Goldrausch bei Weltmeisterschaften in den USA
Einrad-Fieber in Gars: Warum die ganze Familie Höhne für diesen besonderen Sport brennt
Faszination Einrad: Das ist eher selten. In Gars gibt es eine ganze Familie, die sich dafür begeistert: Michael, Heike, Henriette und Konstantin Höhne. Warum „Allround-Talent“ Henriette Höhne (21) Schuld am Sport-Fieber ist und wie das Einrad sogar zum Liebesglück beitrug.
Gars – Wer mit Familie Höhne aus Gars über das Einradfahren redet, taucht schon nach ein paar Sätzen ein in eine Welt jenseits der üblichen Sportarten. Es fallen Begriffe wie, „MUni“, „Trial“ oder „Freestyle“. Schnell wird klar: Beim Einradfahren geht es um mehr, als auf einem Rad zu fahren. „In Gars trainieren wir verschiedene Bereiche der Sportart“ erklärt Heike Höhne (57). Ihre Tochter, Henriette Höhne (21) ist seit etwa 15 Jahren im Verein und ein „Allround-Talent“. Bei Wettkämpfen nimmt sie unter anderem an „Freestyle“-Disziplinen teil. „Sie erinnern an Eiskunstlauf. Die Sportler zeigen Küren auf dem Einrad. Dabei läuft Musik und sie tragen ein Kostüm“, erklärt Heike Höhne.
Einrad-Sport mit sieben Jahren begonnen
Begonnen mit dem Einrad-Sport hat Henriette Höhne als erste der Familie. Sie war damals sieben Jahre alt und hatte eigentlich schon jeden Nachmittag etwas anderes vor. „Ich habe damals Fußball gespielt und war Eislaufen“, erinnert sich die 21-Jährige. Deswegen habe Mama Heike Höhne immer darauf geachtet, dass Henriette beim Gang in die Garser Turnhalle den Aushang zum Einrad-Kurs nicht sehe. „Ich habe sie immer heimlich daran vorbeigeführt“, erklärt sie lachend. Als Michael Höhne die Tochter einmal zum Training gebracht habe, sei ihm das Plakat aufgefallen und er habe es Henriette gezeigt. „Das wäre doch was für dich“, habe er damals gesagt. Die Tochter sei sofort begeistert gewesen, ganz zum Leidwesen von Heike Höhne. „Sie musste mich erst einmal dazu überreden. Dann erlaubte ich ihr aber, dass sie es neben den vielen anderen Hobbys noch ausprobieren darf“, erklärt die 57-Jährige.
Nach der ersten Schnupperstunde habe die Trainerin jedoch zu Henriette Höhne gesagt, sie dürfe erst wieder kommen, wenn sie das Einradfahren beherrsche. Gesagt, getan. Innerhalb von nur zwei Tagen lernte die damals Siebenjährige, auf dem Sportgerät das Gleichgewicht halten. „Ich habe mir ein Einrad einer Freundin ausgeliehen und im Keller geübt“, weiß Henriette Höhne noch gut. „Auch die Trainerin war überrascht, als sie nach so kurzer Zeit wieder in die Turnhalle kam, aufs Einrad stieg und losfuhr“, erinnert sich die Mutter. Anschließend habe ihre Tochter mit den anderen Sportarten aufgehört und sich nur noch aufs Einrad fokussiert, sagt sie.
Henriette Höhne sei schnell erfolgreich in dieser Sportart gewesen. Dadurch habe sie auch die restliche Familie in den Bann gezogen: die Mutter hat den Trainer-Job übernommen, Papa Michael Höhne (59), Zahnarzt aus Gars, fährt ebenfalls Einrad, genauso wie Henriettes Bruder, Konstantin Höhne (29). Er und Henriettes Freund, Timo Hirschmann (23), sind, beziehungsweise waren in der Disziplin „Mountain-Unicycling (MUni)“ erfolgreich. Selbst Belinda Bebst, Konstantins Ehefrau, war im Einrad-Fahren aktiv – eine ganze Familie, die für diesen Radsport brennt.
„Ich wollte das Einradfahren damals auch mal ausprobieren. Aber lieber draußen als in der Halle“ erinnert sich Konstantin Höhne. Er habe früher ebenfalls bei Einrad-Wettkämpfen teilgenommen, heute übernimmt er bei solchen Events den Medienauftritt. Er filmt und schießt Fotos von allen teilnehmenden Athleten. Heike Höhne übt bis heute mit den Kindern und denkt sich Choreografien aus. „Einradfahren kann ich aber nicht“, sagt die 57-Jährige schmunzelnd.
