„Hat mit Spiritualität wenig zu tun“
Deutsche Frauen auf TikTok konvertieren zum Islam: „Sie wollen eine Lehre füllen“
„Ich mache es nicht nur, weil es Trend ist“: Auf TikTok finden sich viele Videos deutscher Frauen, die angeblich zum Islam konvertiert sind. Was steckt dahinter?
„POV: Dein erstes Mal am Strand mit Burkini“, schreibt Sara. Sie gehört zu den deutschen Frauen, die auf TikTok ihr neues Leben als gläubige Muslima zelebrieren, weil sie erst vor geraumer Zeit zum Islam konvertiert sind. Wie viele es genau sind, ist schwierig zu erfassen, da nicht alle von ihnen dieselben Hashtags verwenden.
Der angebliche TikTok-Trend (der dem an Ramadan ähnelt), beschränkt sich nicht auf Deutschland. So fragt die Nutzerin @mariare1na in einem Video: „Warum konvertieren so viele europäische Mädchen zum Islam?“, und beantwortet sich die Frage selbst: „Wir sind aufgewacht.“ Die Deutsche @lara.italia sagt: „Ich mache es nicht nur, weil es Trend ist.“
@mariare1na 😌😌😌 All praise to Allah #foryou #fyp #muslimtiktok ♬ we woke up - 🌞 Earth to Khadija 🌱
TikTok-Trend: Konvertieren mehr junge Frauen zum Islam?
Ramzi Ghandour beschäftigt sich mit Entwicklungen des Islams in Europa und ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Dortmund. Ob es sich um einen Trend handele, sei „schwer zu sagen“, weil es „keine belastbaren Zahlen“ zu Muslimen in Deutschland geschweige denn zu Konvertierten gebe, sagt er BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.
Grund dafür sei, dass die Religionszugehörigkeit zum Islam im Gegensatz zur Angehörigkeit zur katholischen oder evangelischen Kirche nirgendwo zentral erfasst werde. Aber: „Allgemein gilt die Faustregel, dass die Zahl der Konversionen ansteigt, wenn gesellschaftlich und medial besonders viel (auch negativ) über islambezogene Themen diskutiert wird. Der Nahostkonflikt könnte also tatsächlich eine Rolle spielen“, sagt Ghandour.
@lara.italia Du bist zum islam konvertiert. Du hast den richtigen weg gefunden 🤲🏼❤️🏴#islam #konventiert #lailahailallah #lasstesviralegehen #trend #fypシ #alhamdulillah❤️ #pleaseviral ♬ original sound - 🎶🎧
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„Menschen, die konvertieren, versuchen eine gewisse Leere zu füllen“
„Zur Schau gestellte Konversion gab es schon immer“, sagt Sineb El Masrar BuzzFeed News Deutschland. Sie hat das Buch „Heult leise, Habibis!“ geschrieben und beschäftigt sich mit Binationalität und Interreligiösität bei Frauen. „Was der Gazakrieg verändert hat, ist, dass sich auf einmal Influencerinnen, die vorher nichts mit Politik zu tun hatten, politisch und pro-muslimisch äußern. Weil deren Inhalte eine enorme Reichweite haben, verstärken sie bei jungen Frauen den Wunsch nach einem glücklichen Leben als konvertierte Muslimin.“
„Menschen, die konvertieren, versuchen eine gewisse Leere zu füllen. Es geht immer um Aufmerksamkeit und Anschluss, diese Frauen suchen Anerkennung, Gemeinschaft und eine Art Ersatzfamilie“, sagt sie. Diese sei ihnen in muslimischen Communitys sicher, denn im Islam habe Familie einen sehr hohen Stellenwert. „Das Klischeebild ist: Man kümmert sich umeinander.“
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Frauen auf TikTok entscheiden sich „selbstbestimmt für ein Leben als Muslimin“
Viele Frauen konvertierten aufgrund ihrer muslimischen Partner. „Interessant“ sei: Während eine Muslimin keinen Christen heiraten dürfe („Auch der Islam ist eben eine patriarchale Religion“) sei es Muslimen erlaubt, Christinnen oder Jüdinnen zu heiraten. Das führe dazu, dass diese Frauen langsam an die Religion herangeführt würden und eine sehr bewusste Konversions-Entscheidung treffen.
„Genauso wie sich Frauen selbstbestimmt für ein Leben als Hausfrau entscheiden, entscheiden sie sich selbstbestimmt für ein Leben als Muslimin“, sagt El Masrar und verweist auf die Trad-Wives auf Social Media. „Auf TikTok erzählen sie dann, wie man sich ein Kopftuch bindet, wie magisch ihre Hochzeit war oder werben für den neuen Thermomix. Mit Religion und Spiritualität hat das nur wenig zu tun.“ Zum Islam zu konvertieren, sei außerdem sehr einfach. „Es braucht dafür nicht mal einen Imam*, geschweige denn einen Gang zum Amt“, sagt El Masrar.
*Ein Imam ist der Leiter einer muslimischen Gemeinde.
Rubriklistenbild: © Screenshots @mariare1na und @sara.dalia_

