Die Chiemgauer Lokalbahn aus Obing
Nostalgiebetrieb und Testfahrten für die Industrie: So kreativ muss eine Lokalbahn sein
„Die sind doch froh, wenn sie mit ihren Loks herumfahrend können?“, mag sich manch einer denken. Das stimmt natürlich, aber hinter dem Betrieb der Chiemgauer Lokalbahn aus Obing steckt einiges an Aufwand und Kosten, weshalb sich der Verein allerhand einfallen lassen muss, um das ganze weiterhin aufrecht erhalten zu können.
Obing – Wo ist eigentlich die Dampflok, die in der Vergangenheit immer wieder Züge entlang der Strecke zwischen Obing und Bad Endorf zog? „Sie war angemietet und wäre im Moment zu teuer“, berichtet Christian Schunck, Ehrenamtlicher Beiratsvorsitzender der Chiemgauer Lokalbahn im Gespräch mit unserer Redaktion. Wir treffen uns an einem sonnigen Nachmittag am Obinger Bahnhof. Dieser befindet sich am Rand der Gemeinde. Auf den Gleisen vor dem Bahnhofsgebäude warten Loks und Waggons auf ihren nächsten Einsatz. Vögel singen im Hintergrund, in der Ferne hört man Betriebsgeräusche des BayWa-Lagerhauses.
Seit über 20 Jahren gibt es den 2002 gegründeten Verein nun. Damals wurde er aus der Taufe gehoben, um die Bahnstrecke Bad Endorf – Obing wieder in Betrieb zu nehmen, zu erhalten und einen regelmäßigen Touristikverkehr aufzunehmen. Die Strecke war 1908 eingeweiht worden, der Personenverkehr lief dort bis 1968, Güterzüge fuhren noch bis 1996. Erst geht der Personen- dann der Güterverkehr, eine ähnliche Geschichte haben auch andere Nebenbahnstrecken in der Region, wie beispielsweise die Strecke Frontenhausen/Marklkofen–Neumarkt-St. Veit im Nachbarlandkreis Mühldorf am Inn. Schon relativ bald darauf gab es Überlegungen durch das Bayerische Eisenbahnmuseum, auf der Strecke im Chiemgau einen Ausflugsverkehr mit Dampfzügen zu betreiben, die sich letztlich jedoch zerschlugen.
Chiemgauer Lokalbahn aus Obing muss sich auf vielfältige Weise finanzieren
So nahmen schließlich sechs Jahre nach dem vorläufigen Aus Einheimische mit dem Bahnverein die Sache in die Hand. Schließlich wurde 2005 mit der Deutschen Bahn ein Pachtvertrag abgeschlossen, wegen der intensiven Instandhaltungsmaßnahmen der 18,5 Kilometer langen Strecke dauerte es aber noch bis in das Folgejahr, bevor wieder Züge zwischen Obing und Bad Endorf rollen konnten. Die Strecke fordert weiterhin viel Engagement für den Unterhalt, wie Christian Schunck vom Bahnverein berichtet: „Dazu rücken wir regelmäßig an Samstagen aus. Es geht ja nicht alleine darum, die Pflanzen die im Gleisbett wachsen zu beseitigen. Daneben gilt es auch zu verhindern, dass die Äste in die Strecke hineinwachsen beziehungsweise Bäume im Blick zu behalten, die umfallen könnten und nicht zuletzt können auch Wurzeln die Strecke beschädigen.“
Neben dem Unterhalt der Strecke gilt es auch die historischen Triebwägen, die Lokomotive und Waggons in Stand zu halten. Der „Schienenomnibus“ MAN-Triebwagen VT 26 ist Baujahr 1962, der Esslinger-Triebwagen VT 103 sogar aus dem Jahr 1952 und die Kleinlok Köf II 67 01 stammt aus dem Jahr 1959. „Im Vergleich zu beispielsweise einer Dampflokomotive sind hierfür noch Ersatzteile beziehungsweise Fachleute für Reparatur und Wartung relativ einfach zu finden, aber billig ist es trotzdem nicht“, erklärt Schunck. Der Verein plane langfristig, eigene Unterhalts-Infrastruktur in Form einer Arbeitsgrube und Werkstatt zu haben, doch das ist im Moment noch Zukunftsmusik.
