Besuch in der Chiemgauer Hundeschule in Trostberg
„Hundehalter führen ein Raubtier“ – Warum es mit Leckerli werfen nicht getan ist
Der Hund gilt als bester Freund des Menschen - doch was, wenn der geliebte Vierbeiner plötzlich ungewünschte Verhaltensweisen an den Tag legt, aggressiv, nervös oder ängstlich ist? Dann kommen Heinz und Gudrun Reif von der Hundeschule Chiemgau ins Spiel.
Deisenham/Trostberg - Welpenerziehung, Anti-Jagd-Training, Leinenführigkeit, Sozialisierung oder Qualifizierung zum Filmhund - es gibt kaum ein Thema, dem sich Heinz und Gudrun nicht annehmen, wenn es um den vierbeinigen besten Freund geht.
Verhaltensauffällige Hunde gesucht
Als mobile Hundeschule haben sie sich auf die Verhaltungsberatung von ängstlichen und aggressiven Hunden spezialisiert. Die beiden sind überzeugt: Kein Hund sei je „austherapiert“: „Es lässt sich immer noch was machen - wenn auch in kleinen und mühsamen Schritten.“
Aktuell sind sie für eine interne Studie auf der Suche nach Hundehaltern aus der Region - über die Landkreise Traunstein, Mühldorf und Rosenheim hinaus bis nach München -, die vermuten, dass ihr Hund an einer Verhaltensstörung leidet. Die Therapie innerhalb der Studie sei für den Hundehalter kostenfrei.
„Wir wissen um den hohen Leidensdruck, wenn alle Versuche in diversen Hundeschulen oder Trainingseinheiten scheitern. In der Erstberatung wollen wir herausfinden, inwieweit das Normalverhalten des Hundes tatsächlich abweicht. Bei neunzig Prozent der Fälle handelt es sich um Erziehungsfehler.“
Gemeinsam mit dem Besitzer finde das in der gewohnten Umgebung des Hundes statt, um Lösungen zu finden und zu unterstützen. Zur Bestandsaufnahme gehört auch ein zwanzig-seitiger Fragebogen. Manchmal helfe schon, als Außensteher zu beobachten und das Verhalten des Hundehalters anzupassen, weiß Heinz, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat.
Angefangen im Jahr 1995 in der Chiemgauer Hundeschule sind verhaltensauffällige Hunde sein Steckenpferd. Grund dafür war Rambo, ein knapp 70 Kilogramm schwerer Leonberger-Schäfer-Mix aus dem Tierheim. „Als Rambo begonnen hat, sich mir gegenüber mit Fletschen und Knurren aggressiv zu zeigen und ich mehrere Hundeschulen unverrichteter Dinge wieder verlassen musste, fiel irgendwann der Begriff ‚austherapiert‘“, erzählt Heinz.
Doch er wollte Rambo nicht aufgeben, versuchte es „aus dem Bauch heraus“ mit viel Zeit, Muse und Mühe selbst - mit Erfolg. Gemeinsam mit seiner Frau Gudrun, die er in der Chiemgauer Hundeschule kennengelernt hatte, starteten sie 2001 in Deisenham mit dem zusätzlichen Angebot an Hausbesuchen neu durch.
Gegen einen Hundeplatz haben sie sich bewusst entschieden. „Da funktioniert es mit den anderen Hunden und zu Hause dann nicht mehr“, spricht Heinz aus Erfahrung. „Drum üben wir mit Hund und Besitzer daheim, auf bekannten Gassirunden und arbeiten uns mit Hundebegegnungen Schritt für Schritt ran.“
In der Chiemgauer Hundeschule gibt es neben dem Angebot an Hausbesuchen auch Kurse und Seminare. Infos dazu finden sich auf der Homepage sowie auf der Instagram-Seite.
In Trostberg bieten Heinz und Gudrun Reif die Möglichkeit an, sich für den Hundetrainerschein ausbilden zu lassen. So wie es ihre „Azubis“, Beate Gottschling und Stefan Klimt, derzeit machen.
Was sie bereits gelernt haben: Die Palette der Erziehungsmethoden ist breit gefächert - vom Berner Sennenhund als Hüter des Einödhofs bis zum Labradoodle, der das Leben eines Pärchens in der Stadt bereichert, hat jeder Vierbeiner andere Ansprüche.
Praktisches Training sei das A und O, wie im richtigen Leben: Ausschließlich mit Theorie könne schließlich auch niemand einen Führerschein machen und ein Auto führen. „Nur mit positiver Belohnung und Leckerli werfen ist es nicht getan“, weiß Stefan und betont, dem Vierbeiner Grenzen setzen sei essenziell.
„Jeder Hund hat ein Recht auf Freilauf.“
Die Hundetrainer sprechen sich außerdem für einen Hundeführerschein aus: „Dann wüsste jeder Hundehalter, dass er ein Raubtier führt - das ist nicht jedem bewusst.“ Den bieten sie auch in der Chiemgauer Hundeschule an, wird jedoch kaum nachgefragt. Schließlich wird es allgemein nicht verlangt, als Halter einen Nachweis zu haben.
Damit Bello nicht im Tierheim landet
„Gerade seit der Pandemie haben sich viele einen Hund zugelegt, ohne sich vorab zu informieren“, erzählt Heinz. Das Resultat: überfüllte Tierheime. Oft sind sie zu Besuch im Tierheim Winhöring, üben mit Hunden, die nicht so oft hinauskommen oder begleiten Leute, die Gassigeher werden wollen.
Darüber hinaus stehen sie Kommunen beratend zur Seite, wenn es um sogenannte „Listenhunde“ und ein Rassegutachten oder einen Wesenstest geht.
Von Leinenpflicht in Gemeinen halten die Hundetrainer übrigens nicht sehr viel. „Jeder Hund hat ein Recht auf Freilauf, schon von Gesetzeswegen und Tierrecht. Aber natürlich muss er auch ohne Leine folgen und abrufbar sein. Verhängt ein Ort eine Leinenpflicht, muss außerdem eine Ausgleichsfläche für die Hunde geschaffen werden“, erklärt Heinz.
mb
