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Junge Trostbergerin in einer männerdominierten Branche

„Sowas, eine Frau als Elektriker!“ Bei Kathi Angerer hat es gleich gefunkt

Elektronikerin Kathi Angerer
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Kathi Angerer, Elektronikerin aus Leidenschaft. Schon als Jugendliche wusste sie, dass ihr Beruf einmal was mit Technik zutun haben sollte. Sie ist eine von zwei Elektronikerinnen im 60-Mann-Betrieb.

„Ich habe einen richtigen Krampf in den Oberarmen gehabt und ich konnte mich nicht mehr rühren.“ Kathi Angerer ist Elektronikerin. Anfangs war es hart, erzählt die Trostbergerin. Mittlerweile ist sie die, teils anstrengende Arbeit aber gewöhnt und stemmt, schlitzt und bohrt aus Leidenschaft. Sie arbeitet in einem Betrieb mit 60 angestellten Elektronikern - 58 sind Männer. Wie geht es ihr damit?

Traunreut – „Hat alles gut geklappt?“ - fragt Kathi Angerer „ihre“ Auszubildenden, die gerade von der Baustelle zurückkommen. Zwei junge Männer winken aus dem Firmenwagen: „Alles gut“ ist die Antwort. Kathi arbeitet schon lange bei der Firma Bauer Elektroanlagen in Traunreut und ist eine geschätzte Kollegin. Eine von zwei. Die anderen Handwerker im Betrieb sind männlich. Ist das Standard in dem Job?

Auf der Baustelle ist man nach wie vor als Frau oft allein unter Männern

„Es werden immer mehr Frauen, auf jeden Fall. Es ist immer noch ein kleiner Teil, aber es werden mehr. Ich schätze mal einfach es liegt unter anderem daran, dass wir als Bauelektriker auch körperlich gefordert werden. Du musst dich da durchbeißen, du musst schauen, kommst du mit deiner Kraft hin.“ Viele, so schätzt Kathi, würden lieber in die Industrie gehen statt auf den Bau. Da würde man mehr verdienen und könne eher kleinere Verbindungen schrauben, statt schwerere Kabel zu verlegen.

Kathi Angerer arbeitet seit insgesamt acht Jahren als Elektronikerin. Ohm, Volt, Ampere, Schlitzen, Stemmen, Schrauben - alles kein Problem für die engagierte junge Frau.

Nur ein Prozent aller Bewerber für Elektronik sind weiblich

Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2023 nur 10,8 Prozent der Erwerbstätigen in Handwerksberufen Frauen. Eine Befragung von 100.000 Bewerbern in Deutschland, durchgeführt von Statista, zeigt: Der Anteil weiblicher Bewerber für die Ausbildung zur Elektronikerin liegt bei einem Prozent. Und das in Zeiten des Fachkräftemangels. Kathi Angerer hat keine Antwort auf die Frage, warum das so sei, außer, dass es eben manchmal auch körperlich anstrengend ist. Für Sie war schon früh klar: Es soll etwas Technisches sein, mit dem sie später ihr Geld verdient:

Nach einer Woche Praktikum beim Elektrogeschäft ist klar: Das ist Kathis Weg.

„Ich habe Praktika gemacht, recht früh, in sämtliche Richtungen: Chemikantin, Apothekerin, beim Optiker, aber das war alles nicht so meins.“ Und dann, erzählt die 26-jährige, hätte sie sich eigentlich in die Idee verliebt, Programmiererin zu werden: „Wir hätten einen Computerfachspezialisten gehabt in Trostberg, aber der hat keine Azubis genommen und hat mich dann quasi an einen Elektriker weiterempfohlen. Und dann habe ich bei dem Elektriker ein Praktikum gemacht.“

Allein unter Kabeln - oder Männern? Kathi Angerer hat bislang kaum schlechte Erfahrungen als Frau in dem männerdominierten Beruf Elektroniker gemacht. Ihre Kollegen hätten sie immer auf Augenhöhe behandelt.

