Ticker: Mord-Prozess im „Fall Hanna“ gegen Sebastian T.
Polizist bei Festnahme von Sebastian T. völlig überrascht: „So einen Fall hatte ich noch nie“
Trotz allen Engagements und etlicher Beweisanträge: Entlastendes kam für Sebastian T. im Mord-Prozess zuletzt kaum ans Licht. Am 27. Prozesstag werden nun weitere Zeugen der Verteidigung geladen. Was können sie zur Aufklärung von Hanna W.s Tod beitragen?
Update, 15.01 - Polizist bei Festnahme von Sebastian T. völlig überrascht
Am 18. November 2022 wurde Sebastian T. festgenommen. Der Verdacht gegen ihn erhärtete sich so weit, dass ein Haftbefehl gegen den Angeklagten ausgestellt wurde. Grünes Licht für die Kripo. Jetzt berichten jene beiden Polizisten von der Festnahme. Auf der Autobahn A94 in Richtung Kufstein, kurz vor der Ausfahrt Oberaudorf, fasste man ihn.
Bereits gegen 13 Uhr beobachtete man Sebastian T., als er seinen Arbeitsplatz in Rosenheim verließ und ins Auto stieg. Dann verfolgten ihn die Beamten und gegen 13.30 Uhr bekamen sie die Nachricht: der Haftbefehl lag vor. „Nachdem wir ihn angehalten hatten, erklärten wir ihm, dass er wegen eines Tötungsdelikts festgenommen ist“, berichtet ein 43-jähriger Polizist.
Und wie reagierte Sebastian T.: „Keine Reaktion. In keinster Weise. Als würde man das einer Wand erzählen“, berichtet der Kriminalpolizist. So wenig wie Sebastian T. überrascht schien, umso größer war die Überraschung bei den Beamten. Er habe in seiner Polizeikarriere schon weit über 100 Menschen festgenommen, „aber so einen Fall hatte ich noch nie.“
Auch der zweite Polizist bestätigt: „Er hat fast kein Wort gesagt. Nur, dass er der Herr T. ist und dass er die Belehrung über seine Rechte verstanden hat.“ Dieser Zeuge will zumindest noch ein „verblüfftes“ Gesicht bei Sebastian T. festgestellt haben, als man ihn auf der Autobahn anhielt. Mehr aber auch nicht. „Dass man zu sowas kein Wort sagt, ist wirklich ungewöhnlich.“
Der Prozess am Landgericht wird für heute unterbrochen. Fortgesetzt wird am kommenden Dienstag (30. Januar) ab 8.30 Uhr
Update,14.01 Uhr - Richterin will mehr Tempo im Prozess
Welche Pläne hat die Verteidigung? Welche Beweisanträge werden Rick, Frank und Baumgärtl noch stellen? Das Traunsteiner Landgericht wird im Dunkeln gelassen. „Es wird noch weitere Beweisanträge geben“, kündigt Regina Rick an. Doch um was es geht und wann die Beweisanträge gestellt werden, verrät sie nicht. Könnte bedeuten: Es kommt zu weiteren Verzögerungen.
Richterin Aßbichler dagegen will im Verfahren eher Gas geben. „Stellen Sie Ihre Beweisanträge! Ich habe Druck“, sagt sie offen in Richtung Verteidiger. „Sonst müssen wir womöglich andere Insassen aus der Untersuchungshaft entlassen.“ Aßbichler spielt auf andere Verfahren ihrer Strafkammer an, die wegen des „Hanna-Prozesses“ ruhen. Denn für die Justiz gilt das sogenannte Beschleunigungsgebot.
Das Beschleunigungsgebot verpflichtet die Staatsorgane, bei Untersuchungshäftlingen schnellstmöglich die Ermittlungen abzuschließen und Urteile herbeizuführen. Schließlich sitzen bei der U-Haft Menschen im Gefängnis, die „nur“ verdächtig sind.
Und es gibt Fristen: In der Regel darf eine Untersuchungshaft maximal ein halbes Jahr dauern. Danach dürfen Insassen wieder hinaus. Das Oberlandesgericht kann die Frist zwar verlängern, nicht aber, weil das zuständige Gericht „nur“ überlastet ist.
Nun werden noch die beiden Polizisten als Zeugen aussagen, die Sebastian T. am 18. November 2022 festnahmen.
