Nach Corona-Lockdown: Viele Kinder können nicht schwimmen
Wer einen Schwimmkurs sucht, kann derzeit baden gehen – Wasserwacht Tacherting schwimmt in Arbeit
Das Plätschern des Wassers, der Chlorgeruch, kreischende Kinderrufe und ältere Damen, die sich darüber aufregen, dass ihre Frisur nassgespritzt wird: Das Hallenbad bietet jedem einen Ort der Freude. Wirklich jedem? Als Nichtschwimmer wird man in der Schwimmhalle weniger glücklich sein. Und davon gibt es seit Corona viele, denn: Die Bäder waren lange zu, Schwimmkurse konnten nicht stattfinden und so hinterlässt die Pandemie einen großen Pool an Nichtschwimmern. Auch die Wasserwacht Tacherting versucht diesem Phänomen gegenzusteuern.
Tacherting – „Wir können das glaub ich nicht mehr aufholen, das ist sehr schwierig.“ Helga Riedel ist ehrenamtliche Jugendleiterin der Wasserwacht Tacherting. Und Sie freut sich, denn zumindest um den ehrenamtlichen Nachwuchs muss sie sich derzeit keine Sorgen machen. Seit der Neueröffnung des Tachertinger Hallenbades konnte die Wasserwacht des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) 16 junge Menschen dazugewinnen.
Entscheidung für den Bau des Hallenbades
„Es war eine schwere Geburt mit dem Hallenbad, das sich über Jahre hinweg gezogen hat. Aber mit der Entscheidung mit einer deutlichen Mehrheit im Gemeinderat zum Bau dieser Halle, die wir dann durchgezogen haben, konnten wir 2021 starten.“ Der Bürgermeister Werner Disterer (Freie Wähler) bereut die Entscheidung nicht, zumal er sich von Anfang an auf die Unterstützung der Wasserwacht Tacherting verlassen konnte: „Die Wasserwacht leistet da einen unheimlich großen Dienst.“
„Schon seit den Siebzigern Schwimmkurse angeboten“
Und dieser Dienst beinhaltet unter anderem, Schwimmkurse für Kinder zu geben. Franz Oberleitner, der Vorstand der Wasserwacht macht das schon seit vielen Jahren: „Wir hatten ja schon ein altes Schwimmbad, das wurde 1970 erbaut. Das ist jetzt natürlich baufällig geworden und die technischen Mängel wurden immer größer. Dann wurde es für die Öffentlichkeit gesperrt und es gab nur noch ab und zu Schwimmkurse. Wir haben also schon seit den Siebzigern Schwimmkurse angeboten.“ Und es kommt einem so vor, als könnten die meisten Leute in Tacherting nur dank Franz Oberleitner schwimmen: „Der Franz hat meinem Kind das Schwimmen beigebracht, genauso wie er mir das Schwimmen beigebracht hat“, bestätigt der technische Leiter der Wasserwacht, Werner Eder. Aber ganz so sei es nun auch wieder nicht, korrigiert Franz Oberleitner: „Wir waren schon immer eine Mannschaft.“
Schwimmbaderöffnung in Corona-Zeiten
Es liegt sicherlich nicht am fehlenden Engagement der Tachertinger Wasserwachtler, dass derzeit viele Kinder Nachholbedarf haben, was das Schwimmen angeht. Ausgerechnet im Corona-Jahr 2021 wurde die Schwimmhalle fertig: „Da gabs zu Beginn nochmal eine kurze Phase, wo wir aufmachen konnten. Dann haben wir gesagt, gut, packen wir gleich an, und dann nach der sechsten Stunde vom Schwimmkurs sind die Corona-Zahlen wieder nach oben geschnalzt, die Leute haben angerufen, es tut ihnen leid, sie können nicht kommen.“
Anzahl der Nichtschwimmer überall ein Problem
Da in ganz Deutschland der Bäderbetrieb während der Pandemie eingeschränkt war, ist nicht nur in Tacherting vermehrter Bedarf bei kleinen Kindern, jetzt endlich schwimmen zu lernen. Auch der Kreisverband der Wasserwacht im Berchtesgadener Land hat auf sozialen Medien Ähnliches zu berichten: „Die BRK-Wasserwacht hat seit Ende Februar insgesamt elf neue ehrenamtliche Ausbildungsassistenten für Anfänger- und Rettungsschwimmkurse geschult, um der großen Nachfrage nach Schwimmkursplätzen nach den beiden Pandemie-Jahren gerecht werden zu können.“
20 Ehrenamtliche pro Schwimmstunde im Einsatz
In Tacherting sind bei jeder Schwimmstunde insgesamt 20 ehrenamtliche Wasserwachtler im Einsatz, um den Kindern schwimmen beizubringen: „Unser Einzugsgebiet ist sehr groß. Wir genießen auch einen sehr guten Ruf, das liegt daran, wir haben sehr viele Leute im Wasser. Es gibt auch Schwimmkurse, da ist ein Schwimmlehrer für 15 Kinder zuständig und maximal noch ein zweiter dabei. Bei uns ist es so, da hast du maximal drei Kinder im Wasser und auch noch draußen Leute.“ Der gute Ruf und die vielen Kinder, die wegen Corona nie Schwimmen gelernt haben, lassen das Telefon bei Franz Oberleitner heiß laufen.
