Mutter war zum Tatzeitpunkt schuldunfähig
Urteil wegen Messerattacke gegen Tochter (4) gefällt: Keine Bewährung für Burghauserin (36)
Am 9. Januar startete der Prozess gegen eine Mutter (36) aus Burghausen: Im Mai soll sie im Wahn die eigene Tochter mit einem Messer attackiert haben und anschließend vom Balkon werfen wollen. Am 14. Januar wurde am Landgericht Traunstein das Urteil gegen die Beschuldigte gefällt.
Übersicht
- Vorbericht
- Update 10.00 Uhr – Vater des attackierten Kindes sagt als Zeuge aus
- Update 11.00 Uhr – Zeugin berichtet von stärkeren Gefühlsschwankungen der Beschuldigten
- Update 12.30 Uhr – „Sie dachte, ihr Kind könne wie ein Engel davonfliegen“: das Gutachten des Psychiaters
- Update 13.30 Uhr – „Ich liebe meine Tochter über alles“: Urteil gegen Burghauserin erwartet
- Update 14.30 Uhr – Urteil gegen Mutter wegen Messerattacke gegen eigenes Kind (4) gefällt
Update 14.30 Uhr – Urteil wegen Messerattacke gegen Tochter (4) gefällt: keine Bewährung für Mutter
Nach einer halbstündigen Beratung kehrt das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Richter Volker Ziegler in den Gerichtssaal zurück. Ziegler verkündet das Urteil der Kammer und ordnet die Unterbringung der 36-jährigen Burghauserin an. Diese wird nicht zur Bewährung ausgesetzt. Zur Begründung sagt der Richter, dass die Beschuldigte ihrer Tochter schwere körperliche und seelische Verletzungen zugefügt habe. „Das Kind hat sich arglos ins Bett gelegt und wurde heimtückisch und wehrlos während des Schlafs angegriffen“, so Ziegler. Es habe zudem ein direkter Tötungsvorsatz vorgelegen und nur durch glückliche Umstände und das Eingreifen Dritter habe größeres Unglück vermieden werden können.
Die Vollendung der Taten hätten nur durch das „heldenhaften Eingriffs der Urgroßeltern des Kindes“ verhindert werden können. Die Taten der 36-Jährigen seien rechtlich als versuchter heimtückischer Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu werten. Die Mutter könne aufgrund ihres Wahns in der Tatnacht aber nicht bestraft werden. Weil sie eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, wurde jedoch die unbefristete Unterbringung der Beschuldigten in einer psychiatrischen Klinik angeordnet. Es seien von ihr weitere Straftaten zu erwarten, hauptsächlich gegen das Kind, aber auch gegen andere Menschen, da ihre Taten während der Schübe nicht rational erklärbar seien.
Die vom Verteidiger erbetene Prüfung einer Aussetzung zur Bewährung habe die Kammer vorgenommen, so der Richter. Von der Beschuldigten gehe aber noch immer eine so hohe Gefahre aus, dass trotz einiger positiver Aspekte die negativen Faktoren – besonders die Schwere der Taten – überwogen hätten. „Wir können nicht verantworten, uns lediglich auf die positiven Aspekte zu stützen und wir haben deswegen eine Aussetzung zur Bewährung abgelehnt“, so Ziegler. Es müssten noch einige weitere Schritte – unter anderem eine Therapie und die Aufarbeitung der Tat – unternommen werden, bevor etwas anderes in Betracht gezogen werden könne. Gegen das Urteil kann die Beschuldigte innerhalb einer Woche Revision einlegen.
Update 13.30 Uhr – „Ich liebe meine Tochter über alles“: Urteil gegen Burghauserin erwartet
Der Vorsitzende Richter der 5. Strafkammer bittet Staatsanwältin Lisa Grindinger um ihr Plädoyer. Sie hebt hervor, dass die 36-jährige Mutter aus Burghausen ihrer vierjährigen Tochter eine gefährliche Körperverletzung zugefügt hat und der Tat überführt werden konnte. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft stellt die Beschuldigte auch für die Allgemeinheit eine Gefahr dar. Sie würde auch künftig Stresssituationen ausgesetzt sein, weswegen weiterhin die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik nötig sei und die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden dürfe.