Update, 11.13 Uhr - Vier Nachtschwärmer kurvten zur Tatzeit durch Aschau
Der erste Schwung an Zeugen erscheint am Landgericht. Es sind vier junge Leute, die in der Nacht auf 3. Oktober auch in Aschau im Club „Eiskeller“ waren. Die vier Rosenheimer waren zum ersten Mal im Ort, kannten sich nicht aus und verfuhren sich beim Heimfahren. Etwa zur Tatzeit müssten sie mit dem Auto durch Aschau geirrt sein, denn auf einer Überwachungskamera wurde ihr Wendemanöver „Am Hofbichl“ gegen 2.36 Uhr festgehalten – ganz in der Nähe von Bärbach und Kampenwandbahn-Parkplatz.
„Ist Ihnen irgendjemand aufgefallen?“, fragt Richterin Jacqueline Aßbichler einen nach dem anderen. Alle verneinen. Bis auf einen 25-jährigen Zeugen, der mit im Auto saß. Er beschreibt einen Mann – braunes Haar, etwa 180 cm groß, angetrunken. Doch die Beschreibung passt nicht auf den Angeklagten. Ohne Erkenntnisgewinn werden die vier Zeugen wieder nach Hause geschickt.
Auch ein Kriminalpolizist kann kaum zur weiteren Aufklärung beitragen. Er wertete das Handy von Sebastian T. in der Tatnacht aus. Ein Excel-Dokument mit jeder Menge Daten wird an die Wand geworfen. Der Kripo-Beamte kann zwar sagen, welche Apps auf seinem Handy im Hintergrund liefen, und welche auch mal im Vordergrund liefen und bedient wurden – aber wann, das lässt sich nicht feststellen. Nur, dass es zwischen 2 und 4 Uhr morgens war.
Wieder keine neuen Erkenntnisse für Gericht, Verteidigung oder Staatsanwaltschaft. Doch es werden noch weitere Zeugen heute vor Gericht erscheinen: zum Beispiel die zwei Polizisten, die Sebastian T. am 18. November 2022 festnahmen.
Vorbericht
Traunstein/Aschau im Chiemgau - Wann und wo genau joggte Sebastian T. in der Nacht auf 3. Oktober 2022 durch Aschau? Und könnte er so zu einem Alibi kommen? Am Donnerstag (25. Januar) ab 9 Uhr werden unter anderem drei weitere Zeugen vor dem Traunsteiner Landgericht erwartet, geladen von der Verteidigung. Die Drei sollen ebenfalls in der Tatnacht in Aschau unterwegs gewesen sein. Es ist inzwischen der 27. Prozesstag gegen Sebastian T. Und momentan, nach etlichen Gutachten, sieht es nicht danach aus, als würde der Prozess noch einen plötzlichen Umschwung erfahren.
Jüngste Gutachten konnten Sebastian K. nicht entlasten
Aufwändige Gutachten wurden in den vergangenen Verhandlungstagen vor Gericht präsentiert - doch den Durchbruch für die Verteidigung brachten sie nicht. Eher im Gegenteil. Hydromechaniker Andreas Malcherek hielt es für äußerst unwahrscheinlich, dass sich Hanna W. ihre tödlichen Verletzungen erst in der Prien zuzog. Und dann Sebastian T.s Handy-Spiel „Clash of Clans“: Nachweislich hat er es in jener Nacht erst ab 2.42 Uhr gespielt - und nicht bereits zur angeblichen Tatzeit zehn Minuten früher. Was auch gegen einen Unfalltod Hannas spricht: Gegen 2.32 Uhr wählte sie über den Sperrbildschirm ihres Handys noch eine Notfallnummer. Schwer vorstellbar, dass sie da bereits gegen die Fluten des Bärbachs ankämpfte.
Der Prozess gegen Sebastian T. läuft bereits seit dreieinhalb Monaten. Gar seit 14 Monaten sitzt er in Untersuchungshaft. Wie lange wird es noch zu einem Urteil dauern? Ursprünglich sollte es noch vor Weihnachten fallen, doch spätestens, als Regina Rick als zusätzliche, dritte Verteidigerin ins Spiel kam, verzögerte sich das Tempo vor Gericht erheblich. Aktuell hat das Landgericht noch neun weitere Termine für den „Hanna-Prozess“ freigehalten, bis zum 5. März.
Angeklagt ist Sebastian T. aus Aschau im Chiemgau. Er soll am 3. Oktober des vorletzten Jahres Hanna W. auf ihrem Heimweg vom Club „Eiskeller“ bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und sie dann in den Bärbach nahe der Kampenwandbahn geworfen haben. Dort ertrank die damals 23-Jährige. Sebastian T. war anfangs für die Polizei nur als wichtiger Zeuge interessant, da er zur Tatzeit als Jogger gesehen wurde. Am 17. November 2022 wurde er jedoch festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Anklage lautet auf Mord. Mit einem Urteil wird aktuell im Februar gerechnet.
chiemgau24.de wird aktuell vom Prozess berichten.
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