„Wenig zielführend“
Messerangriff in Solingen gar nicht vom IS beauftragt? Expertin entkräftet Theorie
Stecken hinter dem Messerangriff in Solingen staatliche Akteure, um die Landtagswahlen im Osten zu beeinflussen? Eine Expertin ordnet diese Spekulation ein.
Nach dem tödlichen Anschlag in Solingen kursieren in den Sozialen Netzwerken Verschwörungstheorien über angebliche staatliche Drahtzieher hinter dem Anschlag. Der Täter könnte doch von Russland oder dem Iran beauftragt gewesen sein, heißt es. Es sei kein Zufall, dass die Tat eine Woche vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen passiert sei. Mit der Tat könnten die Wahlen beeinflusst und Deutschland destabilisiert werden.
„Wenig zielführend“, findet Bente Scheller diese Spekulationen. Sie ist Leiterin des Nahost- und Nordafrika Referats bei der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. „Es ist wichtig, eine Terrorgefahr ernst zu nehmen – und dazu gehört auch, sich nüchtern mit den Fakten auseinanderzusetzen“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.
Für Anschlag in Solingen braucht es keine „staatlichen Anstifter wie Russland oder Iran“
Auf einem Stadtfest in Solingen hatte ein Mann am Freitagabend (23. August) drei Menschen mit einem Messer getötet. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. „Es handelt sich nicht um einen ausgefeilten Anschlag, für den viel Planung und Logistik notwendig gewesen wären“, sagt Scheller. Dafür brauche es „kein ausgeklügeltes Netzwerk von Hintermännern oder gar staatliche Anstifter wie Russland oder Iran“.
Seit Sonntagabend sitzt ein tatverdächtiger Syrer in Untersuchungshaft. Er soll der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angehören. Die Terrormiliz reklamierte den Anschlag für sich. Der Verdächtige sollte eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden, weil sein Asylantrag abgelehnt worden war.
Anschlag in Solingen befeuert Asyldebatte – „Putin reibt sich gewiss die Hände“
Nach dem Anschlag in Solingen fordert CDU-Chef Friedrich Merz einen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan. In seinem Newsletter schreibt er: „Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Personen, die damit herumlaufen.“ Jens Spahn will deutsche Grenzen schließen, um irreguläre Migration zu stoppen und der AfD-Spitzenkandidat in Thüringen, Björn Höcke, teilte ein Post mit einem blutigen Messer und einer Wahlaufforderung.
Auch wenn Scheller Spekulationen über „staatliche Anstifter“ für wenig zielführend hält, nutze der Diskurs, wie er nach dem Anschlag geführt werde, autoritären Staaten. Es sei „absolut im Interesse“ von Russland oder Iran, wenn liberale Gesellschaften sich polarisieren, sagt sie BuzzFeed News Deutschland.
„Putin reibt sich gewiss die Hände, wenn er sieht, wie reflexartig der Diskurs populistisch aufgegriffen wird, wie nicht nur Rechtsextremisten, sondern auch konservative Politiker von einem Verbrechen ausgehend das Recht auf Asyl infrage stellen und sich in rassistischen Kommentaren ergehen“, sagt die Politikwissenschaftlerin.
