Extrawurst für den Nachwuchs
Kinderlebensmittel – außen hui, innen pfui?
Von der Wurstscheibe lacht ein Bärchen, im Joghurt knuspern Sternchen - Kinderlebensmittel sprechen durch ihre Aufmachung besonders die Jüngsten an. Die Werbeversprechen dazu suggerieren den Eltern, dass die Produkte auch gesundheitlich besonders gut für den Nachwuchs geeignet sind. Aber stimmt das?
Mit Comics, Stickern, Sammelfiguren und auffälliger Verpackung locken Hersteller ihre jungen Kunden. Joghurt, Brotaufstriche, fruchtsafthaltige Getränke oder Frühstückscerealien - es gibt viele Lebensmittel speziell für Kinder auf dem Markt. Inzwischen gehören auch Tütensuppen, Nudelgerichte und Fischkonserven zum Sortiment.
Für so genannte Kinderlebensmittel existiert bisher keine lebensmittelrechtliche Definition. Sie werden genau wie herkömmliche Lebensmittel nach dem allgemeinen Lebensmittelrecht hergestellt. Deshalb gibt es auch keine besonderen Schutzbestimmungen. Zahlreiche Kinder-Produkte zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie reichlich Zucker, Fett und Zusatzstoffe enthalten - und häufig auch sehr teurer sind.
Zuckergehalt in Kinderlebensmitteln meist zu hoch
Kinderlebensmittel schmecken häufig süßer als „normale“ Lebensmittel, weil mehr Zucker in ihnen steckt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, dass Kinder höchstens zehn Prozent ihres täglichen Energiebedarfs in Form von Zucker zu sich nehmen sollten. Also etwa 25 Gramm – je nach Alter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät sogar zu nur fünf Prozent. In Milchprodukten für Kinder sollten laut WHO maximal zehn Gramm Zucker pro 100 Gramm enthalten sein.
Das Verbrauchermagazin Ökotest überprüfte Anfang 2023 den Zuckergehalt von 40 Kinderlebensmitteln. Die 10-Gramm-Marke der WHO überschritten 50 Prozent der ausgewerteten Joghurts. Besonders negativ fielen Joghurts mit Toppings auf, die so viel Zucker enthalten, dass nach dem Verzehr am selben Tag keine weitere Süßigkeit mehr gegessen werden sollte. Im Fazit weist die Studie auch auf problematische Werbeslogans hin, wie „mit viel guter Milch“, „Calcium und Vitamin D reich“. Selbst „viel gute Milch“ hebe den hohen Zucker- und Fettgehalt nicht auf.
In einer Studie der Stiftung Warentest wurden 30 Frühstücks-Cerealien untersucht. Auch hier bemängeln die Experten den häufig zu hohen Zuckergehalt. Meist bestehen die Produkte zu 25 bis 50 Prozent aus Zucker. Außerdem enthalten die Frühstücksflocken kaum Ballaststoffe, die wichtig für eine lange Sättigung sind. Auch die Portions- und Prozentangaben auf den Verpackungen sind kritisch zu betrachten. Referenzwerte, die eigentlich für Erwachsene gelten, stellen die Produkte gesünder dar, als sie tatsächlich sind.
Fruchtzucker ist übrigens kein sinnvoller Zuckerersatz! Er kommt vor allem in Milchprodukten und Getränken zum Einsatz. Größere Mengen an Fructose wirken abführend und können die Blutfettwerte erhöhen. Fruchtzucker klingt nach gesundem Obst, wird aber in der Regel industriell aus Stärke gewonnen.
Kindergetränke besonders kritisch
Laut WHO sind zuckerhaltige Getränke eine der Hauptursachen für Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes, auch bei Kindern. In Deutschland sind 15 Prozent der Kinder zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig und sechs Prozent davon adipös. Die meisten Kindergetränke, die 500 Milliliter umfassen, überschreiten den WHO-Referenzwert um ein Vielfaches.
Die sogenannten „leeren Kalorien“ in zuckerhaltigen Getränken sind besonders ungünstig, da sie nicht zur Sättigung beitragen, aber den Blutzucker schnell erhöhen und noch mehr Lust auf Süßes verursachen.
Große Mehrheit für Obergrenze
Laut einer Bevölkerungsumfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes zum Thema „Lebensmittel“ befürworten 83 Prozent der Befragten Obergrenzen für Zucker, Fett und Salz bei Lebensmitteln, die sich in Aufmachung und Gestaltung an Kinder richten. Bislang verbietet keine gesetzliche Regelung, ungesunde Lebensmittel für Kinder zu vermarkten, obwohl genau das aus Sicht der Verbraucherzentralen dringend notwendig ist.
Nahrungsergänzungsmittel in Kinderprodukten
Die Studie der Stiftung Warentest zeigt, dass von den 30 untersuchten Frühstücks-Cerealien ganze 27 mit Vitaminen angereichert waren, einige zusätzlich mit Mineralstoffen. Überflüssig, denn in der Regel sind Kinder in Deutschland gut mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt. Problematisch sind besonders hohe Dosierungen: Bereits 60 Gramm von mit Eisen angereicherten Cerealien enthalten rund 20 Milligramm Eisen. Das entspricht der Tagesmenge für sieben- bis neunjährige Kinder. Eine gesündere Alternative wäre die Deckung des Eisen-Bedarfs durch Haferflocken, Hirse und Vollkornprodukte.
Als Ausnahme ist in Deutschland eine Folsäuresupplementierung gegebenenfalls sinnvoll, aber nur nach Rücksprache mit einem Arzt - und auch nicht durch Frühstücksflocken. Cerealien mit zugefügter Folsäure enthalten zum Beispiel bei 60 Gramm schon 400 Mikrogramm Folsäure, die Tagesdosis für Kinder unter zehn Jahren liegt allerdings bei 300 Mikrogramm. Eine Überdosierung hat in der Regel keine direkt negativen Folgen, ist aber trotzdem als problematisch zu bewerten.
Fazit: Brauchen Kinder spezielle Lebensmittel?
Die Antwort ist ein klares Nein. „Kinderlebensmittel bringen weder einen zusätzlichen Nutzen, noch stellen sie eine gleichwertige Alternative für herkömmliche Lebensmittel dar. Dazu belasten sie den Geldbeutel unnötig, verderben den Geschmackssinn und verunsichern die Eltern mit blumigen und irreführenden Werbebotschaften.” So die klare Botschaft auf dem Verbraucherportal Bayern des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz. Kinder können und sollen ab ihrem ersten Geburtstag am Familienessen teilnehmen. Eine ausgewogene Ernährung reicht völlig aus, damit Kinder gesund groß werden.
Kurzum: Kinderlebensmittel sind nichts anderes als Süßigkeiten, die ab und zu in Ordnung sind, aber keinen dauerhaften Platz in der Brotbox oder als regelmäßiges Frühstück oder Nachmittagssnack auf dem Esstisch finden sollten.
| Empfehlenswert | Nicht empfehlenswert |
| Selbstgemachter Beeren-Quark, Joghurt mit frischem Obst | Fruchtzwerge, Fruchtjpghurts, Puddings |
| Haferflocken mit Joghurt und Obst, selbstgemachtes Müsli | Frosties, Cornflakes, Mini-Cinis etc. |
| Wasser, ungesüßter Tee, 3:1 verdünnte Schorle | Capri-Sonne, Frucht-Tiger, Säfte pur |
Quelle: VerbraucherService Bayern
as/VerbraucherService Bayern