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Warum die Sojabohne unsere Felder erobert

Anbau von Soja im Landkreis Traunstein – heimischer Eiweißlieferant dank Klimaerwärmung?

Hans Steiner, Kreisobmann des Bauernverbandes im Landkreis Traunstein vor seinem Testfeld in Tengling
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Hans Steiner, Kreisobmann des Bauernverbandes im Landkreis Traunstein vor seinem Testfeld in Tengling. Hier baut der Landwirt eine Mischkultur aus Stangenbohnen, Sojabohnen und Mais an. Die Pflanzen wurden vom Hagel am Samstag (26. August) beschädigt.

Sojabohnen in Bayern? Was ist denn das schon wieder für ein exotischer Unfug? „Wir bauen Soja an, weil es eigentlich eine sehr unkomplizierte Frucht ist“, sagt Landwirt Hans Steiner. Die Sojabohne mag es warm und relativ feucht und kommt ursprünglich aus Asien. Das sind die Gründe, warum Soja jetzt auch bei uns Wurzeln schlägt:

Taching am See – Die Freude über seine Bohnen ist Hans Steiner ins Gesicht geschrieben. Stolz steht er vor dem Testfeld in Tengling, Sojabohnen verschiedener Trockenstufen in der Hand. Die würden im Verlauf des Trocknungsprozesses kugelrund werden, erklärt er und streckt die Hand mit dem Anschauungsmaterial aus. Tatsächlich, erst klassisch Bohnenform, dann kleine Kugeln.

Auf dem Weg zum Hof von Familie Steiner bei Tengling über eine kleine Landstraße ahnen wir nicht, dass wir schon am ersten Sojafeld vorbeifahren. Unscheinbar und derzeit auch noch vom Hagel des letzten Wochenendes ramponiert, fällt die Pflanze einfach gar nicht auf: „Wenn man weiß, wie Sojapflanzen aussehen, wird man vielleicht öfter auch Felder erkennen, denn es gibt schon einige“ erklärt uns Hans Steiner später, als wir vor dem Feld stehen. Viele Landwirte haben die Bohnen schon länger für sich entdeckt:

Unscheinbar und derzeit auch vom Unwetter des letzten Wochenendes beschädigt. Das Sojafeld eines Nachbarn der Steiners (links). Rechts zeigt Hans Steiner den Unterschied zwischen gerade geernteten Bohnen. Unten sieht man, dass bereits getrocknete Bohnen kugelrunde Formen ausbilden.

Mehr Vielfalt bei Feldfrüchten: Wie die Bohne nach Tengling kam

„Soja wurde hauptsächlich vor sechs, sieben Jahren im Rahmen von der GAP, der gemeinsamen Agrarpolitik, als Anbauoption entdeckt. Weil da hat man damals sogenannte Greening-Maßnahmen eingeführt.“ Das Greening hatte unter anderem zum Ziel, größere Vielfalt beim Anbau von Feldfrüchten zu gewähren. Entsprechende Förderungen waren an Auflagen in Anbau gebunden. Hans Steiner entschied sich für die Sojabohne:

Die Schoten der Pflanze enthalten meist drei Bohnen. Die untersten Schoten befinden sich nur vier Zentimeter über dem Boden. Deshalb benötigt man zum Dreschen ein besonderes, sogenanntes Flexschneidwerk. Sonst wären die Verluste zu hoch, so Steiner.

„So ist es losgegangen, eigentlich gezwungenermaßen, und jeder hat ein bisschen probiert.“ Er und sein Sohn seien immer schon recht experimentierfreudig gewesen und so habe Steiner sich die eiweißreiche Sojabohne ausgesucht, um den Auflagen zu entsprechen. Das lief dann eine Weile, so Steiner, richtig gut. Durch eine neue Vorschrift, nämlich die Sojabohnen ohne Pflanzenschutz zu kultivieren, kam dann der Einbruch: „Dann haben wir das probiert, haben dann aber eine gscheite Watschn kassiert, von zwei Hektar war einer nicht erntbar aufgrund von Beikraut.“

Eine kleine Bohne mit großen Vorteilen: Mehr Milch dank Soja

Die Steiners haben sich aber nicht aus der Ruhe bringen lassen und einfach weitergemacht. Der Sojaanbau läuft mittlerweile außerhalb der Greening-Maßnahmen und so kann wieder Pflanzenschutz verwendet werden. In Tengling kommt auf dem Feld mit der Mischkultur weiterhin kein Pflanzenschutz zum Einsatz. Er betreibt aber auch noch Felder in Engelsberg. Hier wächst Soja als Reinkultur. Hans Steiner hat gute Gründe, weiterhin auch auf Soja zu setzen:

Hans Steiner in Tengling auf seinem Testfeld: Hier wird zeitgleich Mais in Kombination mit Stangenbohnen und Mais angebaut. Die Mischung soll dann als Grundfutter für die Milchkühe eine gute Mischung bieten. Ein weiterer Vorteil: Mais darf nicht zwei Jahre in Folge auf demselben Feld angebaut werden, eine Mischkultur schon.

