Ticker: Der 23. Verhandlungstag im Hanna-Prozess
Spielte Sebastian T. zur Tatzeit am Handy? Datenforensiker wertet Handy-Daten des Angeklagten aus
Der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Hanna W. (†23) wird fortgesetzt, und es geht erneut um die Auswertungen von Handydaten. Laut seinen Verteidigern soll Sebastian T. (22) um den Tatzeitpunkt nämlich „Clash of Clans“ gespielt haben.
Update, 16.48 Uhr – Spielte Sebastian T. zur Tatzeit „Clash of Clans“?
Nun soll der Datenforensiker vom Landeskriminalamt zum Handy des Angeklagten aussagen: Spielte Sebastian T. zur Tatzeit „Clash of Clans“? Der Datenforensiker sagt, dass er anhand der vorliegenden Daten keine Aussage dazu treffen könne. Für den 3.10. liege im Zeitfenster zwischen 2 und 4 Uhr nur ein Eintrag zu den Vordergrund- und einer zu den Hintergrundaktivitäten der App vor. Aus diesen könnten aber keine Rückschlüsse gezogen werden, wann oder wie lange das Spiel, und wie es aktiv benutzt wurde.
Es sei abzulesen, dass das Handy zum Zeitpunkt der Einträge per WLAN mit einem Router verbunden war. Dafür sei keine Aktion durch den Nutzer erforderlich, wenn die Verbindung bereits am Gerät abgespeichert war. Ob es sich bei dem fraglichen Router um den der Familie T. handelte, könne untersucht werden. Bei einer früheren Sicherung der Daten des besagten Routers war aber festgestellt worden, dass durch mehrmaliges Ein- und Abstecken des Netzkabels alle Einträge vor dem 27. Oktober 2022 unwiederbringlich gelöscht worden waren.
Einen Beweis für die mögliche Unschuld des Angeklagten konnten die Analysen des Datenforensikers also nicht erbringen. So wird der Zeuge schließlich entlassen und die Verhandlung unterbrochen. Am 11. Januar wird der Prozess um 9 Uhr fortgesetzt. Dann wird der Richter im Verfahren gegen den Mitgefangenen Sebastian T. aussagen.
Update, 16.25 Uhr – Forensiker zu den letzten Aktionen an Hannas Smartphone
Dann wird ein Datenforensiker vom Landeskriminalamt München in den Zeugenstand gerufen. Die Kammer hatte ihn schon einmal zu den Handys des Angeklagten und des Opfers vernommen und in den vergangenen Verhandlungstagen viele Fragen an den Experten gesammelt. Unter anderem geht es darum zu klären, wie es zu den letzten Aktionen auf dem Handy von Hanna W. gekommen sein könnte, und ob der Angeklagte zum Tatzeitpunkt tatsächlich „Clash of Clans“ auf seinem Smartphone spielte, wie die Verteidigung vorgab.
Zuerst soll geklärt werden, ob Hannas Handy auch im Wasser entsperrt, oder durch eine Pflanze ein Anruf ausgelöst werden hätte können. Auch wenn das recht unwahrscheinlich klingt – in diesem Verfahren ist nichts unmöglich, und auch die Unschuldsvermutung gilt nach wie vor. Bekannt ist bisher nur, dass auf Hannas Smartphone am 3.10.22 um 2.31 Uhr die Nummer ihrer Eltern gewählt, aber keine Verbindung aufgebaut werden konnte. Doch wie wurde das Gerät entsperrt?
Laut dem Datenforensiker war auf Hannas Handy die Funktion „FaceID“ aktiviert. Diese sei aber um 0.09 Uhr zum letzten Mal verwendet worden, danach erfolgte nur noch ein erfolgloser Versuch. Die Nummer von Hannas Eltern war zwar als Notfallkontakt abgespeichert, dennoch habe der Anruf nur durch dreimaliges Tippen auf eine bestimmte Taste auf dem Display des Geräts ausgelöst werden können – oder noch komplizierter über das Adressbuch. „Die Pflanzentheorie ist also abwegig“, stellt Richterin Aßbichler fest. Auch ein Sturz habe einen derartigen „Notruf“ nicht auslösen können, da das Gerät über keine solche Funktion verfüge.
Update, 15.40 Uhr – Verteidigung will Mithäftling als Lügner darstellen
Der erste Verhandlungstag im neuen Jahr beginnt gleich mit der Ablehnung zweier Beweisanträge der Verteidigung: Sebastian T.’s Rechtsanwälte hatten ein hydrologisches Gutachten zur Klärung der Verletzungen an Hanna W.s Leichnam gefordert. Die Vorsitzende Richterin, Jacqueline Aßbichler, erklärt aber, dass der Antrag zurückgewiesen werden müsse, weil er inhaltlich falsch sei.