Verteidiger Harald Baumgärtl macht deutlich, dass seine Mandantin sich nur bruchstückhaft an die Nacht vom 21. auf den 22. Mai 2024 erinnern könne. Aufgrund einer plötzlich eintretenden manischen Phase habe die Beschuldigte auf ihre Tochter eingestochen und diese gewürgt. Der Anwalt betont, dass sie möglicherweise sogar mit dem Kind vom Balkon springen wollte, wobei rechtlich gesehen ein heimtückisch versuchter Mord vorliege sowie eine gefährliche Körperverletzung. Da die Tat jedoch im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurde, die Beschuldigte regelmäßigen Depot-Spritzen zugestimmt habe und inzwischen symptomfrei sei, bittet Baumgärtl die Kammer darum, eine zur Bewährung ausgesetzte Unterbringung zu prüfen. Die 36-Jährige selbst sagt: „Ich liebe meine Tochter über alles und ich bin überzeugt, dass ich meinen Alltag mit der Gabe von Medikamenten bewältigen kann.“
Update 12.30 Uhr – „Sie dachte, ihr Kind könne wie ein Engel davonfliegen“
Nun folgt das Gutachten des sachverständigen Psychiaters, Dr. med. Josef Eberl. Er gibt an, dass sich die Beschuldigte laut eigener Angaben in der Tatnacht in einem euphorischen Zustand befunden habe. Auf dem Balkon habe sie ihre Tochter nicht hinunterwerfen wollen, sondern sei wohl überzeugt davon gewesen, dass ihr Kind über engelsgleiche Fähigkeiten verfüge und davon fliegen könne. Bei dem Gespräch mit ihr sei die Frau ständig im Raum hin und her gelaufen, habe keinerlei Krankheitseinsicht gezeigt und auch keinen Leidensdruck. Sie habe jedoch „distanziert“ gewirkt. Bei einem weiteren Gespräch, Monate später, habe sich die Burghauserin weder an den Psychiater noch an das Gespräch mit ihm erinnern können.
Gegenüber dem Gutachter soll sie gesagt haben, dass sie eine Erinnerungslücke von drei Monaten habe. Beim zweiten Gespräch sei sie weder euphorisch gewesen noch habe sie an „Größenideen“ gelitten. Sie habe depressiv und verlangsamt gewirkt und sei auch krankheitseinsichtig gewesen. Der Psychiater sagt, dass sich die Alleinerziehende zur Tatzeit wohl in einer manischen Phase mit psychotischen Symptomen befand und sich der Beginn ihrer bipolaren affektiven Störung wohl vor zehn Jahren schon anzeigte. Die Symptome der Erkrankung zeigten sich durch einen starken Wechsel von depressiven und manischen Phasen, sowie zwischenzeitlichen Normalzuständen.
Laut dem Sachverständigen sollen Stresssituationen Schübe, wie den der Burghauserin, auslösen können. Laut dem Psychiater befand sich die Alleinerziehende zum Zeitpunkt der Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit. Die Beschuldigte sei inzwischen seit mehreren Monaten stabil – allerdings im sicheren Umfeld der stationären Unterbringung. Unter einem sicheren sozialen Empfangsrahmen, mit einer sicheren Arbeitsstelle und unter dauerhafter Medikamentengabe nicht mit weiteren Schüben und Straftaten zu rechnen. Aus medizinischer Sicht sei eine Bewährungsstrafe möglich, allerdings müssten die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden.
Update 11.00 Uhr – Zeugin berichtet von stärkeren Gefühlsschwankungen der Beschuldigten
Als nächster Zeuge wird der Großvater des inzwischen fünfjährigen Mädchens in den Gerichtssaal gerufen. Der 70-Jährige ist Vater des Kindsvaters und war für einige Zeit Vermieter der Beschuldigten. Weil das Mietshaus, in dem sie und seine Enkelin in einer Wohnung lebten, verkauft werden sollte, habe er regelmäßig Kontakt mit ihr gehabt. Dieser soll sich jedoch immer wieder schwierig gestaltet haben. Der Zeuge erwähnt auch, dass die Burghauserin häufig „unter Strom“ gestanden habe und auch einmal „ausgeflippt“ sei, weil sein Sohn den frisch-operierten Familienhund durch eine offene Tür entwischen ließ. Seine fünfjährige Enkelin habe ihre Mutter seit dem Vorfall kaum erwähnt und auch nicht gesagt, dass sie die Mama vermisse. Der Opa wird nach wenigen Fragen aus dem Zeugenstand entlassen.
Als nächste Zeugin wird eine befreundete Nachbarin der Beschuldigten in den Saal gerufen. Sie berichtet, dass die Alleinerziehende sich stark wegen des drohenden Wohnungsverlustes sorgte. Dazu befragt, wie sich die Sorgen ausdrückten, sagt die Zeugin, dass die Beschuldigte eher zum Weinen als zu Aggressionen neigte. Die Situation sei aus Sicht der Zeugin aber nicht so dringlich gewesen, wie die alleinerziehende Burghauserin sie eingeschätzt habe. Doch auch die Trauer um den verstorbenen Familienhund sei wohl sehr belastend für die Beschuldigte gewesen. Insgesamt sei die Gefühlslage der Alleinerziehenden zwischen Ausgelassenheit und Betrübtheit „hin- und hergesprungen“ – auch kurz vor der Tatnacht.
