Nach letzter Talfahrt in Ruhpolding
Rauschbergbahn: Was bringt die Zukunft für die einst „kühnste Bergbahn Deutschlands“?
Nach knapp 70-jähriger Geschichte schließt die Seilbahn auf den Rauschberg ihre Tore. Ist es für immer oder kommt die neue Bergbahn?
Ruhpolding – Adams riesige Hand, die der Künstler Walter Angerer d.J. geschaffen hat, reckt noch immer seinen Zeigefinger mahnend gen Himmel. Was die Zukunft wohl bringen wird für den Rauschberg in Ruhpolding, einen der beliebtesten Ausflugs- und Aussichtsberge im Chiemgau?
Nicht zuletzt durch die Eröffnung der „kühnsten und schnellsten Bergbahn Deutschlands“ nach nur sechs Monaten Bauzeit hatte der Wintersportort 1953 für einen echten Paukenschlag im Tourismus gesorgt. Knapp 70 Jahre nach der ersten Fahrt startete die Seilbahn am Sonntag zu ihrer vorerst letzten Fahrt. Wie berichtet, soll ein 25 Millionen Euro teurer Neubau mit größerer Kapazität für eine zeitgemäßere Beförderung auf den Berg sorgen. 2025 könnte der Bau eingeweiht werden. Wenn nichts dazwischenkommt.
Die Aussicht nochmals genossen
Um keine Wehmut aufkommen zu lassen, spielten am Sonntag Musiker der beiden Gruppen „Gamsbluat Musi“ und „Rauschberger Musi“ auf der Aussichtsterrasse der Bergstation zünftig auf. Bei Traumwetter genossen viele Ausflügler und Touristen nochmals die traumhafte Aussicht auf den Chiemgau mit dem Chiemsee. Heidi Vogel und Hans Schneider etwa waren extra aus Feldkirchen-Westerham angereist, um die Gelegenheit des mühelosen Aufstiegs ein letztes Mal zu nutzen. „Wir waren bisher noch nie auf dem Rauschberg, haben aber von der Schließung in der Zeitung gelesen und sind deshalb hergefahren. Wir sind begeistert von der tollen Infrastruktur, den Attraktionen, der traumhaften Aussicht und der tollen Luft hier oben. Schade, dass es keine Seilbahn mehr gibt. Gerade für Leute mit Knieproblemen war das ideal.“
Trotz der schmissigen Musikklänge zeigte sich Hornist Toni Gstatter eher betrübt: „Es ist eigentlich sehr schade, dass sich nach so einer langen Tradition des Seilbahnbetriebs zur Abschiedsfahrt kein Offizieller aus dem Rathaus oder vom Tourismus hier oben blicken lässt. Wenn wir nicht privat was organisiert hätten, wäre das sang- und klanglos untergegangen.“ Sein Kollege Stefan Huber ergänzt: „Ich frage mich, was aus Ruhpolding als Urlaubsort wird, wenn mit der Schließung des Kurhauses als Veranstaltungssaal noch ein zweiter wichtiger Tourismusmagnet wegfällt. Da rächt sich jetzt, dass jahrelang nichts gemacht wurde.“
Für einen BR-Beitrag nahm Bürgermeister Justus Pfeifer (CSU) allerdings am Vormittag an der Talstation Stellung zur letzten Fahrt der Rauschbergbahn und den nachhaltigen Umbauplänen. Auch Gemeinderat Thomas Ringsgwandl erinnerte sich bei einem Besuch an „nostalgische Zeiten“ und stimmte bei der letzten Talfahrt den Klassiker „Fahre mit der Rauschbergbahn“ an.
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Mit dem geplanten Abriss des Berggasthofs „Rauschberghaus“ geht auch für die Musiker ein Stück Erinnerung unwiederbringlich verloren. Nicht wenige Chiemgauer haben auf dem Rauschberg Skifahren gelernt. Ausstellungen, Feste und Buchpräsentationen erinnerten an berühmte Gäste und Ereignisse. Ebenso wie zahlreiche Kunstwerke, der „Zauberbaum“ und der „Holzgeisterweg“ den Rauschberg noch immer in kulturellem und mystischem Glanz erstrahlen lassen. Ob das alles so bleibt, wenn der Seilbahnbetrieb erst einmal eingestellt ist, fragten sich eine ganze Reihe von Besuchern auch angesichts des Ausverkaufs im Bergrestaurant.
Auf den Berg nur mit schweißtreibenden Fußmarsch
Mindestens die kommenden zwei Jahre wird man die verbleibenden Attraktionen nur noch nach einem schweißtreibenden Fußmarsch bewundern können. Einen Vorgeschmack bekamen die Gäste am Sonntag auch schon auf den anbrechenden Winter: Auf dem Gipfelareal glitzerte frisch gefallener Schnee in der Sonne. Lohnen wird nach wie vor auch eine Skitour auf den Chiemgauer Aussichtsberg. Eine Fahrt durch die steile tiefverschneite Rossgasse ist ein Erlebnis.
Zum letzten Mal geöffnet hatte am Wochenende auch Margrit Staller ihren Andenkenladen und das Café-Restaurant „Am Taubensee“, das vis-à-vis von der Talstation liegt. „Meine Eltern haben das Gebäude gebaut und unserer Gastronomie im gleichen Jahr wie die Rauschbergbahn eröffnet. Da hängen viele Erinnerungen drin. Ich bin praktisch mit der Seilbahn großgeworden“, erinnert sich die Betreiberin, die als rüstige Senioren kurz vor der Rente steht.
Noch viele Fragen offen
Mit dem malerischen Blick auf den tiefergelegenen Taubensee waren bisher vor allem die Ferienwohnungen als Domizil bei Stammgästen gefragt. „Die Appartements werden wir in jedem Fall weiterbetreiben. Den Restaurantbetrieb wird im Fall der Wiedereröffnung der Seilbahn eventuell eine Tochter übernehmen“, sagt Staller. Aber noch seien ja viele Fragen offen.
„Ein Super-Wetter, großartiges Panorama, wir haben die Zeit auf dem Rauschberg auch dank der Seilbahn für einen Kurzabstecher absolut genossen“, erklärte das Ehepaar Heide und Norbert Muhr aus Drachselsried im Bayerischen Wald. Beide hoffen, dass die Investoren mit ihrer tatkräftigen Unterstützung für eine „Fortsetzung des Bergmärchens Rauschberg“ und der Träume von einer neuen Seilbahn sorgen werden.
