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Prozess um die Tötung des Oberarztes Gerth

Heroin, Cannabis, Schmerzmittel - und dann Verfolgungswahn: Bruder des Angeklagten spricht

Am 8. April kam Rainer Gerth, Oberarzt der Forensik am kbo Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg gewaltsam zu Tode. Der Prozess gegen den Tatverdächtigen Dominik S. startete am Montag, 4. November.
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Am 8. April kam Rainer Gerth, Oberarzt der Forensik am kbo Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg gewaltsam zu Tode. Jetzt wird gegen einen 41-jährigen Ex-Patienten von Gerth verhandelt.

Wasserburg/Traunstein - Auf dem Weg von der Klinik zu seinem Auto wurde Oberarzt Rainer Gerth am 8. April in Wasserburg-Gabersee niedergestochen. Er verblutete an Ort und Stelle. Am Dienstag wird der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder fortgesetzt - ein ehemaliger Patient von Gerth.

Update, 16.40 Uhr - Bruder des Angeklagten spricht

Als einer der letzten Zeugen des Verhandlungstages wird auch noch der Bruder des Angeklagten geladen. Er ist 49 Jahre alt und lebt in Traunstein – und er verzichtet auf sein Aussageverweigerungsrecht. Vor der Tat hatte man wochenlang keinen Kontakt. Doch am Abend davor habe ihn der Angeklagte plötzlich angerufen: „Er sei in der Gegend und wollte bei mir übernachten.“

„Wir haben uns über alles Mögliche unterhalten. Ganz normal – nur über das nicht“, sagt der Bruder des mutmaßlichen Mörders von Oberarzt Gerth. Die Geschichten und Verschwörungstheorien des Angeklagten kennt auch er – man habe ihm in der Wasserburger Klinik wehgetan und ihm „etwas unter die Haut geschoben“. Doch all das wollte er irgendwann nicht mehr hören.

Sein Bruder sei psychisch krank, „das steht für mich außer Frage“, sagt der Zeuge. Schon früh, als er noch minderjährig war, sei der Angeklagte in Kontakt mit Drogen gekommen. Seit über 20 Jahren leide er an Verfolgungswahn. Auch ein Arztbrief, den Richter Ziegler verliest, bestätigt: Der Missbrauch von Heroin, Cannabis und starken Beruhigungs- und Schmerzmitteln spielte eine große Rolle im Leben des Angeklagten.

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Rainer Gerth wird am kommenden Montag (18. November) vorm Traunsteiner Landgericht fortgesetzt. 

Update, 14.15 Uhr - Immer wieder aufgefallen

Schon ein Patient sprach als Zeuge heute in höchsten Tönen über Rainer Gerth („er hatte eine schützende Hand über mich“), jetzt werden einige Arbeitskollegen aus dem kbo-Inn-Salzach-Klinikum geladen. „Der Herr Gerth hat für jeden ein offenes Ohr gehabt, für jeden“, so ein Krankenpfleger, der sein Büro direkt neben Gerths hatte. Während seiner Aussage fließen Tränen.

Die Belegschaft sei „in Schockstarre“ gewesen, berichtet ein Psychiater aus der Klinik: „Die Tat machte einem bewusst, wo man arbeitet.“ Oberarzt Gerth sei allseits beliebt gewesen, hätte umsichtige und menschliche Entscheidungen getroffen. „Es ist nicht nur ein schwerer kollegialer Verlust, sondern auch ein persönlicher Verlust“, so der Psychiater.

Was die Beschäftigten der Klinik auch berichten: In den Tagen und Wochen vor der Tat fiel ihnen der Angeklagte immer wieder auf dem Gelände auf. Alle hätten gedacht, der 41-jährige, mutmaßliche Mörder sei ein Patient. Ein Sozialpädagoge der Klinik kannte den Mann auch noch von seinem früheren Aufenthalt dort, zwischen 2010 und 2013: „Wir hatten einen kurzen Smalltalk, aber er wirkte stabil.“

Auch am Tattag fiel der Angeklagte wieder einem Angestellten auf. Er saß vor dem Eingangsgebäude, mit Blick zur Tür. Vermutlich wartete der 41-Jährige da schon auf Rainer Gerth. 

Update, 12.37 Uhr - „Immer wieder nachgefragt, ob Gerth schon gestorben ist“

18 Uhr war es an jenem 8. April, als Rainer Gerth Feierabend machen wollte. Er verließ sein Büro in der Klinik in Wasserburg-Gabersee und ging zum Parkplatz. Direkt an seinem Auto dann die Messerattacke. Fotos vom Tatort werden jetzt vor dem Traunsteiner Landgericht gezeigt.

Autoschlüssel, Gerths Sonnenbrille, Dokumente und Akten liegen verstreut rund um sein Auto herum. Dazu immer wieder Fotos verschiedenster Blutlachen. Denn nach dem Angriff schleppte sich der Oberarzt noch gut 60 Meter zurück in Richtung Klinik. Auch eine blutverschmierte Messerverpackung tauchte auf, genauso wie der Griff eines Messers.