Man hätte „jeden Kurs mindestens dreimal vollmachen können“
„Es haben jetzt schon wieder einige angerufen für die Kinder, die jetzt noch nicht fünf sind. Früher nehmen wir sie nicht, da da die Auffassungsgabe einfach noch nicht so gegeben ist. Das haben wir schon mal probiert früher und das hat nicht hingehauen. Jetzt haben die gesagt, gut zu wissen, dass es im Herbst losgeht. Die warten jetzt also schon, dass, wenn die Kinder dann fünf sind, sie die zum Schwimmkurs anmelden zu können.“ Und Werner Eder ergänzt in Richtung Franz Oberleitner gerichtet: „Wir haben mal hochgerechnet und da rausgefunden, du hättest jeden Kurs mindestens dreimal voll machen können.“
Wohlfühltemperatur des Badewassers wieder hergestellt
Das neue Tachertinger Hallenbad ist zur Freude der Kinder und auch der Wasserwacht wieder voll besetzt: „Wir hatten mal eine kleine negative Phase, ja, das gebe ich auch zu. Da haben wir die Wassertemperatur um zwei Grad runtergedreht mit dem Ergebnis, dass wir sie dann wieder nach drei Monaten erhöht haben, weil bei den Teilnehmern Kündigungen und Austritte waren.“ Nicht nur der Bürgermeister war damals über die Kündigungen verwundert. Um Energie zu sparen hatte er zunächst sofort zugesagt: „Ob das Wasser jetzt 30 Grad hat oder 28, ich dachte eigentlich, das wäre kaum ein Unterschied.“ Aber es haben wohl, so Oberleitner, Kinder aber auch Erwachsene wirklich gefroren. Jetzt ist das Wasser wieder 30 Grad warm.
„Normaler Schwimmkurs beginnt mit Wassergewöhnung“
Noch ein Special gibt es im Hallenbad in Tacherting, das für Schwimmlehrlinge praktisch ist. Der gesamte Beckenboden kann durch einen Hubmechanismus angehoben werden. So können auch Nichtschwimmer im Wasser stehen und erste Schwimmversuche starten: „Einen normalen Schwimmkurs fängt man mit einer Wassergewöhnung an. Das ist die Grundvoraussetzung, sonst kann ein Kind aber auch ein Erwachsener nicht schwimmen lernen“, erklärt Werner Eder. Deshalb sei der Schwimmkurs auch erst für Kinder ab fünf Jahren: „Bei den jüngeren Kindern, da bist du eher nur mit der Wassergewöhnung beschäftigt, da kommst du in zehn Stunden gar nicht dazu, dass Du denen noch großartig Schwimmen lernst. Der letzte Kurs zum Beispiel war eher ein Wassergewöhnungskurs.“
Über die Hälfte der Kinder schafft das Seepferdchen
Gibt es denn noch das gute alte Seepferdchen? „Selbstverständlich“, und Oberleitner deutet auf den Zettel, wo die Teilnehmerzahlen der letzten sechs Schwimmkurse verzeichnet sind: „Ungefähr die Hälfte aller Kinder in einem Kurs schaffen das Seepferdchen“, so Oberleitner weiter. Und wer am Ende die 25 Meter nicht geschafft hat, bekommt den Bobby als Trostpflaster. Da steht dann drauf, wie weit man geschwommen ist. Und selbstverständlich dürfen die Kinder auch nochmal einen Kurs belegen. Für den kommenden Herbst, wenn die nächsten Schwimmkurse stattfinden, sind die Plätze aber schon wieder recht ausgebucht. Die Wasserwacht Tacherting wird aber sicherlich weiterhin viele Stunden Ehrenamt investieren, um doch noch jedem Kind das Schwimmen beizubringen.“


