Andrea Heiß vom Nationalpark im Interview
Seit zwei Jahren gesperrt: „Influencer-Becken“ bald wieder beliebtes Fotomotiv?
Andrea Heiß, Leiterin der Umweltbildung im Nationalpark Berchtesgaden, über Erfolge, Herausforderungen und warum man verstärkt mit Schulen zusammenarbeitet.
Berchtesgaden – Seitdem der Königsbachwasserfall am Königssee im Nationalpark Berchtesgaden für Besucher gesperrt ist, ist der Besucherdruck dort deutlich zurückgegangen. „Unser Vegetationsmonitoring zeigt, dass sich die Natur bereits von den Belastungen wie Trittschäden erholt hat”, sagt Andrea Heiß, Leiterin des Fachbereichs Umweltbildung. Verstärkt will man nun mit Schulen zusammenarbeiten, um die nachhaltige Bildung zu fördern.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Berührungspunkt mit dem Nationalpark erinnern?
Andrea Heiß: Die Begeisterung für den Naturschutz und die Bildung im Nationalpark Berchtesgaden sind bereits früh geweckt worden - während meiner Diplomarbeit.
Der Nationalpark Berchtesgaden ist Lebensraum für viele Tierarten, gleichzeitig auch Erholungsraum für Millionen Besucher, vor allem jetzt während der touristischen Hauptsaison. Wie wird mit dem Spannungsfeld umgegangen, dass der Nationalpark einerseits Besucher anziehen und andererseits die Natur schützen soll?
Heiß: Wegen der großen Nachfrage sind je nach Bildungsbereich nur geringe werbliche Maßnahmen vor Ort notwendig. Die relativ neue Bildungsform der mobilen Bildungsangebote wird gar nicht beworben und hat zum Ziel, die vielen Besucher an den stark frequentierten Orten im Gelände zu erreichen. Sie sollen über den Nationalpark und vor allem die Nationalparkregeln informiert werden.
Welche Rolle spielt dabei die Umweltbildung im Nationalpark allgemein und im Speziellen?
Heiß: Nationalparke sind nach den gesetzlichen Vorgaben zu Bildungszwecken zu erschließen - soweit es der Schutzzweck eben erlaubt. Die Umweltbildung zählt damit nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu den zentralen Aufgaben von Nationalparken. Im Rahmen der Natur- und Wildnisbildung im Nationalpark wurden im vergangenen Jahr mehr als 44000 Besucher betreut, wobei 28500 die mobilen Angebote im Gelände nutzten. Bei Wanderprogrammen machten über 2000 Leute mit, bei individuellen Bildungsangeboten auf Anfrage waren es fast 9000 Personen.
Existieren Maßnahmen, um den ökologischen Fußabdruck des Tourismus im Nationalpark zu reduzieren?
Heiß: Die Bildungsangebote der Nationalparkverwaltung sind so weit als möglich auf den öffentlichen Personennahverkehr abgestimmt, um eine umweltfreundliche Anreise zu den Bildungsprogrammen zu fördern. Zusätzlich geht der Nationalpark Berchtesgaden als erstes EMAS-zertifiziertes Schutzgebiet in dem Bereich mit gutem Beispiel voran. Eng angebunden ist die Partnerinitiative mit vielen Partnern aus dem touristischen Bereich, die in der Region ihre Möglichkeiten zur Reduktion des ökologischen Fußabdruckes zusätzlich nutzen.
Der Klimawandel schreitet voran. Gibt es besondere Herausforderungen, mit denen Sie im Nationalpark konfrontiert sind?
Heiß: Der global wirkende Klimawandel berührt thematisch unsere Bildungsprogramme in vielerlei Hinsicht. Schwerpunktmäßig werden die Herausforderungen durch den Klimawandel vom Sachgebiet Forschung behandelt. Die Themen reichen hier von der Veränderung in der Walddynamik, über die Auswirkungen auf die Biodiversität, die Pflanzen- und Tierwelt bis hin zur Wirkung des Nationalparks als Zufluchtsort von Arten im Klimawandel. Die international veröffentlichten Forschungsergebnisse werden intern verständlich aufbereitet und können so jeweils aktuell in der Bildung verwendet werden.
Das Gebiet rund um den Königsbachfall ist seit zwei Jahren gesperrt. Der Nationalpark überwacht das Betretungsverbot und vermittelt gleichzeitig die Gründe für die Sperrung. Welche Auswirkungen hatten die zwei Jahre auf Flora und Fauna?
