„Bei manchen Worten Thomas sehe ich die SA marschieren“
Mordaufrufe und Hetze: Traunsteiner Ludwig-Thoma-Schule will ihren Namen loswerden
Er gilt als einer der populärsten bayerischen Schriftsteller und hinterließ auch im Chiemgau seine Spuren - doch Ludwig Thomas dunkle und antisemitische Seite drängt sich immer mehr auf: Jetzt will ihn eine Traunsteiner Schule aus dem Namen verbannen. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Traunstein - Es war die langerwartete, große Aussprache am Dienstagabend (4. Juli) in der Traunsteiner Klosterkirche: Regionale Literatur- und Geschichtsexperten fanden auf dem Podium mit Oberbürgermeister Christian Hümmer (CSU) und Schulleiter Alexander Fietz Platz. Wie weiter mit Ludwig Thoma umgehen? Doch für Fietz stand die Entscheidung bereits fest: „Bei manchen Worten von Thoma sehe ich die SA marschieren.“ Gegenüber chiemgau24.de verriet er: Es gibt bereits einen Beschluss des Lehrerkollegiums mit Unterstützung des Elternbeirats, sich vom Namen Ludwig-Thoma-Schule zu trennen.
Stadtrat wird über Umbenennung von Ludwig-Thoma-Schule abstimmen
„Mit der Bitte um Umbenennung werden wir uns an den Stadtrat wenden“, so Fietz. Auch einen Alternativvorschlag will man gleich mitliefern, der neutraler nicht sein könnte: „Grundschule Traunstein“ soll die Lehranstalt an der Ludwigstraße künftig heißen. Auch wenn Oberbürgermeister Hümmer bekannte, „kein Freund von Umbenennungen und Tilgungen“ zu sein, hat der Wunsch der Schule wohl gute Chancen, vom Stadtrat mitgetragen zu werden. „Ich will da wenig hineinreden, das ist in erster Linie eine Sache der Lehrer, Eltern und Schüler“, so Christian Hümmer.
Die Diskussion kam zu Thomas 100. Todestag im August 2021 ins Rollen. Ab da häuften sich die Zuschriften an Stadtverwaltung und Schule, sich kritischer mit dem Literaten zu beschäftigen. Auf der einen Seite die beliebten „Lausbubengeschichten“ oder das Versepos „Heilige Nacht“ in bairischer Sprache - auf der anderen Seite stehen Ludwig Thomas antisemitische und demokratiefeindliche Kolumnen auf der Titelseite des „Miesbacher Anzeiger“ in den Jahren 1920 und 1921. „Seine Artikel enthielten auch eindeutige Mordaufrufe. Thoma war einer der geistigen Brandstifter und seine Wortwahl mit dem ‚Stürmer‘ vergleichbar“, so Traunsteins Heimatpflegerin Lydia Großpietsch.
„Thoma war in den 1890er-Jahren als Rechtspraktikant in Traunstein, seine Mutter pachtete ein Wirtshaus und er wohnte im ehemalige Höllbräu-Gebäude“, so der Heimatkundler und Literaturkenner Willi Schwenkmeier. Dort erinnert auch heute eine Tafel an Ludwig Thoma, genauso wie die Straße vor dem Landratsamt nach ihm benannt ist. Die Tafel und der Straßenname sollten bleiben, könnten aber gerne mit zusätzlichen Hinweisen versehen werden, so OB Hümmer: „Sein Antisemitismus ist nicht zu tolerieren oder zu relativieren. Aber wenn wir Thoma aus dem öffentlichen Raum verbannen findet keine Differenzierung mehr statt.“
Willi Schwenkmeier fragte: „Was kann ich von jemandem erwarten, der vor 100 Jahren gelebt hat? Der Krieg hat bei Ludwig Thoma Spuren hinterlassen, für ihn ist da etwas zusammengebrochen. Das prägt doch.“ Lydia Großpietsch hielt dagegen, dass schon 1899 vor Thomas Antisemitismus gewarnt wurde - und überhaupt müsse man aus einem Krieg doch nicht automatisch antidemokratische Schlüsse ziehen. „Bei den Stadtführungen habe ich gemerkt, dass viele über diese Seite Thomas erschüttert sind. Eine Wortwahl wie ‚Saujuden‘ schockiert die Leute“, so Stadtheimatpflegerin Großpietsch.
Anderer Umgang mit Thoma an Priener Gymnasium
In Prien, am dortigen Ludwig-Thoma-Gymnasium, ist eine Umbenennung wohl kein Thema: „Der Direktor meinte, er habe kaum solche Zuschriften erhalten“, so Moderator Axel Effner. Jedoch werde beispielsweise im Geschichtsunterricht seine Person kritisch diskutiert - was am Gymnasium freilich möglich ist, geht an einer Grundschule kaum. „Aber wir müssen die Demokratie als größte Errungenschaft hochhalten“, so Schulleiter Alexander Fietz: „Wir wollen unseren Kindern Würde, Herz und Charakter vermitteln - und nicht Hass, Mobbing und Gewalt.“
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