Deutschland soll am Montag still stehen
Angst vor Mega-Streik und „Versorgungschaos“ - erste Schule in Region genehmigt Entschuldigung „Streik“
Am Montag (27. März) droht uns einer der größten Streiktage jemals. An diesem Tag soll der Verkehr umfassend bestreikt werden. Der beispiellose Warnstreik umfasst den Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr auf der Schiene, viele deutsche Flughäfen, die Wasserstraßen und Häfen sowie Autobahnen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verdi kämpfen für mehr Einkommen. Insgesamt dürften am Montag rund eine halbe Million Menschen streiken. Und das hat krasse Auswirkungen.
Update, 13.09 Uhr - Erste Schule im BGL genehmigt Entschuldigung mit Grund „Streik“
Während die Stadt Bad Reichenhall soeben mitteilte, dass am Montag alle „Stadtbusse und auch unsere Schulbusverstärker wie gewohnt für Sie“ fahren werden, vermeldete eine Schule aus dem Landkreis Berchtesgadener Land, dass sich Schüler bzw. die Eltern ihr Kind „mit dem Grund `Streik`“ entschuldigen können.
Wörtlich heißt es: „Sollten Sie es nicht ermöglichen können, dass Ihr Kind zur Schule kommt und gegebenenfalls auch abgeholt wird, bitten wir um Entschuldigung Ihres Kindes im Schulmanager mit dem Grund `Streik´.“
Update, 11.50 Uhr - Warnstreik: Bayerns Schüler können unter Bedingungen zu Hause bleiben
Wegen des Warnstreiks am Montag können Schülerinnen und Schüler unter bestimmten Bedingungen dem Unterricht fern bleiben. „Für Schülerinnen und Schüler, die wegen ausfallender Busse und Bahnen nicht zur Schule kommen können und sonst keine Fahrtmöglichkeit haben, gibt es Sonderregelungen: Sie können am Montag zuhause bleiben; die Schule muss in diesem Fall aber auf jeden Fall informiert werden“, sagte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in München.
Für Montag sind bundesweite Warnstreiks im öffentlichen Verkehr angekündigt, die auch in weiten Teilen Bayerns große Auswirkungen haben werden. Am Flughafen München wird am Sonntag und Montag der reguläre Betrieb eingestellt. Die Deutsche Bahn kündigte an, am Montag den gesamten Fernverkehr einzustellen. Auch im Regionalverkehr werde „größtenteils kein Zug fahren“, teilte der Konzern mit.
„Der für Montag angekündigte Warnstreik wird auch viele Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte in Bayern auf Ihrem Weg zur Schule treffen. Trotz des Streiks findet am Montag aber an den Schulen in Bayern grundsätzlich regulärer Unterricht statt – viele kommen ja zum Beispiel auch zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule“, betonte Piazolo.
Je nach Situation vor Ort seien im Einzelfall auch flexible Sonderlösungen und weitergehende Maßnahmen möglich wie die Verlegung von angekündigten Leistungsnachweisen oder Distanzunterricht für einzelne Jahrgangsstufen, sagte Piazolo. „Etwaige Informationen hierzu erhalten die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Erziehungsberechtigten direkt von den Schulen.“
Erstmeldung:
Verdi will mit dem Mega-Streik 10,5 Prozent mehr Lohn für die Angestellten und Beamten in Bund und Kommunen durchsetzen, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat. Die EVG fordert sogar 12 Prozent mehr bzw. mindestens 650 Euro/Monat obendrauf.
Mega-Streik am 27. März
Und der große Warnstreiktag im öffentlichen Verkehr in Deutschland wirft bereits seine Schatten voraus. Betroffen sind der Fern- und Regionalverkehr auf der Schiene, nahezu sämtliche deutsche Flughäfen, Wasserstraßen und Häfen sowie die Autobahngesellschaft. Befürchtungen, dass es zu Tunnelsperrungen kommen könnte, wies die Autobahngesellschaft am Donnerstag indes zurück. Damit dürfte Deutschland auf der Schiene, auf Flüssen und an Flughäfen weitgehend still stehen.
