Ermittler mit weiteren Details
Terror mitten in München: Schütze war laut Vater psychisch auffällig
München/Österreich – Wer war der junge, bewaffnete Mann, der in München in einem Schusswechsel mit der Polizei starb? Informationen aus seiner Heimat Österreich zeichnen ein vielschichtiges Bild.
Update, 16.50 Uhr – Schütze (18) war Einzelgänger
Der Vater des Angreifers von München hat seinen 18-jährigen Sohn als psychisch auffällig wahrgenommen. Am Donnerstag (5. September) wurde der 18-jährige Österreicher mit bosnischen Wurzeln in einem Schusswechsel mit der Polizei in der Nähe des israelischen Generalkonsulats in München getötet. Behörden behandeln den Fall als mutmaßlichen Terroranschlag.
Hausdurchsuchung bei Attentäter aus München




Laut Angaben des österreichischen Innenministeriums habe der Vater versucht, mit einer Psychologin in Kontakt zu treten. Der 18-Jährige sei kein „klassischer Islamist“ gewesen, so das Ministerium. Er habe bis zum vergangenen Frühjahr eine höhere Schule mit Schwerpunkt Elektrotechnik besucht und galt als guter und intelligenter Schüler.
Die Familie war im Zuge der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien nach Österreich gezogen und galt im Salzburger Land als sehr gut integriert. Während der Corona-Pandemie habe sich der Sohn jedoch zurückgezogen und sei zum Einzelgänger geworden. In der Schule sei er mit Sticheleien und Hänseleien konfrontiert gewesen.
Gegen den Jugendlichen wurde in Österreich bereits voriges Jahr unter anderem wegen des Verdachts der terroristischen Vereinigung ermittelt. Bei einer Hausdurchsuchung wurden laut Staatsanwaltschaft Salzburg Videos eines Computerspiels mit islamistischen und teils gewalttätigen Inhalten sichergestellt. Die Ermittlungen ergaben jedoch keine Beweise für eine entsprechende Radikalisierung oder Vernetzung und wurden deshalb eingestellt.
Update, 15.30 Uhr – Weitere Details der Ermittler
Pressemeldung im Wortlaut:
Wie bereits berichtet, kam es am Donnerstag (5. September) gegen 9 Uhr, im Bereich des Karolinenplatzes / Barer Straße im Umfeld des Generalkonsulates des Staates Israel zu einem Schusswechsel zwischen einem mit einer Langwaffe bewaffneten Täter und fünf vor Ort befindlichen Polizeibeamten.
Vorher hatte der Täter hat im Rahmen der Tathandlungen sowohl Schüsse auf das NS Dokumentationszentrum als auch auf das Generalkonsulat des Staats Israel und zwei weitere Gebäude abgegeben.
Bayerisches Landeskriminalamt übernimmt Ermittlungen
Bei dem Schusswechsel wurde der Täter, ein 18-jähriger österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich und ohne festen Wohnsitz im Bundesgebiet lebensgefährlich verletzt. Der 18-Jährige erlag noch am Tatort seinen Verletzungen. Bei dem Vorfall wurden zwei weitere Personen leicht verletzt (Knalltrauma).
Die Münchner Kriminalpolizei hat umgehend unter Sachleitung der Generalstaatsanwaltschaft München, Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET), die weiteren Ermittlungen in dieser Sache übernommen. Bereits im Verlauf des Einsatzes stimmten sich das einsatzführende Polizeipräsidium München und das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) eng über die weiteren Maßnahmen ab. Insbesondere unterstützte das Bayerische Landeskriminalamt bei der Tatortarbeit, der Informationsverdichtung und -steuerung sowie im Bereich der Ermittlungen.
Die Münchner Polizei war mit über 500 Polizeikräften im Einsatz. Neben Spezialeinsatzkräften unterstützen die Polizeihubschrauberstaffel Bayern und Sondergruppen des Bayerischen Landeskriminalamtes. Die Polizeipräsenz im gesamten Stadtgebiet wurde umgehend erhöht. Am Tatort wurden durch die Kriminalpolizei umfangreiche Maßnahmen zur Klärung des Tatablaufs durchgeführt. Die umliegenden Gebäude um den Tatort wurden vorsorglich durch die Polizei geräumt. Die darin befindlichen Personen wurden nach und nach aus dem Gefahrenbereich in Sicherheit gebracht und in Sammelstellen betreut.
Bei der vom Täter genutzte Waffe handelte es sich um einen älteren Schweizer Karabiner, Kaliber 7,5 x 55 mm, mit einem 6-Schuss-Magazin und angebautem Bajonett. Ein in Tatortnähe abgestellter Wagen mit österreichischer Zulassung konnte dem Täter zugeordnet werden. Nach aktuellem Kenntnisstand ist er damit alleine zum Tatort gefahren.