Liebesglück über das Einradfahren
Sowohl Henriette Höhne, als auch Belinda Bebst waren früher im bayerischen Juniorkader. Daher kenne Konstantin Höhne auch seine heutige Ehefrau. Ähnlich ging es Henriette Höhne und ihrem Partner Timo Hirschmann. „Wir haben gemeinsame Freunde, die auch Einrad fahren“, sagt sie. Michael Höhne ließ sich ebenfalls vom Sport-Fieber anstecken. „Es gab neben mir noch andere Väter, die meist als Aufsichtspersonen bei den Trainings dabei waren. Um uns währenddessen die Zeit zu vertreiben, haben wir selbst mit den Einrädern geübt. Außerdem wollte ich mehr Sport machen, um meinen Rücken zu stärken“, sagt er. Der 59-Jährige leitet die Trainingsgruppe der Mountain-Unicycling in Gars und nimmt ebenfalls an Wettkämpfen teil.
Erst im Juli flog die gesamte Familie zu den Weltmeisterschaften in die USA und kam mit zahlreichen Medaillen wieder zurück. Henriette Höhne und Timo Hirschmann gewannen beide Gold in der Spezial-Disziplin „Criterium“, bei der die Fahrer Schnelligkeit und gute Technik in Kurven verbinden müssen. Die 21-Jährige belegte unter anderem den zweiten Platz im 10-Kilometer Straßenrennen und im Weitsprung, beides bei den Damen. „Sie nahm an etwa 20 von 30 Disziplinen teil“, ergänzt Papa Michael Höhne stolz.
Neuer Weltrekord im Marathon
Timo Hirschmann belegte bei den Herren zusätzlich den ersten Platz im 50-Kilometer Straßenrennen und den zweiten Platz im 10-Kilometer Straßenrennen. Bereits im Mai fuhr er einen neuen Weltrekord bei der Deutschen Meisterschaft im Marathon auf der Rennstrecke des Lausitzringes in Brandenburg mit 1:13:23 Stunden. Michael Höhne belegte in den USA jeweils den zweiten Platz im 10-Kilometer und 50-Kilometer Straßenrennen, beides in der Altersklasse der 50- bis 59-Jährigen.
Auch wenn die Höhnes viele Disziplinen gewonnen haben, gebe es außer der Medaille keinen Gewinn. Denn anders als bei Fußball, Basketball oder Leichtathletik gebe es beim Einradfahren kaum Sponsoren und auch die mediale Aufmerksamkeit sei geringer, erklärt Konstantin Höhne. Meisterschaften seien lediglich für lokale Förderer interessant. Für ein Preisgeld reiche das Budget jedoch nicht aus – die Veranstaltung trage sich im besten Fall selbst und mache kein Minus, erklärt Michael Höhne. „Leben kann man von dem Sport nicht“, betont sein Sohn. Doch das sei auch gut so, findet Heike Höhne. Denn dadurch sei die Stimmung bei den Wettkämpfen familiär und nur auf der Rennstrecke seien die Sportler Konkurrenten, sagt die 57-Jährige. „Wir verstehen uns alle gut und haben Freunde auf der ganzen Welt verteilt“, ergänzt Timo Hirschmann. Die Kosten für die Reise zahlen die Teilnehmer größtenteils privat. „Dadurch dass wir alle hinfahren, ist es aber wie ein Familienurlaub“, betont Belinda Bebst.
Deutschland stark im Einrad-Fahren
Die Weltmeisterschaften im Einradfahren finden alle zwei Jahre statt. Familie Höhne hat neben den Turnieren USA auch schon in Frankreich (2022), Südkorea (2018), Spanien (2016), Kanada (2014) und Italien (2012) teilgenommen. Zwischen 800 und 2.000 Sportler würden an den Meisterschaften teilnehmen – je nachdem, wo sie stattfinden würden, erklären die Höhnes. Neben der Gruppe in Gars gebe es weitere in Mühldorf, Dorfen und Waldkraiburg. „Besonders in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gibt es viele Einradfahrer. Überhaupt stellt Deutschland bei Turnieren oft die meisten Sportler“, so Konstantin Höhne.
Einradfahren bleibt für die Höhnes eine Leidenschaft und eine Freizeitbeschäftigung. Henriette Höhne studiert seit drei Semestern Biomedizin in Schottland, Timo Hirschmann ist Elektrotechnik-Ingenieur und wohnt in Rottweil (Baden-Württemberg). Konstantin Höhne ist Medieningenieur und seine Frau Belinda Bebst ist als Fotografin und im Marketing tätig. Heike Höhne arbeitete früher als Pharmazeutin und derzeit als Berufsschullehrerin, Michael Höhne ist seit vielen Jahren Zahnarzt in Gars.