Das hydrologische Gutachten wurde zwar beauftragt, aber die inhaltliche Darstellung des Beweisantrags sei falsch. Die Verteidigung fordere, dass ein Hydromechaniker, der ein Studium im Bauingenieurwesen abgeschlossen habe, zur Klärung der Frage, wie die Verletzungen an Kopf und Schulterdächern der Toten entstanden seien, herangezogen werde. Dies sei jedoch nicht möglich, da für diese Fragestellung Rechtsmediziner zuständig seien.
Auch im Fall „Sedlmayr“ trug ein Mithäftling zur Klärung bei
Der zweite Beweisantrag wurde teilweise abgelehnt, so die Vorsitzende Richterin. In diesem ging es der Verteidigung darum, den Überraschungszeugen aus der Justizvollzugsanstalt Traunstein, der Sebastian T. (22) schwer belastet hatte, als unglaubwürdig darzustellen. In einer längeren Erklärung nimmt die Kammer dazu Stellung und erklärt, dass Aussagen der Verteidigung, „dass Mithäftlinge in so gut wie jedem Verfahren mit angeblichen Geständnissen der Angeklagten herangezogen werden“, diese Behauptung sei nicht belegbar und haltlos. „Unter anderem führten die Aussagen von Mithäftlingen auch zur Aufklärung eines Mordes, beispielsweise im Fall Walter Sedlmayr.
Es sei richtig, dass der Mithäftling von Sebastian T. in einem Verfahren gegen seine eigene Mutter falsche Angaben gemacht habe. Da er sich aber auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hätte können und familieninterne Konflikte vorlagen, kann die Kammer daraus nicht schließen, dass es sich bei dem Zeugen um einen notorischen Lügner handle. Die Vernehmung der Gefängnispsychologin des Mithäftlings wurde abgelehnt, weil keine Schweigepflichtsentbindung vorliege. Dagegen soll der Richter des Verfahrens am 11. Januar geladen werden.
Erstmeldung:
Traunstein – Das Jahr 2024 beginnt und der Mordprozess gegen Sebastian T. (22) geht weiter: Noch immer beschäftigt sich die Zweite Jugendkammer am Landgericht Traunstein mit der Auswertung von Handydaten. Wo war der mutmaßliche Mörder zum Zeitpunkt des gewaltsamen Todes von Hanna W. (†23) und was genau machte er? Nachdem die Verteidigung davon ausgeht, dass der Angeklagte nach seiner nächtlichen Jogging-Runde auf seinem Handy „Clash of Clans“ spielte, sollen Datenforensiker sein Smartphone erneut unter die Lupe nehmen.
97 Prozent der Internetverläufe Pornoseiten
Erst Mitte Dezember waren die vom Angeklagten besuchten Internetseiten Thema gewesen. Es wurde festgestellt, dass 97 Prozent der Internetseiten Pornoinhalte zeigten, und bei seiner Suche im Netz verwendete Sebastian T. Begriffe wie „Vergewaltigung“, „Kidnapper“ und „gezwungen zum Sex“. Auch ein Gewaltvideo mit großer Ähnlichkeit zur vorgeworfenen Tat wurde entdeckt: Die Aufnahmen zeigten einen maskierten Täter, der ein junges Mädchen stranguliert und am Ende ihren reglosen Körper missbraucht.
Kurz vor dem 3. Oktober habe Sebastian T. noch häufiger nach Begriffen wie „brutal“ oder „stranguliert“ gesucht, sagte damals ein Zeuge. Auch in den aufgerufenen Internetseiten sei es häufiger um Zwang gegangen. So tauchte das Wort „gezwungen“ ganze 291 Mal in den protokollierten Inhalten auf. Der Aufruf einer Homepage mit dem Titel „Lost Shorts“ ließ einen Kripo-Beamten aufhorchen: Er stellte einen Zusammenhang mit der zerrissenen Hose von Hanna W. her. Tatsächlich handelt es sich bei lostshorts.com um eine Pornoseite, die sexuelle Fantasien zum Thema „Sex mit diversen Familienmitgliedern“ bedient.
Was bisher bekannt ist
Hanna W. (†23) machte sich am 3. Oktober 2022 um 2.26 Uhr auf ihren 885 Meter langen Heimweg vom Club Eiskeller in Aschau. Um 2.31 Uhr soll die Medizinstudentin noch versucht haben, ihre Eltern anzurufen, kurz danach – um 2.33. Uhr – befand ihr Handy sich wohl im Bärbach. Der Leichnam der jungen Frau wurde 12 Stunden später bei Kaltenbach/Prien in der Prien gefunden. Sie war lediglich mit Unterwäsche, Oberteil und Turnschuhen bekleidet. Hannas Ring wurde später im Bärbach, ihre Jacke, Hose und das Smartphone in der Prien gefunden. An Hannas Leichnam wurden diverse Verletzungen festgestellt, darunter mehrere tiefe Wunden am Kopf und Strangulationsmale im Hals-Nacken-Bereich. Am außergewöhnlichsten ist laut Rechtsmedizin der symmetrische Bruch beider Schulterdächer. Als Todesursache wurde Ertrinken festgestellt.