Mit zirka 36 Prozent hat die Sojabohne einen sehr hohen Eiweißgehalt. Damit eignet sich die Hülsenfrucht hervorragend als Kraftfutter für Steiners Milchkühe: „Wir haben gesehen, bei uns im Betrieb, Sojabohnen passen gut in die Futterrationen von unseren Milchkühen und deshalb sind wir mit Soja weitergefahren und haben dafür das Getreide und die Maisfläche ein bisschen reduziert.“ Er hat den Unterschied gemerkt: Mit Sojafutter würden seine Kühe bis zu zwei Liter mehr Milch am Tag geben.

Der schlechte Ruf der Sojabohne: Gentechnik und Treibhausgase?

Warum hat die Sojabohne dann so einen schlechten Ruf? Pro Kopf verzehren Europäer über 60 Kilogramm Soja pro Jahr. 55 Kilogramm davon verstecken sich in verzehrtem Fleisch, Eiern, Milch oder Fisch und wurden als Futtermittel verbraucht. Der Hauptanteil der begehrten Frucht kommt nach wie vor aus dem Ausland. Laut deutschem Sojaförderring sind nur zirka drei Prozent der jährlich in Deutschland benötigten Sojabohnen im Land produziert worden. Der Rest stammt vorwiegend aus Südamerika. Ein Großteil dort wird mittels Gentechnik angebaut.

Abholzung des Regenwalds im Amazonasgebiet in Brasilien: Etwa ein Fünftel der jährlichen Exporte von Soja und Rindfleisch aus Brasilien in die Europäische Union stehen in Zusammenhang mit illegaler Abholzung im Amazonas-Gebiet und in der Cerrado-Savanne.

Die Sojaproduktion dort hat sich in den letzten Jahrzehnten fast verdreifacht. Der Anbau von Soja ist ein Haupttreiber für die Zerstörung von Ökosystemen und setzt massiv Treibhausgase frei. Eine Lösung wäre, den Soja-Import zu reduzieren und auf heimische Sojabohnen zu setzen: Das ist auch Ziel des Projektes „Heimisches Eiweiß“ der Öko-Modellregion Waging-Rupertiwinkel, das auch Hans Steiner unterstützt. Aber ist denn die wärmeliebende Pflanze bei uns überhaupt anbaubar?

Sojaanbau in der Region? Je wärmer, desto besser

„Mittlerweile sind die Sorten angepasst. Es gibt bei uns im Grunde drei Reifegruppen bei Soja: frühe Sorten, mittelfrühe und späte Sorten.“ Soja wird, so Steiner, im Mai ausgesät und hier ist die Bodentemperatur entscheidend: „Dieses Jahr war es sehr ungünstig, weil vorher war es noch zu kalt zum Aussähen, und dann war es zu nass.“ Grundsätzlich ist bereits jetzt der Anbau von Soja auch in unseren Breitengraden möglich. Steiner erklärt, dass die Art des Bodens weniger eine Rolle spiele, entscheidend sei die Temperatur.

Auf der Karte des deutschen Soja-Förderrings ist gut zu erkennen: Im Landkreis Traunstein zum Beispiel hat man in den niedriger gelegenen Regionen im Norden und Nordosten gute Chancen für eine ertragreiche Ernte von Soja. Vor allem in der Donauregion mit seinem milderen Klima wird bereits jetzt das sogenannte Donau-Soja im größeren Stil angebaut. Grundsätzlich gilt: je höher die Lage, desto kälter und desto weniger günstige Bedingungen für den Abbau. Aber im Zuge der Klimaerwärmung könnte sich das potenzielle Areal zum heimischen Anbau vergrößern.

Auf der Karte sind die Regionen in Grün und Rot dargestellt, in denen Sojaabbau vielversprechende Bedingungen hat. Auch bei uns im südlichen Oberbayern gibt es schon jetzt günstige Standorte.

Eiweißwende: heimischer Sojaanbau hat viele Vorteile

Soja aus Europa und Deutschland hat die Vorteile, dass keine gentechnisch-veränderten Sojapflanzen angebaut werden dürfen: „Wir haben uns ja verpflichtet in der Milchwirtschaft, wenn man in den entsprechenden Programmen drin ist, und das ist eigentlich jeder Milchbauer, Gentechnik-frei und auch Übersee-eiweißfrei zu füttern.“ Für Hans Steiner ist also der Sojaanbau in vielerlei Hinsicht von Vorteil. Zum einen kann er selbst Kraftfutter erzeugen und muss nicht teures Gen-freies Soja zukaufen.

Zum anderen sei die Pflanze im Anbau sehr einfach: „Soja sät man aus, dann machen wir Pflanzenschutz und dann war es das bis zur Ernte. Arbeitswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich ist das ein großer Vorteil.“ Hans Steiner steht vor dem Sojafeld im Nieselregen und erklärt uns, wie Soja nach der Ernte verarbeitet werden sollte.

Nur Rinder und wir Menschen könnten zum Beispiel das Eiweiß der rohen Bohne gut verarbeiten. Ansonsten muss es zunächst in den Toaster, eine Art Röstvorgang der Bohne, ähnlich wie beim Kaffee. Auch hier gibt es im Landkreis bereits einige Anbieter, so Steiner. Wer mehr über die Verarbeitung der exotischen Hülsenfrucht erfahren will: Mitte September besucht Chiemgau24 eine Weiterverarbeitungsanlage in Fridolfing.

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