Fusilli und Penne müssen nicht über den Brenner
Das Geheimnis der Nudeln aus Pittenhart: Warum die bayerische Pasta nicht verkocht
Ein Bauernhof mit Nudelküche statt Milchkühen: Andrea und Georg Aringer produzieren seit 20 Jahren Spirelli und andere Formen. Was als Hobby angefangen hat, ist ein Betrieb geworden. Die Kunden fahren bis zu 70 Kilometer für die bayerische Pasta aus Pittenhart. Denn sie verkocht nicht.
Pittenhart – Von außen sieht der Waldhauserhof aus wie ein klassisches Bauernhaus: Weiße Mauern, braune Sprossenfenster, umgeben von Sträuchern und Blumen. Früher standen noch Kühe in dem Stall von Andrea (51) und Georg Aringer (50). Statt Milch produzieren die beiden seit 20 Jahren Nudeln in Pittenhart.
60 Eier für eine Ladung Teig
Andrea Aringer hat eine grüne Schürze umgebunden. Sie steht in einem Raum, der rundherum gefliest ist. Auf dem Edelstahl-Wagen vor ihr stehen sechs Kartons mit Eiern. Eines nach dem anderen schlägt sie mit einem Messer auf und gibt sie in einen Becher. 60 Stück braucht Aringer für eine Ladung Nudelteig. Das sind rund drei Liter. 1200 bis 1500 Eier verarbeite sie an einem Tag.
Neben den Eiern nutzt die Pittenharterin Dinkel- oder Hartweizengries. „Eine Griesnudel verkocht sich nicht“, sagt Aringer. Das sei ihr Trick. Denn eine Nudel aus Mehl wird matschig, wenn sie zu lange kocht. Der Gries sei stabiler. So entsteht eine „wertigere Nudel“. Mehl zu verwenden, „ist gar nicht zur Debatte gestanden“.
Aringer kippt Eier und Gries in einen Kessel. Ein großer Rührarm mischt beides. Zehn bis 15 Minuten dauert das, je nach Konsistenz. Denn nicht alle Eier binden gleich gut, sagt die Expertin. Den Teig füllt sie dann von oben in die Nudelmaschine. Diese drückt den Teig durch den Aufsatz.
Je nachdem wie schnell die Maschine eingestellt ist, desto kürzer werden die Nudeln. Für kleine Suppennudeln stellt Aringer das Messer auf Stufe zehn. Im Sekundentakt rast die Klinge um die eigene Achse und schneidet die Nudeln. Für Spirelli läuft die Maschine auf Stufe vier. Das sei jedoch von Teig zu Teig unterschiedlich.
Nudelmaschine auf Messe entdeckt
Erst hat Andrea Aringer nur Nudeln für ihre Familie produziert. Dann hätten immer mehr Leute angefragt, sie wollten auch Pasta aus ihren eigenen Eiern. Viele Betriebe brachten Eier, die zu klein waren oder übrig blieben. Das habe sich rumgesprochen. Heute fahren die Kunden teils über 70 Kilometer nach Pittenhart. Sie kommen aus Wasserburg, Miesbach, Mühldorf und Erding.
Dabei wollte Andrea Aringer erst gar keine Pasta-Produzentin werden. „Die Batzerei“ wollte sie nicht. Auf einer Handwerksmesse habe ihr Mann 2004 eine Nudelmaschine entdeckt – ohne „Batzerei“. Am Tag darauf seien sie gemeinsam auf die Messe gefahren, haben die Maschine und verschiedene Aufsätze gekauft. Heute haben sie zwei Maschinen.
Nun purzelt eine Nudeln nach der anderen in den Korb. Und zwar im Sekundentakt. In weniger als 30 Minuten stapeln sich die Kisten voller Spirelli. Dann kommen sie in den Trockenraum. „Mit Umluftlüftung und Zusatzheizung“, erklärt Georg Aringer. Über Nacht trocknen die Nudeln, am nächsten Morgen sind sie fertig und mindestens zwei Jahre haltbar.