Die Logistikbranche warnt in diesem Zusammenhang vor einem „Versorgungschaos“ und fordert die Aufhebung des Lkw-Fahrverbots am Sonntag. „Der Streik wird auch viele Lkw-Fahrer und -Fahrten massiv treffen“, sagte der Präsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, der „Bild“ am Freitag (24. März). „Es droht Versorgungschaos und ein Schaden von zig Millionen, wenn Waren nicht rechtzeitig geliefert werden können.“
Fahrverbot für Lkw am Sonntag aufheben?
Engelhardt sagte, Verdi nötige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zum Handeln. „Es wäre daher sinnvoll, wenn Verkehrsminister Wissing das Fahrverbot für Lkw an diesem Sonntag aufheben würde. Das könnte viel von dem Chaos und dem Schaden für die Wirtschaft abmildern, den Verdi anrichten will.“
Deutschlands Arbeitgeber werfen den Gewerkschaften überzogenes Handeln vor. „Wer so handelt, handelt unverhältnismäßig und gefährdet die Akzeptanz für das Streikrecht“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin.
Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge, findet den massiven Ausstand „nicht ok“, wie sie in Berlin sagte. Sie rief die Gewerkschaften zu konstruktiven Zeichen für die am Montag beginnende dritte Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes auf - neben den Tarifgesprächen bei der Bahn der entscheidende Hintergrund für die Warnstreiks. „Die Gewerkschaften sollten aufpassen, dass sie nicht überziehen“, sagte Welge.
Szenen wie in Frankreich
Kampeter mahnte, der Kampf um Mitglieder dürfe die Tarifautonomie in Deutschland nicht radikalisieren. „Ein Blick nach Frankreich zeigt, wohin es führt, wenn man sich auf die schiefe Ebene begibt.“ In Frankreich wird vergleichsweise häufig gestreikt - zuletzt besonders heftig gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron.
Kampeter kritisierte: „Großstreiks, die ein Land lahmlegen sollen, sind keine Warnstreiks.“ Der Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Markus Jerger, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Unternehmen und Bevölkerung dürfen nicht in Geiselhaft genommen werden für Forderungen, die in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht zielführend sind.“
„Verantwortlungslos“
Der Airline-Verband Barig, dem neben internationalen auch die meisten deutschen Anbieter angehören, kritisierte das Vorgehen der Gewerkschaften als „verantwortungslos“. „Die unverhältnismäßig massiv eingeschränkte Mobilität erschwert die nationalen wie auch internationalen Verkehrsströme, den Warentransport, gegebenenfalls wichtige humanitäre Hilfslieferungen und das gesellschaftliche Zusammenleben allgemein“, sagte Barig-Chef Michael Hoppe.
Schulausfälle auch in der Region?
Wegen des Streiks denken auch viele Schulen darüber nach, den Unterricht ausfallen zu lassen oder auf Distanzunterricht auszuweichen. „Der deutschlandweite Streik der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG am Montag, den 27. März 2023, wird aller Voraussicht nach zu umfassenden Ausfällen in der Schülerbeförderung führen“, heißt es zum Beispiel vom Landratsamt Traunstein.
Betroffen seien sowohl Buslinien als auch Zugverkehr der Südostbayernbahn (SOB), der Bayerischen Regiobahn (BRB) und der Regionalverkehr Oberbayern (RVO). „Somit wird ein weitgehender Teil der Schülerbeförderung ersatzlos entfallen.“ Schüler und Eltern werden daher gebeten, sich bei ihrer jeweiligen Schule zu informieren, wie der Unterrichtsablauf geregelt wurde.
Auch die Bayerische Oberlandbahn appelliert in einem Statement „an alle, insbesondere auch die Schulen, wenn möglich auf Homeoffice oder Homeschooling auszuweichen, und auf Fahrten mit dem ÖPNV ganz zu verzichten.“ Weiter heißt es, dass kein Zugverkehr möglich sein wird.
Das ist der Stand bei den Verhandlungen
Mit den Aktionen erhöht Verdi den Druck für die am Montag beginnende dritte Verhandlungsrunde mit Bund und Kommunen. Gemeinsam mit dem Beamtenbund dbb fordert die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Lohn. Die Arbeitgeber hatten in der zweiten Verhandlungsrunde Ende Februar ein Angebot vorgelegt. Es umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro.
Ende Februar begannen zudem die Verhandlungen der EVG mit der Bahn und rund 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen. Die EVG fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent an bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.
mz
Rubriklistenbild: © Montage dpaPA Wire/Jochen Lübke/Peter Kneffel