Apothekensprecher Fakler aus Traunstein zum Medikamentenmangel
Kein Antibiotika - Kranke Menschen in Apotheken abweisen müssen: „Unhaltbare Zustände“
Es herrscht Antibiotika-Mangel in Bayern - und er wird weiter andauern. Die Folge: ratlose und verzweifelte Patienten, denen der Zugang zu dringend notwendigen Medikamente verwehrt ist. Die Apotheken bringt das an ihre Grenzen, weiß der Traunsteiner Apotheker Lorenz Fakler:
Traunstein - Fakler ist Vorsitzender des Apothekerverbands Oberbayern-Südost und betreibt die Apotheke am Stadtpark in Traunstein. Die Situation der Lieferengpässe für Medikamente - insbesondere Antibiotika wie Amoxicillin oder Penicillin - bereitet ihm Kopfzerbrechen.
„Im Winter waren es Fiebersäfte für Kinder, jetzt sind es Antibiotika. Verheerend wird es, sobald es beispielsweise Epileptiker betrifft“, sagt Fakler und schätzt: „Diese Problematik wird uns die nächsten drei bis fünf Jahre ständig begleiten. Es wird nicht aufhören.“
Problem: Gestörte Lieferketten
Doch woran liegt es, dass sich die Situation so entwickeln konnte? „An den gestörten Lieferketten“, lautet die schnelle Antwort. Zwar seien es immer andere Wirkstoffe, die nicht erhältlich seien. Die Ursache aber bleibe die gleiche.
Es gebe nur noch sehr wenige Produktionsstätten - und die haben ihren Sitz meistens in Asien, gibt Fakler zu bedenken und übt kritische Worte an der Politik: „Wer meint, die Produktion im Ausland sei der günstigste Weg, der irrt. Durch die Nicht-Bereitschaft, hier Geld in die Hand zu nehmen und vor Ort zu produzieren, sind wir jetzt an dem Punkt, dass Lieferketten reißen. In Zeiten der Pandemie haben wir eigentlich gelernt, wie wichtig es wäre, im Inland zu produzieren.“
Auslaufen der Coronamaßnahmen: Auch keine Erleichterungen mehr
Ein weiterer Punkt, der Fakler ärgert, sind die Rabattverträge zwischen Apotheken, Arzneimittelherstellern und Krankenkassen. Die wurden über Corona ausgesetzt. Nun aber laufen alle pandemiebedingten Maßnahmen aus - so gibt es auch diese Verträge wieder. Und die erschweren nun die Arbeit der Apotheken zusätzlich zu den Lieferengpässen.
„Wir haben in der Corona-Zeit bewiesen, dass wir auch unter extremen Bedingungen arbeiten können und wurden furchtbar gelobt seitens der Politik - mit dem Ergebnis, dass uns die Erleichterungen wieder genommen werden. Da frage ich mich schon was das soll.“
„Motto ‚Geiz ist geil‘ funktioniert nicht“
Der in den Augen Faklers „unverschämte Vorschlag“ von Gesundheitsminister Karl Lauterbachs, dass Apotheken 50 Cent bekommen sollen für jede Nicht-Lieferbarkeit eines Medikaments, sei „ein Schlag ins Gesicht. Denn die 50 Cent bekomme ich nur, wenn ich beim jeweiligen Arzt anrufe und den Ablauf von beiden Seiten dokumentiere. Da wird jeder Arzt erfreut sein über diesen bürokratischen Aufwand.“
Seitens der Politik müsse mehr passieren, gegebenenfalls höhere Preise in Kauf genommen werden, um Vorräte für Krisenzeiten zu haben. „Das Motto ‚Geiz ist geil‘ funktioniert hier nicht“, unterstreicht Fakler.
