Lässt sich beides verbinden?
„Dorn im Auge“ am Chiemsee – Kaum Wohnungen für Einheimische, aber endlos Ferien-Domizile?
Der Chiemsee ist ein Touristenmagnet, doch für Einheimische wird der Wohnraum immer knapper. Dabei verschärfen Ferienwohnungen und Zweitwohnsitze die Lage und die Gemeinden suchen nach Lösungen. Können Ferienparadies und Wohnungsmarkt in Einklang gebracht werden?
Chiemsee – Über 1.000 Unterkünfte innerhalb des Kartenbereichs. Das ergibt eine Suchanfrage bei Airbnb, dem Online-Portal zur Buchung und Vermietung von Unterkünften, für den Chiemgauer Bereich. Wobei das Portal generell ab 1.000 aufhört zu zählen. Die meisten dieser 1.000 plus X Unterkünfte sammeln sich rund um den Chiemsee. Sie tragen die Prädikate „Gäste-Favorit“ und „Superhost“. Von einem Bett in einer geteilten Wohnung über Tiny-Houses bis hin zu mehrstöckigen Villen wird alles angeboten. Die Anzeigen werben mit Bergen, Schnee, See und „prima Kaffee“.
Mangel an Wohnraum
Die Auswahl an Ferienwohnungen ist groß – so wie der Mangel an Wohnraum. „Der Wohnraum ist knapp, insbesondere für die einheimische Bevölkerung“, sagt Michael Bartlweber, Bürgermeister von Seeon-Seebruck. Junge Leute würden Wohnraum brauchen, da sie in der Kommune bleiben wollten, meint Bartlweber. Aufgrund der massiv gestiegenen Bodenrichtwerte sei es schwierig, Wohnraum zu bekommen. „Aber nicht nur für die Einheimischen, sondern es geht ja auch um junge Leute, die bei uns in den Betrieben arbeiten“, führt der Bürgermeister aus, „Fachkräfte und so weiter, die brauchen ja auch Wohnraum.“
Neben den Ferienwohnungen ist der Chiemsee ein beliebtes Gebiet für einen Zweitwohnsitz. „Was uns wirklich sehr ein Dorn im Auge ist, sind tatsächlich diese Zweitwohnungen, die schlecht genutzt werden“, sagt Bernaus Bürgermeisterin Biebl-Daiber, also dieser Leerstand, der wirklich offensichtliche Leerstand.“ Ein Zweitwohnsitz am Chiemsee war allerdings nicht immer verpönt. „Wir haben noch ungefähr 300 Zweitwohnsitze in der Gemeinde Seeon-Seebruck. Das hat sich natürlich auch entwickelt“, sagt Bürgermeister Bartlweber. Man habe die Zweitwohnsitze in den 70er, 80er, 90er Jahren sehr forciert. „Jetzt ist es so, dass wir bei jeder Bebauungsplanänderung einen Zweitwohnungsausschluss machen.“
Leerstand durch Zweitwohnungen
Neben einem Zweitwohnungsausschluss verfolgen die Gemeinden am Chiemsee auch weitere Herangehensweisen. Das Problem bei den Zweitwohnungen sei der Leerstand, sagt Chiemings Bürgermeister Stefan Reichelt, „da die Wohnungen in der Zwischenzeit nicht genutzt werden.“ In Chieming liegt, wie auch etwa in Prien und Bernau, die Zweitwohnsitzsteuer bei einem Maximum von 20 Prozent auf die Mietkosten. „Die Bevölkerung nimmt wahr, dass die Gemeinde mit verschiedenen Aktionen, wie Zweitwohnungssteuer oder Ansiedlungsmodellen, versucht, den Wohnungsmarkt positiv zu beeinflussen“, bekräftigt Bürgermeister Stefan Reichelt.
„Es hat tatsächlich auch der Beginn des Krieges in der Ukraine dazu geführt, dass einige Zweitwohnungen aufgegeben wurden und regulär vermietet worden sind“, sagt Priens Bürgermeister Andreas Friedrich. Die Marktgemeinde habe dazu gezielt alle Zweitwohnungsbesitzer angeschrieben „und da war ein kleiner Teil dabei, der dann tatsächlich seine Wohnung regulär vermietet hat.“
Hoher Flächendruck am Chiemsee
Auch Konzepte wie Baugrund, der nur an Einheimische vergeben wird, werden verfolgt. „Das Problem ist tatsächlich, dass wir unter wahnsinnigem Flächendruck leiden“, sagt Bürgermeisterin Biebl-Daiber, „einfach aufgrund dessen, dass die Landwirte ihre Flächen brauchen, um ein gewisses Stück Land für die Viehhaltung zu haben, um dann irgendwie noch wirtschaftlich zu sein.“
Ein weiterer Weg könnte eine Zweckentfremdungssatzung sein. In Gemeinden, in denen es besonders schwierig ist, genug Mietwohnungen zu fairen Bedingungen zu finden, kann die Gemeinde per Verordnung festlegen, dass Wohnungen nicht ohne ihre Genehmigung anderweitig genutzt werden dürfen. Auch länger leerstehende Zweitwohnungen könnten so genehmigungspflichtig werden.
Eine Leerstandsabgabe als Lösung
„Wir hätten gerne so eine Satzung erlassen, tatsächlich, aber die greift nur in touristisch geprägten Gebieten“, sagt Bürgermeisterin Biebl-Daiber. Das Problem in Bernau sei, dass Zweitwohnungen genau dort liegen würden, wo kein touristisch genutztes Gebiet ist. Ein Konzept, das Biebl-Daiber favorisiert, ist eine Leerstandsabgabe, wie sie sie in Österreich erlebt habe. „Das trifft natürlich genau die Leute, die eine Zweitwohnung haben und die zweimal im Jahr herkommen und ansonsten steht das Ding leer“, erklärt die Bürgermeisterin. Eine Abgabe „bringt die Leute dann natürlich schon dazu, darüber nachzudenken, ob man die Zweitwohnungen und etwa Ferienwohnungen koppelt.“
Ohne geht nicht
Denn ohne Ferienwohnungen würde es am Chiemsee nicht gehen, das sind sich die Gemeinden einig: „Wir sind eine Tourismusgemeinde“, sagt Chiemings Bürgermeister Stefan Reichelt, „deshalb sind Ferienwohnungen für unsere Gemeinde sehr wichtig.“