Essay
Von Hitze und Gewittern in Bayern: Gibt es noch „normales“ Wetter?
Ich klebe auf einem Stuhl. Nein, ich bin kein „Klimakleber“. Obwohl mein Zustand durchaus etwas mit der Großwetterlage zu tun hat. Ich schwitze mir schlichtweg die letzten flüssigen Zellbestandteile aus dem Leib und drohe am Sommer zu zergehen.
Ob es schon immer so heiß war, frage ich mich. Und scheitere an einer Antwort. Zweifelsohne werden in den TV-Nachrichten immer neue Temperatur-Superlative erfunden, um der globalen Erwärmung Ausdruck zu verleihen, und gleichzeitig nicht mehr ganz so viele Zuschauer an Streaming-Dienste zu verlieren. Andererseits sagt man einem gewissen Donald Trump nach, er habe zuweilen die Idee kolportiert, der Klimawandel sei eine Erfindung der Chinesen.
Wie ich dazu stehe? Ich schwitze. Doch auch ich habe da so meine Thesen, woran das liegen könnte.
Während ich mir gerade etwas Eiswasser aus einer Thermoskanne gieße, werde ich mir eines wichtigen Faktors gewahr: Das Getränk bleibt nur deshalb kalt, weil die Kanne dicke Wände besitzt. Isolation ist eine Frage der Dicke. Hm. Vielleicht muss ich nicht seit 15 Jahren konsequent stärker schwitzen, sondern seit den letzten 15 Kilo. Eine Diät in Kombination mit Sport soll ja helfen. Aber dabei begegne ich wieder der Transpiration, auf die ich keine Lust habe.
Meine Labradorhündin liegt neben mir und kann sich auch kaum bewegen. Ihr ist es ebenso zu heiß. Seit Wochen verliert sie vermehrt Haare. Sollte das etwa ein Hinweis sein? Vielleicht liegt es am männlichen „Brust-Flokati“, der mir den Organismus zu sehr warmhält?
Oder wir sind alle einfach viel zu weich geworden. Wir temperieren unsere Autos auf exakt 20,5 Grad, befreien unsere Kinder bei Sonnenschein vom Sport – zu groß die Gefahr eines Hitzschlags – und gehen nur mit Lichtschutzfaktor 175 vor die Tür. Wo sind sie hin, die Sommertage, wo wir bei 30 Grad mit dem Radl zum Sportplatz strampelten, dann eine Stunde Basketball trainierten, nur um dann wieder Heim zu radeln? Wo sind all die Autos hin, die man nur bei vier offenen Fenstern im Sommer bewegen konnte? Ja, wann sind wir so endlos bequem geworden?
Es scheint kein geeignetes Wetter mehr zu geben. Nur noch zu warm, zu kalt, zu nass, zu irgendwas. Wie sagte einst Mark Twain? „Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war.“ Stimmt irgendwie.
Ich nutze den Sommer und gehe mit meinen Kindern ins Freibad. Nach dem Einpacken von gefühlt 64 Aufblastieren und stundenlanger Suche nach den Badesachen haben wir es dann geschafft: Pünktlich zum einsetzenden Regen wären wir bereit zur Abfahrt. Na ja, wenigstens ist es jetzt ein bisschen kühler.
ar