Wie könnten die Kienberger von Windrädern profitieren?
Viel Euphorie um Windkraft in Kienberg - doch nicht alle sind so begeistert
So voll war es im Saal des Gasthofes zur Post in Kienberg lange nicht: Zur Infoveranstaltung „Windenergie von Bürgern für die Region“ kamen hunderte Bürger, um sich die Vorteile eines Windradprojekts anzuhören und womöglich sogar finanziell davon zu profitieren. Trotz Enthusiasmus der Windrad-Befürworter - kritische Stimmen bleiben.
Kienberg - Georg Huber ist Sprecher des „Aktionsbündnisses für Bürgerwindräder im Landkreis Traunstein“, das sich klar für den Ausbau von erneuerbaren Energien und insbesondere Windenergie einsetzt. Der Tenor: „Wir brauchen die Energiewende und regenerativen Strom.“
Am Abend des 12. Aprils stellte er gemeinsam mit Hans Schupfner vom Aktionsbündnis das Vorranggebiet 51, das den Gemeindebereich Kienberg und auch Obing einschließt, genauer vor.
Mehr Transparenz gefordert
Hintergrund war die Unterschriftenliste, die zweifelnde Anwohner im März dem Gemeinderat um Bügermeister Hans Schmidhuber übergeben hatten sowie das Anliegen der Bürger, für mehr Transparenz zu sorgen.
Unterstützende Worte gab es von Beate Rutkowski, der Geschäftsführerin der Kreisgruppe Traunstein des Bund Naturschutzes, die der Ansicht war, mit Windenergieanlagen erziele man „den höchsten Ertrag für den geringsten Flächenverbrauch“ und die Belange des Natur- und Artenschutzes würden selbstredend ausreichend berücksichtigt werden.
So könnten die Kienberger in ihre eigene Windenergie investieren
Wann und wie viele Windräder in Kienberg in naher Zukunft gebaut werden könnten, sei zum derzeitigen Zeitpunkt noch völlig offen. Man gehe von einem, vielleicht zwei Rädern aus.
Das Aktionsbündnis plädierte dafür, dass sich die Kienberger selbst in die Windenergiegewinnung einbringen und so mittels einer Betreibergesellschaft von der Energie und dem Erlös direkt profitieren, bevor sich externe Investor einkaufen.
Vorreitermodell aus dem Kreis Ebersberg
So, wie es Hans Zäuner und Werner Stinauer vor einigen Jahren getan haben. Die beiden leben im Landkreis Ebersberg und sind sichtlich stolz auf „ihr Windrad Osterkling“ im Waldstück bei Hamberg in der Gemeinde Bruck.
Zusammen mit ihren Nachbarn schlossen sie sich zu einer Betreibergesellschaft zusammen, der „Windenergie Osterkling GmbH & Co KG“ und investierten nach einem langwierigen Genehmigungsprozess in ihr eigenes Windrad. Obgleich es kritische Stimmen und auch einige Klagen gegeben habe, würden sie es immer wieder machen, unterstrich Zäuner.
8,42 Cent/kWh Einspeisevergütung
Der Abstand von der Turmmitte zum ersten Haus betrage nur 430 Meter. Der Schall sei dennoch „vernichtend gering“. Oft sei der Wind, der durch die Bäume fege, lauter als die Rotorblätter mit einem Durchmesser von 82 Metern. „Wenn ich nachts im Bett liege und bei starkem Ostwind das Windrad doch einmal wahrnehme, dann freue ich mich“, betonte der Geschäftsführer.
Denn die getriebelose Anlage erzeuge seit 2016 bei einer Leistung von 2,3 Megawatt bis zu 3,3 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr. Damit können etwa 1000 Haushalte, sprich die gesamte Gemeinde Bruck, mit Strom versorgt werden. Die Gesamtinvestition betrug 3,7 Millionen Euro, die Einspeisevergütung liege bei 8,42 Cent/kWh. „Damit kommen wir gut zurecht“, lautete das Fazit Zäuners.
