Bilanz des zentralen Rettungsdienstes Traunstein
Wenn jede Minute zählt: Rettungsdienst im Landkreis Traunstein zu langsam?
Notfallsanitäter und Notärzte sind unsere Helden des Alltags. Sie retten Leben, rund um die Uhr. Dabei ist entscheidend: Wie lange dauert es, bis sie beim Patienten eingetroffen sind. Zwölf Minuten sollten das laut Gesetzgeber höchstens sein. Auch im Landkreis Traunstein dauert der Rettungsweg noch zu lange.
Traunstein – „Wir sind immer noch über dem bayerischen Durchschnitt.“ Bei der Verbandsversammlung des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) am Freitag (19. Juli) spricht der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes, Dr. Joaquin Kerstin, das Thema Rettungswege an, die sogenannte „Hilfsfristeinhaltung“.
Rettungsdienst bundesweit zu langsam
Das ist die Zeit, die die Notfallrettung benötigt, um vor Ort beim Patienten einzutreffen. Je nach Bundesland liegt der gesetzlich vorgeschriebene Schwellenwert zwischen 10 und 15 Minuten, in Bayern sind es 12 Minuten. Mindestens 80 Prozent aller Notfälle eines Versorgungsbereiches sollten dieses Ziel erreichen. Utopisch? Wohl derzeit schon noch - Die Ergebnisse einer bundesweiten Recherche des Südwestdeutschen Rundfunks (SWR) sind ernüchternd: Bei Herz-Kreislauf-Stillstand komme der Rettungsdienst flächendeckend oft zu spät.
In diesem Fall sollten sogar aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse nur acht Minuten vergehen, um zum Beispiel eine Reanimation einzuleiten. Mit jeder verstrichenen Minute schwindet hier die Überlebenschance. Konkret erfüllten laut den Ergebnissen des SWR nur 24 der 283 Rettungsdienstbereiche den Zielwert. Der Rest habe dazu keine Angaben gemacht, auch für den Landkreis Traunstein lagen für das Jahr 2022 dem SWR keine Angaben vor.
Auch im Landkreis Traunstein: Mancherorts muss man länger warten
Bei der Traunsteiner Verbandsversammlung am Freitag (19. Juli) blickt der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes, Joaquin Kersting, auf Zahlen aus dem Jahr 2021. Hier gilt der gesetzliche Schwellenwert von 12 Minuten: Nur sechs von 18 Versorgungsbereichen in der Region konnten das damals einhalten. Problematisch waren Standorte wie zum Beispiel Ruhpolding:
Von allen Noteinsätzen in der Gemeinde waren rund 74 Prozent innerhalb 12 Minuten beim Patienten- statt der geforderten 80 Prozent. Bayernweit lag die Zahl 2021 mit 66 Prozent noch deutlich darunter. Und somit liegen wir, wie Kersting sagt, tatsächlich „über dem bayerischen Durchschnitt“. Trotzdem: An manchen Orten wartet man länger auf die Rettung, also anderswo.
„Die Gründe sind vielschichtig. Natürlich ändert sich auch die Kliniklandschaft. Aber auch das Anspruchsdenken der Bevölkerung“, erklärt der Geschäftsführer des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF), Josef Gschwendner. Und Kersting ergänzt: „Der Knackpunkt sind die gestiegenen Einsatzzahlen.“ Immer mehr Menschen rufen den Rettungsdienst, obwohl sie sich nicht in einer lebensbedrohlichen Lage befinden. Die Notrettung ist dann für lebensbedrohliche Situationen in dieser Zeit womöglich nicht verfügbar.
Kosten des Rettungsdienstes tragen die Krankenkassen
Es ist nicht nur das Anspruchsdenken der Bevölkerung: demografischer Wandel und schlechtere hausärztliche Versorgung können Gründe sein, warum immer öfter die 112 gewählt wird. In Bayern stieg die Anzahl der Notfälle zwischen 2012 und 2021 um ganze 32 Prozent. Abfangen müssen das der jeweilige ZRF. Die Kosten trägt aber nicht die Kommune, sondern die Krankenkassen. Diese müssen aufgrund eines, von der Ludwig Maximilian Universität erstellten Gutachtens die Mittel erst bewilligen.
„Historische Ausweitung der Krankentransporte und Notfallrettung“
Für den Landkreis Traunstein sei man, so Kersting optimistisch: „Wir sehen das schon seit zwei Jahren und deshalb gab es dann 2023 das Gutachten, damit wurden dann die Rettungsmittelvorhaltungen deutlich erhöht.“ Und auch Gschwendner geht von einem Aufwärtstrend bei der sogenannten Hilfsfrist aus: „Wir haben ja seit Januar 2024 diese Ausweitungen, und da erwarten wir eine deutliche Verbesserung.“ Erste Zahlen aus dem Jahr 2024 zeigen bereits: der Rettungsdienst wird wieder schneller.
Die „Detailanalyse Rettungsdienst“ kommt zu dem Schluss, dass bis zum Jahr 2025 zusätzlich 462 Stunden für Krankentransporte und 253 Stunden für Notrettung bewilligt werden. Das schließt letztlich die Bewilligung von Rettungsfahrzeugen mit ein. Diese „Ausweitung“ wird sich nochmals positiv auf die Notfallversorgung im Landkreis auswirken: Landrat Siegfried Walch (CSU) spricht sogar von „einer historischen Ausweitung im Bereich Krankentransport und Notfallrettung“ und ist froh, dass diese so genehmigt wurde.
Erst Struktur schaffen, dann über die Personalfrage nachdenken
„Zunächst ist das Wichtigste, dass wir die Strukturen schaffen.“ Danach, so Gschwendner, müsse man sicherlich auch dafür sorgen, dass die Planstellen besetzt werden. Stichwort Fachkräftemangel: Dass die personelle Besetzung nicht einfach werde, sei klar: „Deshalb haben wir ja die Umsetzung komplett neuer Standorte zum ersten Januar 2025 festgesetzt, um den Leistungsträgern ein bisschen Zeit zu geben, die personellen Ressourcen zu schaffen.“
Leistungsträger, das werden dann im Landkreis anteilig das Bayerische Rote Kreuz, der Malteser Hilfsdienst und auch private Anbieter wie die Ambulanz Rosenheim gGmbH oder der IMS Rettungsdienst GmbH sein. Die ersten neuen Mitarbeiter wurden bei der Sitzung am Freitag von Josef Gschwendner begrüßt mit den Worten: „Sche ist's bei uns, aber genau nehmen wir's.“ Auf die Minute genau.