Es gibt bislang keine Hinweise auf weitere Tatbeteiligte. Die Ermittlungen zum Hintergrund und zum Motiv der Taten wurden sofort nach der Tat aufgenommen. Diesbezüglich stehen die Bayerischen Behörden in engem Austausch mit den Österreichischen Sicherheitsbehörden. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde die Wohnung des Täters, der noch bei seinen Eltern in Österreich wohnte, am Donnerstag von den österreichischen Behörden durchsucht. Gegen den Täter wurde in der Vergangenheit in Österreich bereits wegen Straftaten mit islamistischen Bezügen ermittelt.
Da, nach aktuellem Stand, die Tat durch die Generalstaatsanwaltschaft München als terroristischer Anschlag auch mit Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel gewertet wird, übernimmt das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) am heutigen Tag die Ermittlungen unter Sachleitung der Generalstaatsanwaltschaft München. Hierzu ist im Bayerische Landeskriminalamt die Sonderkommission, SOKO Karolinenplatz, im Bereich des Staatsschutzes eingerichtet.
Die weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des polizeilichen Schusswaffengebrauchs führt das Dezernat für Interne Ermittlungen des Bayerischen Landeskriminalamts unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft München I.
Die Schutzmaßnahmen an israelischen und jüdischen Einrichtungen wurden durch das Polizeipräsidium München umgehend angepasst. Die im Einsatz befindlichen Polizeibeamten, die unmittelbar beteiligt waren, werden durch den Zentralen Psychologischen Dienst (ZPD) betreut.
Im Umfeld des Tatortes kam es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Der Betrieb der öffentlichen Verkehrsmittel in diesem Bereich musste teilweise eingestellt und umgeleitet werden. Das Polizeipräsidium München hat zum Einsatz intensiv und zeitnah Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Hierbei hat sich die Nutzung der Social-Media-Kanäle des Polizeipräsidiums München, sowie die Nutzung des Whats-App-Kanals erneut bewährt. Dies zeigt unter anderem die sehr geringe Anzahl an Notrufen und Mitteilungen an die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums München.
Die Polizei bittet die Bevölkerung weiterhin um Mithilfe zur Aufklärung dieser Tat. (Pressemitteilung Polizeipräsidium Oberbayern Süd)
Update, 14.27 Uhr – Schütze wurde als vermisst gemeldet
Der Schütze von München hatte seine Waffe nur einen Tag vor seinem mutmaßlichen Attentat gekauft. Der Verkäufer war ein Waffensammler, wie Österreichs Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, berichtete. Bei dem Gewehr handelte es sich um einen Karabiner älterer Bauart.
Der 18-jährige Österreicher starb am Donnerstag in einem Schusswechsel mit der Polizei nahe dem israelischen Konsulat in München. Ruf zufolge hatte er den Kontakt mit dem Sammler über eine Online-Plattform hergestellt. Der Karabiner wechselte laut Ruf für 350 Euro den Besitzer, dazu kamen noch ein Bajonett um 50 Euro und etwa 50 Schuss Munition.
Karabiner gelten in Österreich als Waffen der Kategorie C. Sie sind deshalb frei verkäuflich und müssen erst bis zu sechs Wochen nach dem Kauf bei den Behörden registriert werden. In die Kategorie C fallen Langwaffen, die nach jedem Schuss händisch nachgeladen werden müssen.
Eltern meldeten Schützen als vermisst
Bei der Durchsuchung des Wohnhauses im Salzburger Land, in dem der 18-Jährige mit seinen Eltern wohnte, wurden laut Ruf am Donnerstag keine weiteren Waffen und kein offensichtliches islamistisches Propagandamaterial gefunden. Sichergestellte Datenträger müssen aber noch ausgewertet werden.
Der junge Mann mit bosnischen Wurzeln hatte nach Angaben von Ruf am Montag eine neue Arbeit angenommen. Als er Donnerstagfrüh nicht in seinem Betrieb erschienen war, kontaktierten seine Eltern am Vormittag die Polizei und meldeten ihren Sohn als vermisst. Von dem Vorfall in München, der bereits etwa eine Stunde zuvor stattgefunden hatte, wussten die Eltern zu jenem Zeitpunkt noch nichts, wie Ruf berichtete.
Update, 14 Uhr – Live-PK der Polizei zum Anschlag in München
Gemeinsame Pressekonferenz zum terroristischen Anschlag vom 05.09.2024 https://t.co/4D1ib0whx7
— Polizei München (@PolizeiMuenchen) September 6, 2024
Update, 11.22 Uhr – Bezug zur islamistischen Gruppe HTS
Sicherheitskreise gehen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur davon aus, dass der Verdächtige des vereitelten Anschlags auf das israelische Generalkonsulat in München einen Bezug zur islamistischen Gruppe HTS hatte. HTS steht für „Haiat Tahrir al-Scham“, eine militant-islamistische Miliz.
Der bayerische Verfassungsschutz schreibt, dass HTS 2017 aus dem Zusammenschluss eines früheren Al-Kaida-Ablegers und einiger kleinerer militanter syrischer Gruppen hervorgegangen sei. Anders als Al-Kaida, die weiter Anschläge im Westen plane, konzentriere sich HTS auf Syrien und wolle den dortigen Machthaber Baschar al-Assad stürzen.