Update 10.00 Uhr – Vater des attackierten Kindes sagt als Zeuge aus
Der zweite Prozesstag beginnt und als erster Zeuge wird der Kindsvater in den Gerichtssaal gerufen. Der Vorsitzende Richter Volker Ziegler befragt den 38-Jährigen zu seiner Beziehung mit der Beschuldigten. Der Zeuge gibt an, dass er einige Jahre mit der 36-Jährigen zusammen gewesen sei – zum Schluss mit Unterbrechungen, weil es zu einigen Streitereien gekommen war. Schon vor etwa zehn Jahren sei es zu auffälligem Verhalten der Beschuldigten gekommen, woraufhin der Zeuge sie in eine psychiatrische Klinik brachte. Die 36-Jährige soll sich dem Kindsvater gegenüber bisweilen aggressiv verhalten haben, doch gegenüber ihrer Tochter, sei sie eine „super Mutter“ gewesen und habe sich immer liebevoll und rücksichtsvoll um das Kind gekümmert.
Zum Befinden seiner fünfjährigen Tochter sagt der Kindsvater, dass sich das Mädchen gut erholt und bei seiner Familie gut eingewöhnt habe. Das Kind soll die lebensgefährlichen Angriffe durch die Mutter wohl verdrängen und laut dem Kindsvater sollen die Psychologen dazu raten, das Kind weder über die Vorfälle noch über die Mutter anzusprechen. Es sei unklar, was dadurch ausgelöst werden könnte. Das Mädchen habe seine Mutter seit der Tatnacht nicht mehr gesehen, scheue aber noch immer vor bestimmten Berührungen zurück. Es sei aktuell nicht geplant, dass ein Wiedersehen zwischen der Beschuldigten und ihrer Tochter stattfinden soll.
Vorbericht
Traunstein / Burghausen – Am 14. Januar wird am Landgericht Traunstein das Urteil gegen eine 36-jährige Burghauserin gefällt, die in der Nacht zum 22. Mai 2024 ihre eigene Tochter (4) mit einem Messer attackiert haben soll. Kurz nach dem Angriff soll sie das Mädchen gewürgt haben und versuchte wohl, es vom Balkon der Hochhauswohnung ihrer Großeltern zu werfen. Weil die Beschuldigte wohl an Wahnvorstellungen litt, wurde sie gleich nach der Festnahme in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Inzwischen soll sie dank Medikamente symptomfrei sein. Ob und wie lange sie nun weiter stationär behandelt werden muss, liegt nun in den Händen der 5. Strafkammer.
Existenzängste führten wohl zu Wahnvorstellungen
Laut eigenen Angaben soll sich die 36-Jährige nur bruchstückhaft an die Tatnacht erinnern. Polizeibeamte, die nach dem Notruf in die Wohnung ihrer Großeltern gerufen worden waren, sagten am ersten Prozesstag aus, dass die Beschuldigte splitterfasernackt gewesen sei, als sie eintrafen. Sie habe zudem „neben sich gestanden“. Verteidiger Harald Baumgärtl gab für seine Mandantin eine Erklärung ab, in der er von massiven Existenzängsten der alleinerziehenden Mutter berichtete. Diese hätten sich infolge einer komplikationsreichen Operation an ihrer Tochter, der Trauer um den verstorbenen Familienhund und akuter Sorgen wegen eines drohenden Wohnungsverlustes eingestellt. Nach anfänglichen Schlafstörungen habe die 36-Jährige schließlich mehrere Nächte vor der Tat kein Auge mehr zugemacht und sei so in einen psychotischen Zustand geraten.
Weil die Beschuldigte ihren Zustand richtig einschätzte, brachte sie ihr Kind zu den Großeltern und versuchte sich selbst mit Alkohol und Nikotin zu beruhigen. Mitten in der Nacht habe sie dann zu einem Küchenmesser gegriffen und die schlafende Tochter damit lebensgefährlich am Hals und im Gesichtsbereich verletzt. Von den Geräuschen aufgewacht, soll die Großmutter ihrer Enkelin das Messer abgerungen haben, woraufhin sich die Beschuldigte auf das kleine Mädchen gesetzt und es gewürgt haben soll. Weil sie ihr Großvater jedoch davon abhalten wollte, sprang sie wohl mit Kind auf und rannte auf den Balkon der Hochhauswohnung. Dort habe nur durch das Eingreifen des Großvaters verhindert werden können, dass sie ihr Kind über das Gelände warf.
Großeltern verweigerten Aussage gegen Enkelin
Weil die Großeltern einen Notruf absetzten, konnte das vierjährige Mädchen durch eine Notoperation gerettet werden. Das Kind lebt inzwischen bei der Familie seines Vaters. Vor Gericht verweigerten sowohl die Oma als auch der Opa der Beschuldigten, gegen ihre Enkelin auszusagen. Die Großmutter betonte jedoch, dass die 36-Jährge die beste Mutter gewesen sei, die sie gekannt habe. Auch der Verwendung der polizeilichen Vernehmung stimmten die Großeltern nicht zu. Am zweiten Verhandlungstag soll nun das Urteil gegen die Beschuldigte gefällt werden.
+++ chiemgau24.de berichtet live aus dem Gerichtssaal+++