Georg Aringers Lieblingsnudeln sind die „Hahnenkämmchen“ oder „Drachennudeln“. Sie sehen aus wie ein Regenbogen mit gewellter Oberkante. Andrea Aringer isst am liebsten die Nudelart Wellenband. Sie sei gut für Schinkennudeln oder jegliche Soßen. Spaghetti gibt es laut der Produzentin nur alle zwei Wochen. Die Trocknung sei sehr aufwändig. Und die Ware müsse innerhalb von einer Woche konsumiert werden.
1200 Legehennen im Betrieb
Ihr Wissen hat die heutige Expertin erst nach und nach gelernt. „Wir haben etwas blauäugig angefangen“, erzählt sie. Am Anfang hätte sie nicht gewusst, dass sie einen Trockenraum brauchen. Die Nudeln werden nicht haltbar, wenn sie an der Luft trocknen. Und nun produziert das Ehepaar 200 Kilogramm bayerische Pasta am Tag, sagt Aringer.
Sie ist für die Produktion zuständig, von 7 bis 13 Uhr. Er verpackt die Nudeln und kümmert sich um die Hühner. 1200 Legehennen haben sie. Das Fressen der Hühner besteht aus Sojabohnen, Körnermais und Weizen. Diese drei Komponenten bauen die Aringers auf ihren zwölf Hektar Feldern an.
Es ist ihnen wichtig, ein regionales Produkt mit kurzen Wegen anzubieten, betont Andrea Aringer: „Eine Bio-Tomate aus Marokko ist nicht Bio.“ Sie müsse schließlich mit dem Schiff oder Flugzeug nach Deutschland transportiert werden. Das sei nicht mehr nachhaltig. Ökologischer seien Gemüse oder Nudeln aus Deutschland und Bayern.
Deshalb wünschen sich die beiden mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft. Sie haben das Gefühl, dass die Direktvermarktung stagniert. Während der Coronapandemie sei die Wertschätzung gestiegen, mehr Leute hätten beim Bauernhof eingekauft. Nun gingen viele wieder in den Supermarkt. „Wir dachten, die Leute wissen jetzt worauf es ankommt“, sagt Georg Aringer.
Schüler über Landwirtschaft informieren
Aufklärung habe früher nicht zu ihren Aufgaben gehört, heute schon. Deshalb wollen die beiden auch einen Besucherraum bauen, mit einer Scheibe zur Nudelproduktion. Schüler, Gruppen vom Bauernverband oder andere Interessierte können den Aringers so bei der Arbeit zusehen. Diese Idee hatten sie durch ihre Tochter. In der Schule habe sie eine Aufgabe bekommen zur „Gefährdung der Lebensgrundlage durch die Landwirtschaft“.
Es hat sich Georg Aringer zufolge nicht um eine Frage gehandelt, sondern eine Aussage. „Das hab ich traurig gefunden“, sagt er. „War scho bissl a Schock.“ Deshalb will er anderen nun erklären, wie eine Landwirtschaft mit Hühnern und einer Nudelproduktion funktioniert.
„Das ist sehr wichtig, weil die Schulklassen die Verbraucher der nächsten Generation sind“, sagt Kreisbäuerin Katharina Kern. Durch einen Besuch könne das Bewusstsein der Schüler geschärft werden – wie wichtig gesunde, regionale Lebensmittel und landwirtschaftlichen Betrieben sind.
Eine Bereicherung für Gemeinden
Die Landwirtschaft bereichert Kern zufolge die Region. Wenn sich Konsumenten ein Bild machen, wie Lebensmittel produziert werden, hätten sie ein besseres Gefühl. Zudem steige so die Wertschätzung von Landwirten. Wenn die Menschen direkt beim Produzenten einkaufen, verdiene dieser mehr.
„Regionale Vermarktung ist wirklich eine tolle Sache“, sagt auch der Pittenharter Bürgermeister Josef Reithmeier. Es sei etwas Besonderes ist und eine Bereicherung für Gemeinden.