Heute ab ca. 14 Uhr übertragen wir hier unsere Pressekonferenz zum aktuellen Sachstand des terroristischen Anschlags vom 05.09.2024.#muc0509 pic.twitter.com/A6nOyc5bSk
— Polizei München (@PolizeiMuenchen) September 6, 2024
Gegen den 18-jährigen Österreicher, der als mutmaßlicher Täter des Angriffs in München gilt, war im vergangenen Jahr wegen des Verdachts ermittelt worden, er könne sich religiös radikalisiert haben. Die Ermittlungen wegen einer möglichen Terrormitgliedschaft wurden aber eingestellt.
Für die weiteren polizeilichen Ermittlungen nach dem mutmaßlichen Anschlag hat das LKA eine Sonderkommission „Karolinenplatz“ eingerichtet, benannt nach dem Ort des Geschehens. Die Behörde werde die Ermittlungen im Laufe des Tages von der Münchner Kriminalpolizei übernehmen, sagte ein LKA-Sprecher. Die Federführung liegt bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München.
Erstmeldung:
Nach dem vereitelten mutmaßlichen Terroranschlag auf das israelische Generalkonsulat in München ermitteln die Behörden weiter zu den Hintergründen. Dabei dürften auch Videos von Autofahrern, Passanten und Anwohnern eine Rolle spielen. Die Münchner Polizei hatte dazu aufgerufen, den Ermittlern Aufnahmen von dem Vorfall über ein Upload-Portal zur Verfügung zu stellen.
Inzwischen wurde bekannt, dass gegen den 18-jährigen Österreicher aus dem Salzburger Land, der am Donnerstagmorgen (5. September) in einem Schusswechsel mit der Polizei getötet wurde, wegen des Verdachts ermittelt worden war, er könne sich religiös radikalisiert haben. Für den Mann mit bosnischen Wurzeln war außerdem ein Waffenverbot verhängt worden, das frühestens 2028 ausgelaufen wäre, wie es von der Salzburger Polizei hieß.
Staatsanwaltschaft Salzburg hatte Ermittlungen gegen ihn eingestellt
Der damals noch 17-Jährige war den Behörden nach einer Drohung gegen Mitschüler und einer Körperverletzung aufgefallen. In diesem Zusammenhang sei ihm die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen worden, hieß es. Laut Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA wurde Propaganda der Terrororganisation Islamischer Staat auf seinem Mobiltelefon gefunden. Doch die Staatsanwaltschaft Salzburg habe die Ermittlungen im April 2023 eingestellt, hieß es von der Polizei. Seither sei der 18-Jährige nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten.
Großeinsatz der Polizei am NS-Dokumentationszentrum in München am 5. September




Nach dem Schusswechsel in München wurde auch sein Wohnort im Salzburger Land durchsucht. Zahlreiche Beamte rückten nach Neumarkt am Wallersee aus, um Beweise und Spuren zu sichern. Das teilte ein Salzburger Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur mit. Der 18-Jährige hatte in Neumarkt zusammen mit seinen Eltern gewohnt. Zur Sicherheit seien das Wohnhaus und die benachbarten Gebäude evakuiert worden, sagte der Polizeisprecher. Im Nachhinein habe aber sich herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden habe.
Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus ermittelt
Auf deutscher Seite hat die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) die weiteren Ermittlungen übernommen. Sie gehen von einem geplanten Terroranschlag auf das Konsulat aus.
„Die Hintergründe der Tat müssen noch aufgeklärt werden“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Allerdings: „Wenn jemand hier unmittelbar in Sichtweite zum israelischen Generalkonsulat parkt, dann mit dem Gewehr um dieses Generalkonsulat herum geht, da mit dem Schießen beginnt“, sei das „sicherlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Zufall“.
Söder: Zusammenhang mit Attentat-Jahrestag möglich
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach mit Blick auf den zeitgleichen Jahrestag des Olympia-Attentats in München von einem schlimmen Verdacht. „Ein Zusammenhang ist möglicherweise gegeben. Es muss noch geklärt werden“, sagte er in der Nähe des Tatorts.
Am Abend sagte er im ZDF-„Heute Journal“, man müsse die Ermittlungsergebnisse abwarten, um beurteilen zu können, was hinter der Tat stecke. Die bayerischen Einsatzkräfte hätten sehr gut gearbeitet. „Die Polizei hat sehr beherzt, sehr besonnen, aber auch sehr konsequent durchgegriffen und den Täter ausgeschaltet und es ist nichts passiert.“
Bei dem Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in München hatten am 5. September 1972 palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer erschossen und neun Geiseln genommen. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb am Donnerstagabend auf der Plattform X: „Die schnelle Reaktion der Einsatzkräfte in München hat heute womöglich Grausames verhindert. ... Ich sage es ganz deutlich: Antisemitismus und Islamismus haben bei uns keinen Platz.“ (dpa)