Heiß: Für die im Rahmen des Besuchermanagements notwendige gewordene Sperrung hat der Nationalpark viel Verständnis und positive Rückmeldungen erhalten. Diese sollte auch ein Zeichen an den unverantwortungsvollen Umgang mit Natur in Social Media und den damit verbundenen Folgen sein. Seit der Sperrung haben unsere Gebietsüberwacher mit Konsequenz viele Verstöße zur Anzeige gebracht. Der Besucherdruck ist nachweislich deutlich zurückgegangen. Unser Vegetationsmonitoring zeigt, dass sich die Natur bereits von den Belastungen wie Trittschäden erholt.
Wie nehmen Besucher die Sperrung an? Immerhin ist ein beliebter Naturraum hier nicht mehr zugänglich…
Heiß: Die Sperrung ist weitgehend akzeptiert. Der größte Bereich unten am Wasserfall ist weiterhin noch zugänglich. Die meisten Beschwerden erhalten wir hier über zurückgelassenen Müll, den unsere Mitarbeitenden in mühevoller Arbeit sammeln und entsorgen müssen.
Es gibt konkrete Maßnahmen, die Umweltbildung stärker in Schulen und Bildungseinrichtungen zu integrieren: Der Nationalpark Berchtesgaden baut aktuell ein Netzwerk aus Partnerschulen auf. Das Interesse dafür ist groß. Was verfolgen Sie mit diesem Ziel?
Heiß: Die Biosphärenregion Berchtesgadener Land und der Nationalpark Berchtesgaden wollen die Zusammenarbeit mit den Schulen in der Region stärken und haben deshalb ein Projekt zum Aufbau von langfristigen Kooperationen mit gemeinsamen Partnerschulen initiiert. Das Projekt nutzt die vorhandenen Kompetenzen beider Einrichtungen. Dort soll sowohl die Bildung für nachhaltige Entwicklung als auch die Natur- und Wildnisbildung auf qualitativ hohem Niveau in die Schulen gebracht werden. Darüber hinaus wollen wir die Identifikation mit den Schutzgebieten und der Biosphärenregion als Modellregion für nachhaltige Entwicklung fördern.
Betretungsverbot Königsbachwasserfall:
Der bei Touristen beliebte Bereich um die Gumpen am Königsbachwasserfall, ein zehn Hektar großes Areal, war im Juni 2021 gesperrt worden. Mindestens fünf Jahre lang dürfen Besucher sich nicht mehr auf dem gesperrten Gelände bewegen. Ein Dutzend Hinweisschilder weist auf die Sperrung hin. Die Kontrollen führt der Nationalpark Berchtesgaden im Schichtdienst durch. Vor allem zu Beginn hatten die Nationalpark-Mitarbeiter mehrere Dutzend Missachtungen registriert, in den ersten beiden Monaten nach Sperrung waren es 69.
Die möglichen Strafen sind empfindlich: dreistellig bei einmaliger Missachtung. Wer sich wagt, mehrfach durch das Sperrgebiet zu gehen und sich dabei erwischen lässt, wird mit bis zu 25000 Euro belangt. Vorgekommen ist das bislang noch nicht. Der Königsbachwasserfall mit seinen Gumpen galt lange Zeit als Hotspot zum Fotografieren. Im April 2019 starben zwei 21-Jährige beim Baden in den wassergefüllten Naturbecken. Frühestes 2026 soll der gesperrte Bereich wieder für die Öffentlichkeit freigegeben werden.
Umweltbildungsmaßnahmen sind das eine: Wie wird der Erfolg der Umweltbildungsprogramme im Nationalpark grundsätzlich gemessen? Haben Sie dazu Beispiele?
Heiß: Neben der jährlichen statistischen Auswertung der Bildungsangebote werden auch qualitative Evaluierungen von Einzelangeboten durchgeführt. Aktuell werden die neu konzipierten Programme für die Partnerschulen im Rahmen des Projekts evaluiert.
Im Sommer erwartet der Nationalpark hunderttausende Besucher. Wie herausfordernd ist das für Ihr Mitarbeiterteam?
Heiß: Wie auch in anderen touristischen Einrichtungen gibt es im Bildungsbereich eine Hauptsaison, die sich über den Zeitraum von Mai bis Oktober erstreckt. Aufgrund der unterschiedlichen Bildungsbereiche ist die Arbeit aber immer abwechslungsreich und zudem sinnstiftend.
Besucher sind dazu aufgerufen, sich zu engagieren. Wie können diese zum Schutz des Nationalparks und zur Förderung der Umweltbildung beitragen?
Heiß: Indem sich die Besucher bei ihrem Besuch im Nationalpark an die Regeln halten und die gesellschaftliche Bedeutung von Wildnis, die sie bei der Teilnahme an einer Veranstaltung erfahren haben, weiterkommunizieren. Auf diese Weise können sie zum Schutz der Natur nicht nur im Nationalpark Berchtesgaden, sondern auch in anderen Schutzgebieten beitragen.
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