Anzahl und Größe der Windräder in Kienberg noch völlig unklar
Die Fragen und Anliegen der Bürger rund um die riesigen Beton-Räder der Zukunft waren vielschichtig - von der Dimension des Rads zu Abstandsregeln und Ausgleichsflächen über Kosten und Nutzen der Betreibergesellschaft bis zur Amortisierungszeit. Bedenken in Bezug auf das schädliche Treibhausgas „SF6“ seien unbegründet, denn laut Stinauer gebe es ausreichend Alternativen wie luftisolierte Anlagen.
Einspeisepunkte seien zu wenige vorhanden und der Netzausbau müsse zunächst vorangetrieben werden. „Viele Projekte gehen den Bach runter, wegen Überlastung“, mahnte ein Bürger.
Zudem sei Kienberg dank Biogas und PV-Anlagen bereits autark und eigenständig, produziere rund 400 Prozent Eigenstrom. „Wir sind fortschrittlich genug, da frage ich mich ernsthaft, ob wir uns das mit den Rädern antun müssen“, warf ein Kienberger in die Runde und verwies damit auf die Arbeit der „Bürgerenergie Kienberg eG“.
Moderne Anlagen auch bei unter fünf Metern pro Sekunde Windstärke
Ein weiterer Gesichtspunkt: Weht überhaupt genügend Wind? Schließlich sei Bayern „windschwach“ und ein Rad mitnichten ein „Ding zum Gelddrucken“, warnte ein anderer Bürger. Das Windkraftprojekt der drei Kommunen Palling, Traunreut und Trostberg im Siebeneichenforst sei schließlich trotz Windkümmerer wieder eingestampft worden.
Die Antwort Hubers: „Neue Windkraftanlagen laufen überdies auch schon bei einer Windgeschwindigkeit von unter fünf Metern pro Sekunde. Ob jemand investieren möchte, ist jedem selbst überlassen. Ich persönlich habe seit 1999 PV-Anlagen auf dem Dach und mir wurde mehr als einmal gesagt, das sei unrentabel. Inzwischen habe ich aufgerüstet.“
Ob die Donnerlöcher in der Region kein triftiger Grund gegen ein Windkraftprojekt im Bereich Kienberg seien, wollte eine junge Frau wissen. Die Frage konnte Huber an diesem Abend nicht beantworten, ein fester Untergrund sei jedoch unabdingbar und daher könne das durchaus ein K.-o.-Kriterium darstellen. Jene und weitere Fragen müssten in naher Zukunft noch geklärt werden.
Windenergie in Kienberg - die Hintergründe:
Der Landkreis Traunstein hat nach einer Untersuchung mit Messungen insgesamt zwölf Windvorranggebiete nach dem Regionalplan 18 festgelegt, eines davon zwischen Viehhausen und Kienberg, das Vorranggebiet 51. Konkret geht es um Windräder im Frecher und Hundsöder Forst.
2022 hat die Ampel-Regierung die vom damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer im Jahr 2013 ins Leben gerufene 10H-Regel gekippt. Damit seien dem Bündnis zufolge die Bedingungen, Windräder in der Region zu verwirklichen, leichter geworden.
Windräder in Kienberg: Zukunftsmusik oder reale Alternative?
Der Ausbau von Windenergie könnte nun wieder Fahrt aufnehmen. Im Zweifelsfall könne das Einvernehmen der Gemeinde vom Landratsamt ersetzt und das Vorranggebiet privilegiert werden. Dies, so drückte es Bürgermeister Schmidhuber auf die Frage eines Bürgers aus, hätte mit Demokratie dann allerdings nicht mehr viel zu tun.
So lautet die zentrale Frage des Abends: „Werden Windvorranggebiete eines Tages wirklich mit Windrädern bebaut?“ Dies konnte auf die Schnelle niemand beantworten.
Fest steht allerdings, so betonten es die Veranstalter am Ende: „Wenn die beteiligten Gemeinden und der überwiegende Teil der Bevölkerung kein Windrad möchte, wird auch keins gebaut.“
mb