Hinter dem Betrieb der Nostalgiebahn stehen also nicht unerhebliche Kosten, wie finanziert man so etwas dann? Da wäre zunächst einmal der regelmäßige Bahnbetrieb an Sonn- und Feiertagen von Mai bis Ende Oktober. Das scheint durchaus anzukommen. Bei Google beispielsweise finden sich im Netz überwiegend positive Bewertungen. „Die Bahn und die Mitarbeiter sind wirklich super, die Fahrt macht Kindern und Erwachsenen gleichermaßen Spaß“, schreibt etwa Martina W.. „Sehr freundliche Eisenbahner“, lobt auch Markus G.. „Schee is bei Euch!“, gibt es auch von Sepp G. warme Worte. Doch daneben wurden über die Jahre auch andere Dinge erprobt.
Überlegungen für Wiederaufnahme eines regelmäßigen Bahnbetriebs
Beispielsweise gibt es die Möglichkeit, die Züge des Vereins für Veranstaltungen zu chartern. „Anfangs haben wir noch Angebote angenommen, wo wir dann rein am Ticketverkauf verdient haben“, erinnert sich Schunck. Weiterhin gäbe es immer wieder Anfragen, beispielsweise von den Veranstaltern von Festen, nach diesem Modell eine Art Shuttle-Betrieb zu organisieren. „Aber das stand und fiel dann immer damit, wie viele Leute das wahrgenommen haben. So sehr wir eigentlich über jede Chance glücklich sind, unsere Züge zum Einsatz zu bringen, müssen wir inzwischen auf Charter-Verträge bestehen, damit das wirtschaftlich ist.“
Daneben sei der Verein auch ungewöhnliche Wege gegangen, um Einnahmen zu generieren. „Wir bieten hier fast alles, was man so auf einer Bahnstrecke finden kann: Viele Kurven, Brücken, ein Waldstück und so weiter“, erklärt Schunck, „Und das macht sie für Unternehmen aus allen Bereichen der Eisenbahntechnik sehr interessant für Testfahrten beziehungsweise die Erprobung neuer Gerätschaften.“ Die „Erlkönige“ der Eisenbahnbranche sind also ab und zu dort unterwegs. Details dürfen die Nostalgiebahner nicht nennen. „Nur so viel: Vor einer Weile hat hier beispielsweise ein Unternehmen Technologie für besseren Handyempfang im Zug getestet ...“ Das ganze sei inzwischen etabliert und eingespielt. „Davon profitieren übrigens auch die umliegenden Gemeinden, denn die Unternehmen die bei uns testen quartieren dann ihre Ingenieure und Monteure in heimischen Gastbetrieben ein.“
Überhaupt habe sich der Verein und sein Bahnangebot inzwischen als Bestandteil des lokalen Touristikangebots etablieren können, findet Schunck. „Die Gemeinden entlang der Strecke haben ja auch allerhand zu bieten.“ Es gibt aktuell auch eine Initiative, wieder einen regelmäßigen Betrieb der Strecke aufzunehmen und dann durch die Regionalbahn betreiben zu lassen. Die Gemeinderäte von Obing, Amerang, Halfing und Bad Endorf setzten sich in den letzten Jahren mit dem Thema auseinander, wobei es viele kritische Stimmen zu dem Projekt gibt. „Sagen wir mal, ich persönlich gehe davon aus, dass das eher mittelfristig etwas werden wird“, meint Schunck und gibt sich diplomatisch, „Es ist ja durchaus auch verständlich, dass das für die Gemeinden weiter ‚unten‘ an der Strecke, die näher an der Linien-Bahnstrecke auf der die Regionalbahn fährt, weniger attraktiv ist.“
Mehr zum Verein:
Mehr über die Chiemgauer Lokalbahn und den dazugehörigen Verein, sowie die Fahrpläne des Wochenend-Nostalgiebahnverkehrs erfahrt Ihr auf deren Website.
Am Ende des Tages sei das Fundament des Vereins seine Mitglieder, betont Schunck. „Bei weitem natürlich nicht nur wegen ihrer Beiträge. Denn wir haben über die Zeit festgestellt, dass wir Fachwissen aus so ziemlich allen Bereichen gut gebrauchen können. Nicht nur aus technischen Berufen, es braucht in der Praxis ja auch Leute, die sich beispielsweise mit juristischen Dingen, dem Betrieb unserer Website, der Verwaltung der Finanzen und so weiter auskennen. Das alles geschieht ehrenamtlich und wir sind für alle sehr dankbar, die auf die eine oder andere Weise mithilft, dieses Projekt aufrecht zu erhalten.“
hs