Elektrifiziert innerhalb weniger Tage: Kathi war nämlich gleich Feuer und Flamme - aber nicht nur sie: „Innerhalb von der ersten Woche war der eine Kollege so begeistert, dass er gleich zum Chef gerannt ist und gesagt hat, die brauchen wir als Elektrikerin. Am Ende der Woche hat dann auch der damalige Chef gesagt, so, schreib eine Bewerbung, Dich nehmen wir auf jeden Fall.“ Sie war die erste jemals eingestellte Frau in dem kleinen Betrieb in Trostberg. Für Kathi eine 180-Grad-Wendung:

Aller Anfang ist schwer: Muskelkater und Nervosität

Von der Mädchenrealschule in Sparz in die Berufsschulklasse der Elektrikerlehrlinge: „In eine reine Jungsklasse. Da bin ich ins eiskalte Wasser geschmissen worden.“ Das war aber nicht die einzige Herausforderung, der sich Kathi Angerer stellen musste: „Ich habe gleich in der ersten Woche recht viel schlitzen und stemmen müssen.“ Dabei schneidet die Elektronikerin sozusagen Schächte in die Wand, wo später dann die Kabel verlegt werden sollen. Die Maschinen dafür sind schwer und vibrieren:

„Ich habe einen richtigen Krampf in den Oberarmen gehabt und ich konnte mich nicht mehr rühren. Ich habe Schmerzen gehabt, das war nicht schön, absolut nicht schön. Und meine Mutter hat schon gedacht, oh Gott, sie schmeißt die Lehre in der ersten Woche schon.“ Kathi hat aber durchgezogen. Und das, obwohl sie damals noch sehr schüchtern war, erzählt die mittlerweile erfahrene Elektronikern. Das lag aber laut Kathi nicht daran, dass sie die einzige Frau war. Bei ihren vorwiegend männlichen Kollegen hätte sie immer sehr viel Glück gehabt.

„Hätte nicht gedacht, dass du als Frau das kannst“: negative Reaktionen sind eine Ausnahme

„In der Ausbildung habe ich das mal gehabt, da hat der Gesell zu mir gesagt, also wenn ich du wäre, würde ich mir das mit dem Job nochmal überlegen.“ Das hätte sie damals schon verletzt, erzählt Kathi, aber letztlich stellte sich das Ganze als Missverständnis heraus, es sei um eine Baustelle, nicht den Beruf an sich gegangen. Mittlerweile fährt Kathi als Elektronikerin auf die verschiedenen Baustellen zu den Leuten vor Ort. Wie fassen die Kunden das auf, wenn statt des Elektronikers eine junge Elektronikerin vor der Tür steht?

Auch hier kann Kathi fast ausschließlich Positives berichten: „Also, es gibt immer sehr, sehr viele Kommentare nach dem Motto, so, was, eine Frau als Elektriker? Finde ich cool, finde ich sehr cool. Also wirklich, sage ich mal, 95 Prozent der Leute.“ Es gäbe natürlich ganz selten auch negative Ausnahmen: Einmal habe eine Kundin, so Kathi, zu ihr gesagt, sie hätte nicht gedacht, dass sie als Frau das könne: „Das hat mich tatsächlich sehr verwundert, weil, ich meine, Frauen sollten ja eigentlich schon zusammenhalten, auch was so etwas betrifft.“ Würde Kathi den Beruf anderen Mädchen empfehlen?

Ein Appell an die Mädels: „Du hast einen krisensicheren Job“

„Ja, auf jeden Fall. Weil erst mal, du hast einen Job, der krisensicher ist. Du brauchst immer Elektriker oder Leute, die technisch begabt sind. Da ist es eigentlich komplett egal, ob man Männlein oder Weiblein ist. Es gibt genügend Hilfsmittel inzwischen, dass man auch als etwas schwächere Person leicht Sachen machen kann.“ Und es sei auch kein Problem, mal um Hilfe zu fragen.

Kathi erzählt uns noch zum Schluss, ihr hätte die Ausbildung sehr geholfen, mehr Selbstwertgefühl zu entwickeln. Jetzt denkt sie sogar darüber nach, in den nächsten Jahren ihren Meister zu machen. Im Moment hätte die junge Frau, die in ihrer Freizeit auch noch gerne bastelt und das Instrument Tenorhorn spielt, genug mit Fortbildungen zu tun. Sie sieht sich auch in zehn Jahren noch als Elektronikerin.

Also auf Mädels, ran an den Phasenprüfer. Für alle Interessierten Dirndl: Eva Gerling oder Marie Paytsar Movsisyan von der Handwerkskammer München, beide Frauen kommen aus dem Handwerk, freuen sich über eine Kontaktaufnahme. Auch der jährlich stattfindende Girls Day ist eine gute Gelegenheit, sich über Jobchancen in männerdominierten Berufen zu informieren.

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