Für eine bunte Gesellschaft, gegen Antisemitismus
Traunstein gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus: Ein Zeichen gegen das Vergessen
Gedenkveranstaltung in Traunstein zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus: Diakon Bernd Rohrbach warnt vor Tendenzen der Ausgrenzung. Jugendliche setzen ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus. Über die Bedeutung des Erinnerns.
Traunstein – „Wir setzen ein Zeichen des Erinnerns gegen das Vergessen. Für das Einstehen von Menschlichkeit gegen die unfassbaren Gräueltaten, die Menschen anderen antun und vor allem auch ein Zeichen für eine bunte Gesellschaft und gegen den Antisemitismus.“ Das sagte Diakon Bernd Rohrbach, Leiter der Dekanatsjugendstelle Traunstein bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus am Mahnmal im Traunsteiner Stadtpark. Die samstägliche Veranstaltung wurde von der Evangelischen Dekanatsjugend Traunstein, dem Kreisjugendring und dem Bündnis Lichterkette ausgerichtet.
Opfer bekommen wieder Platz in der Gesellschaft
Rohrbach erinnerte an die Grausamkeiten, die jüdischen Bürgern in der sogenannten Reichspogromnacht am 9. November 1938 angetan wurden, die in einer Welle der Gewalt und Entmenschlichung und in dem strategisch geplanten und industriell durchgeführten Massenmord an mehr als sechs Millionen Juden und Andersdenkender gipfelte. „Im Gedanken an die Opfer geben wir ihnen wieder einen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft, den man ihnen damals genommen hat.“
Er zog Parallelen zur heutigen Zeit: „Am Anfang waren es nur Worte. Was wir erleben geht schon wieder einen Schritt weiter: Parolen, Lügen, Diffamierung, Ausgrenzung, Entmenschlichung wird scheinbar wieder mehrheitsfähig. Gewalt wird relativiert.“ Er forderte die Anwesenden auf, solchen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten und sich für Menschlichkeit, eine bunte Gesellschaft und das Erinnern einzusetzen.
„Wir wollen mehr erfahren, was da passiert ist.“
Jugendliche lasen aus den Erinnerungen von Zeitzeugen, die das Geschehene miterleben mussten und betonten, dass man mit der Veranstaltung „ein Zeichen setzten will.“ Auch viele Jugendliche waren mit ihren Kerzen im stillen Gedenken gekommen. So wie zum Beispiel die drei Freundinnen Antonia, Lotta und Steffi. Die drei dreizehnjährigen Jugendlichen waren zum ersten Mal bei der Gedenkveranstaltung mit dabei und wollten mit ihrer Teilnahme ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus setzen und zeigten sich gleichzeitig interessiert, mehr zu erfahren. „Wir wollen mehr erfahren, was da passiert ist.“ Viele der anwesenden gut 250 Teilnehmer waren Jugendliche. Familien kamen zusammen, auch viele ältere Menschen waren da – miteinander im Gedenken, einem gemeinsamen öffentlichen Eintreten für Demokratie, Toleranz und Vielfalt zusammenzustehen aber auch das Sorgen um ein „Nie wieder“ das man mehr denn je, das man jetzt zum Ausdruck bringen müsse, waren Beweggründe für die Teilnahme.
Nach den Reden, Textauszügen und stiller musikalischer Untermalung junger Musiker, ging es bei durch die Polizei abgesperrten Straßen über den Stadtpark zum Landratsamt Traunstein. Weist dort doch eine im vergangenen Jahr angebrachte Gedenktafel darauf hin, dass die Jüdin Rosa Mosbauer Traunstein auf Druck der Nationalsozialisten die Stadt verlassen musste, und das damalige Haus in der damaligen Sonnenstraße 3 in der Folge verlor. Mosbauer nahm sich 1942 im Tüttensee das Leben.
Kieselsteine für die Verstorbenen
Anschließend gingen die Teilnehmer in einem Schweigemarsch in die Kernstraße, wo das frühere Haus der jüdischen Familie Holzer stand, die von den Nationalsozialisten ebenfalls am 9. November 1938 vertrieben wurde und später in verschiedenen Konzentrationslagern umgebracht wurde. Die Anwesenden legten gemäß einem jüdischen Brauch als Erinnerung an die Verstorbenen kleine Kieselsteine auf den Gedenkstein vor dem Haus. Den Abschluss fand die Gedenkveranstaltung mit dem Lied „Von guten Mächten treu und still umgeben“, dessen geistlichen Text der 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg erhängte evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer verfasste. „Das Lied ist wie ein Licht in der Dunkelheit und ein Zeichen der Hoffnung.“

