Söder-Erlass stößt auf Gegenwehr
„Ein Rückschritt“? – Wie Söders Gender-Verbot für Protest an bayerischen Unis sorgt
Die Söder-Direktive zum Gender-Verbot in Schulen und Universitäten sorgt an bayerischen Hochschulen für Verärgerung. Eine Unterschriftenliste findet große Resonanz. Der Münchner Politologe Prof. Carlo Masala sagt: „Ein Verbot von Sprache ist völlig unsinnig“.
München – Gender-Verbot – Nein danke. Die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), in Schulen und Universitäten Gender-Schreibweisen etwa mit Doppelpunkt oder Binnen-I, zu verbieten, stößt bei vielen Betroffenen auf Gegenwehr. Eine von der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen angestoßene Unterschriftenliste findet große Resonanz. Mehr als 6000 Einzel-Personen haben unterzeichnet.
Dass der Söder-Erlass bei den Unis auf Gegenwehr stößt, war fast zu erwarten. Viele Einrichtungen gendern – an der TU München etwa das gesamte Team, das die jüngste Pisa-Studie verantwortet. Auch von TU-Präsident Thomas F. Hofmann ist bekannt, dass er Anreden wie „Professor:innen“ verwendet. Hofmann, kürzlich als Hochschulmanager des Jahres 2023 ausgezeichnet, hat die Liste (bis jetzt) nicht unterzeichnet, inhaltlich dürfte er dahinter stehen. Sprache solle „der geschlechtlichen Vielfalt“ Rechnung tragen, heißt es in dem Aufruf. Dafür gebe es „verschiedene sprachliche Lösungen“, die sich „in vielen gesellschaftlichen Bereichen“ bereits durchgesetzt hätten. Ein Verbot sei hingegen „ein Rückschritt“ und widerspreche grundgesetzlich verankerten Prinzipien der Gleichbehandlung. Schulen, Hochschulen und Verwaltungen solle die Freiheit gewährt werden, „wie sie in ihrer Sprache Gleichbehandlung ausdrücken wollen“.
Unterschriftenliste ist nicht auf Bayern begrenzt
Die Unterschriftenliste ist nicht auf Bayern begrenzt. Es gibt auch Unterschriften von Professoren aus Oldenburg, Bonn oder Graz, und auch Unterschriften aus Künstlerkreisen – sowohl die Gleichstellungsbeauftragte der Bayerischen Staatsoper als auch Regisseur Marcus H. Rosenmüller haben unterschrieben. Aber gefühlt zwei Drittel der Unterzeichner entstammt dem Hochschul-Personal des Freistaats – sehr viele auch von kleineren Hochschulen wie etwa der OTH Amberg-Weiden, der TH Deggendorf oder OTH Regensburg (hier gleich mehrere Dutzend).
Eine der Initiatorinnen ist Elke Wolf, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule München und dort auch Gleichstellungsbeauftragte. „Wir sind positiv überrascht von der Resonanz“, sagt sie gegenüber unserer Zeitung. Söders Direktive ärgert sie. Dazu zu schweigen „war keine Option“. Es könne nicht sein, dass per Mehrheitsbeschluss verfügt werde, welche Sprache die einzig Richtige sei.
„Jeder kann schreiben und sprechen, wie er will.“
An der Hochschule München mit ihren 18.000 Studierenden gibt es einen Sprachleitfaden („Gendersensible Sprache an der HM“), in dem für die Verwendung des Gender-Doppelpunkts geworben wird – also „Mitarbeiter:in“ oder „Professor:in“. Zudem wird empfohlen, in der gesamten Kommunikation der Uni geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie „Studierende“ zu verwenden. Allerdings, so betont Wolf: „Natürlich ist es kein Zwang, jeder kann schreiben und sprechen, wie er will.“ Und: Wer nicht gendere, werde nicht negativ bewertet. Auch Wolf als Hochschullehrerin hält sich, etwa bei der Bewertung von Seminararbeiten, an diese Vorgehensweise. „Ich kenne auch niemanden, der es benotet.“ Es gebe in Bayern auch keinen Leitfaden, mit dem eine Gender-Pflicht verordnet werde – „trotzdem kursieren da irgendwelche wilden Stories, dass es schon so ist“.
Neben Hochschullehrern wie der Historikerin Prof. Hedwig Richter (Hochschule der Bundeswehr München) und dem Professor für Zeitgeschichte Dietmar Süß (Uni Augsburg) hat auch der aus Talkshows bekannte Münchner Politologe Prof. Carlo Masala den Aufruf unterzeichnet. „Ein Verbot von Sprache ist völlig unsinnig“, sagt er unserer Zeitung. „Ich bin gegen den Zwang zum Gendern, aber auch gegen ein Verbot.“ Wer gendern wolle, könne es auch in Seminararbeiten an seinem Lehrstuhl gerne tun – oder es auch lassen. „Zwang in die eine oder andere Richtung lehne ich ab.“
Die Unterschriftenliste ist noch geöffnet, in den nächsten Wochen dürfte sie dem Wissenschaftsministerium zugehen. Markus Blume (CSU) hat sich getreu Söders Devise schon auf ein „klares Nein zum Gendern“ festgelegt.
Es klingt kompromisslos, ist es aber vielleicht doch nicht. Wissenschaftsminister Markus Blume will ein Gender-Verbot nur im „amtlichen Schriftverkehr“ der Hochschulen. Seminararbeiten oder Aufsätze von Professoren erwähnt er nicht.