„Wir haben Herrn Gerth in einer Blutlache liegend vorgefunden, Pfleger waren schon bei ihm und versuchten, ihn am Leben zu erhalten“, berichtet ein Polizist vor Gericht. Kurz danach wurde man auch auf den Angeklagten aufmerksam, ebenfalls mit blutverschmierter Kleidung. „Wir haben ihn angesprochen, er ließ sich widerstandslos fesseln.“

Was nach der Festnahme passierte, wurde hier heute auch schon gezeigt: auf der Bodycam-Aufnahme des Polizisten ist immer wieder zu hören, wie der Angeklagte wirr davon redet, dass hier in Wasserburg-Gabersee Menschen vergiftet würden. „Ich musste es tun“, so der 41-Jährige immer wieder.

Was dem Polizisten auffiel: Im Laufe der Festnahme habe sich der Angeklagte immer wieder nach Rainer Gerth erkundigt. „Er hat immer nachgefragt, wie es dem Herrn Gerth geht, ob er schon gestorben ist. Man hat gemerkt, es ist ihm wichtig, dass Gerth stirbt“, so der Polizist. Dabei habe der Angeklagte aber immer ruhig und gefasst gewirkt. 

Update, 11.15 Uhr - Patient versuchte Gerth am Leben zu halten

Jetzt sagt ein Zeuge aus, der als Erster versuchte, dem Oberarzt Rainer Gerth nach der Messerattacke zu helfen. Der 43-Jährige ist selbst Patient in der Klinik. „Ich habe einen Mann gesehen, der geschwankt hat. Zuerst dachte ich an einen Betrunkenen, dann habe ich die Blutlache erkannt.“ Der Patient sei gleich hingelaufen, habe sich um die stark blutende Wunde gekümmert – und dann erkannt, dass es Gerth ist.

„Geredet hat er nicht mehr. Aber er war noch da. Wir hatten noch Augenkontakt“, beschreibt der Ersthelfer die letzten Momente, in denen der Forensiker noch gelegt hatte. Kurz danach hätten sich Pfleger der Klinik um Gerth gekümmert, später auch Polizei und Rettungsdienst. „Ich habe noch immer schlaflose Nächte und träume davon“, so der Mann.

Und der Patient spricht in höchsten Tönen von Rainer Gerth: „Für mich war er mehr als nur ein Arzt. Er hatte eine schützende Hand über mich. Ich habe Gerth viel zu verdanken.“ 

Update, 9.50 Uhr - „Gekommen, um Gerth zu töten“

Der zweite Tag im Mord-Prozess gegen einen 41-Jährigen beginnt gleich dramatisch. Der Vorsitzende Richter Volker Ziegler zeigt im Gerichtssaal ein Bodycam-Video eines Polizisten. Man sieht darauf den Angeklagten nach seiner Tat fixiert am Boden liegen. Im Hintergrund erkennt man das Gelände der Klinik in Gabersee.

„Ich musste es machen, für uns alle. Sie vergiften hier Leute“, sagt der Angeklagte in dem Video. Vor allem den Satz „Ich musste es tun“ wieder holt er immer wieder. Er nennt der Polizei auch bereitwillig seinen Namen und dass er schon einmal Patient in der forensischen Abteilung war, von 2010 bis 2013.

Nach einigen Minuten werden die Aussagen des Mannes konkreter. „Der Gerth hat falsch ausgesagt in einem Gutachten“ - und dann ein Satz, der für das Gericht besonders zentral sein dürfte: „Ich bin heute gekommen, um ihn zu töten.“ Vor ein paar Tagen sei er aus dem Raum Hamburg nach Wasserburg gekommen und habe seitdem in einem Hotel gewohnt. 

Vorbericht

Rainer Gerth hatte keine Chance: Am 8. April wurde er auf dem Parkplatz des Inn-Salzach-Klinikums in Wasserburg-Gabersee niedergestochen. Einer der Messerstiche traf direkt das Herz. Gut 60 Meter konnte er sich noch in Richtung seines Büros schleppen, dann brach er zusammen. Wenige Minuten später verstarb der Oberarzt. Am Dienstag (12. November) wird die Verhandlung vor dem Traunsteiner Landgericht ab 9 Uhr fortgesetzt. Angeklagt ist sein mutmaßlicher Mörder, ein 41-Jähriger aus Schleswig-Holstein.

Wirre Erklärung des Angeklagten zu Prozessbeginn

Der Mann leidet unter einer paranoiden Schizophrenie, gilt daher als schuldunfähig. Zum Prozessauftakt vorige Woche ergriff er selbst das Wort - ein Geständnis gab es nicht, dafür eine wirre Stellungnahme: Deutschland sei ein Überwachungsstaat. „Sie filmen uns und mischen giftige Substanzen in die Nahrung, damit wir krank werden. Sie wollen mich ermorden.“ Dass es der 41-Jährige war, der Gerth tötete, scheint aber festzustehen. Sechs Minuten nach dem tödlichen Messerstich auf Oberarzt Gerth vor der kbo-Klinik in Wasserburg rief er selbst die Polizei und ließ sich widerstandslos festnehmen

Trotzdem sind in dem Prozess noch einige Fragen zu den Hintergründen ungeklärt. Laut Staatsanwaltschaft war der Angeklagte von 2010 bis 2013 selbst Patient in der Wasserburger Klinik. Und in den Wochen vor der Tat habe er den Oberarzt Gerth bereits in Gabersee ausgespäht. Die Anklage lautet auf Mord. wasserburg24.de wird aktuell aus dem Gerichtssaal berichten. (xe)

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