Apotheken stellen selber her
Nachdem eine Lösung nicht in Sicht ist, versuchen die Apotheker den Mangel an Medikamenten durch Eigenherstellung zu kompensieren: „Wir besorgen den Wirkstoff und stellen Säfte selbst her. Das ist in einer Apotheke machbar und dafür sind wir ausgebildet. Dass wir aber wirklich eines Tages dazu gezwungen sein würden hätte wohl niemand gedacht.“
Hier stellen sich Fragen wie: Woher kommt der Wirkstoff? Woher bekommen die Apotheker Fläschchen und Packmittel, um das Produkt an den Kunden abzugeben?
„Unhaltbare Zustände“
Fakler hofft mittelfristig auf eine Lösung, nur welche? „Kurzfristig wird es eine Flickschusterei bleiben - ob nun durch Eigenherstellung oder einen guten Draht zu den umliegenden vor allem Kinderärzten, die möglicherweise etwas vorrätig haben, um dem Mangel so ein bisschen auszugleichen. Eine gute Absprache zwischen Apothekern und der Ärzteschaft ist essentiell, damit schnell reagiert werden kann.“
Denn es gebe „nichts nervenaufreibenderes und traurigeres“, als Patienten oder Eltern mit kranken Kindern, die von der Notaufnahme oder der Bereitschaftspraxis zur Apotheke kommen, beizubringen, dass sie das notwendige Mittel nicht bekämen.
Solche Fälle hat Fakler selbst in seinem Bereitschaftsdienst an Neujahr erlebt: „Die Kunden verlieren in ihrer Verzweiflung jegliche Contenance und ich stehe hilflos da und kann nicht helfen. Kranke Menschen in Apotheken abweisen müssen: Das sind unhaltbare Zustände.“
Es fehlt nicht nur an Medikamenten, sondern auch an Personal
Diese „unvorstellbare Situation“, die die Apotheken in der Region vor nie da gewesene Herausforderungen stellt, nehme auch den Arbeitsablauf auseinander, schildert der Apothekensprecher: „Zeit für Rücksprachen mit den Kunden gibt es nicht und unser Personal ist am Limit.“
„Viele hören auf oder verlangen Stundenreduktion. In Traunstein hat erst kürzlich eine Apotheke geschlossen, da bekommen wir mit Glück zwar den ein oder anderen Mitarbeiter, aber eben auch die dazugehörige Kundschaft. Das wird vielleicht noch eine Weile gut gehen, aber auf Dauer geht das so nicht mehr“, ist Fakler sicher.
Was bedeutet der Engpass für Patienten?
Eine Aussage über die Dauer der derzeitigen Situation kann niemand treffen. Wie gehe ich als Patient oder künftiger Patient damit um?
Wer krank wird, müsse einkalkulieren, dass es nicht so ablaufen werde, wie bisher, dass die nächstgelegene Apotheke das Medikament vorrätig oder innerhalb eines halben Tages habe: „Den Kunden werden Provisorien angeboten, sie müssen Wartzeiten in Anspruch nehmen, bis die Apotheken mit dem zuständigen Arzt Rücksprache zu alternativen Methoden gehalten haben.“
„Womöglich erhalten sie andere Dosierungen. Für junge Patienten sicher kein Problem, aber einem ukrainischen Flüchtling oder älteren dementen Menschen zu erklären, wieso sich die Einnahmemenge plötzlich ändert und weshalb die Tablette jetzt rot statt blau ist - da wird es ganz schnell kompliziert mit der Compliance“, befürchtet Fakler.
„Problematik wird uns noch eine ganze Weile begleiten“
Die Situation sei von Apotheke zu Apotheke höchst unterschiedlich und es werde weiter eine Herausforderung bleiben: „Wer krank wird, muss sich bewusst sein, dass es länger dauert als gewohnt, um an das notwendige Medikament zu kommen und sich frühzeitig um Nachschub kümmern, damit es nicht ausläuft. Für akute Fälle gibt es diese Möglichkeit nicht. Diese Problematik wird uns noch eine ganze Weile begleiten.“
mb