossen und nicht mehr aufgemacht“, sagt sie. „Ich finde das sehr traurig. Das schaut nicht gut aus für Haag.“
Fassungslos zeigte sich auch Josef Hederer, Gemeinderatsmitglied und Vorsitzender des Arbeiter-Kranken-Unterstützungs-Verein (AKUV) in Haag. „Das ist ein großer Schock“, so Hederer. Haag sei ein wichtiger Standort für die Gesundheitsversorgung. „Man muss jetzt unbedingt prüfen, was da getan werden kann.“ Diese Entscheidung einfach hinzunehmen, das sei nicht richtig. Insbesondere, da auch Hederer zweifelt, ob es bei einer temporären Schließung bleibt. „Es könnte auch kommunalpolitische Auswirkungen haben“, glaubt Hederer, „wir planen ja gerade ein Ärztehaus am Bräuhausplatz als Erweiterung für das Krankenhaus.“
Christa Heindl, Vorsitzende des Krankenhausfördervereins und CSU-Kreisrätin, berichtet, dass sie selbst überrascht gewesen sei von der Nachricht der dreimonatigen Schließung. Viele Bürger hätten sich bei ihr gemeldet, ihre Ängste und Sorgen geäußert.
Sorge um Abwanderung von Personal
Das Schlimmste, was laut Heindl jetzt passieren könnte: „Dass dass das Personal wegen dieser Unsicherheiten auf Stellensuche geht“, befürchtet die Vorsitzende. „Das Arbeitsklima im Haager InnKlinikum ist gut. Ich habe dort noch nie etwas Schlechtes gehört. Doch wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wissen, wie es weiter geht, wandern sie ab. Das müssen wir unbedingt verhindern“, stellt Heindl klar. Bei dem kurzfristig angesetztem Treffen des Krankenhausfördervereins sollen die weiteren Schritte besprochen werden, so Haindl.
Die Geschichte des Haager Krankenhauses
Im Jahre 1864 wurde das „Distriktskrankenhaus“ in Haag gegründet. Im 20. Jahrhundert rührte dann der Beschluss des Kreistages die Bürger wie ein Donnerschlag: 29 gegen 25 Stimmen waren für die Schließung der Inneren Ableitung. Doch die Haager wehrten sich erfolgreich und leiteten ein Bürgerbegehren ein. Über 1 000 Leute gingen zum Demonstrieren auf die Straße, über 1 400 Unterschriften wurden gesammelt.
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Das überzeugte auch den Kreistag. Mit deutlicher Mehrheit von 40 zu 13 Stimmen fiel die Entscheidung schließlich für das Krankenhaus in Haag. 1993 wurde die Chirurgie wegen Unterbelegung auf 15 Betten reduziert. Die Geriatrie kam 1995, die Chirurgie machte 1998 zu. Seit dem Jahr 2000 bestand die Geriatrie mit etwa 60 stationären Behandlungsplätzen. Im Januar 2020 übernahm das InnKlinikum Altöttung und Mühldorf den Standort in Haag, wie Dr. Wolfgang Richter, Medizinvorstand der InnKlinikum-Standorte Mühldorf und Haag berichtet. Zum bestehenden Angebot der Geriatrie des „Zentrums für Altersmedizin“, dem Neurozentrum, der Parkinson Fachklinik, der Schlafmedizin und der Physiotherapiepraxis „MobiliJa“ist im vergangenen Jahr das „Zentrum für Schmerztherapie“ hinzugekommen.
