Seit 1000 Jahren verschollen
Sensationsfund aus den Tiefen der Zeit: Starten jetzt Ausgrabungen auf der Fraueninsel?
1000 Jahre im Dornröschenschlaf: Unter den Fundamenten der vermeintlichen Kirche St. Martin wurde von Geophysikern der Grundriss eines bislang nicht dokumentierten Gebäudes entdeckt. Wie sich der historische Fund einordnen lässt, welche Folgen er für den Tourismus haben könnte und ob auf der Fraueninsel bald eine Ausgrabungsstätte sein wird.
Von: Michael Bartel und Manuel Hinmüller
Fraueninsel – Ein vergessenes Geldstück in der Hosentasche oder der 20-Euro-Schein in der Skijacke von der letzten Saison. Die Freude ist groß, wenn man etwas findet, nach dem man nicht gesucht hat. So dürfte sich das Team des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege gefühlt haben, als sie auf der Fraueninsel unerwartet die Grundmauern eines Zentralbaus ausmachen konnten, der bisher nicht überliefert war.
Fundamente der Kirche St. Martin gesucht
Eigentlich suchte das Forscherteam nach den Fundamenten der Kirche St. Martin, die zu dem Kloster Frauenwörth auf der Fraueninsel gehörte. Diese „Laienkirche“, wie sie von Seiten des Klosters bezeichnet wird, befand sich auf dem höchsten Teil der Insel und wurde im Zuge der Säkularisation abgerissen. Bereits vergangenen Sommer fanden Untersuchungen statt, um den genauen Standort der Kirche zu bestimmen.
Mittels Radarmessungen stießen die Geophysiker auf ein Fundament, dessen Grundriss mit anderen historischen Aufzeichnungen der Kirche St. Martin übereinstimmt. Bei der Auswertung der aufgenommenen Radardaten trat allerdings eine Überraschung zutage: Keine 20 Zentimeter unterhalb des Fundaments, in etwa einem Meter Tiefe, entdeckten die Forscher einen weiteren, noch älteren Bau. Dessen Grundmauern „ließen einen oktogonalen Zentralbau mit einem durch acht Stützen gebildeten Umgang und vier kreuzförmig angeordneten Anbauten erkennen“, teilte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) mit.
„Der Fund hier auf der Fraueninsel ist einmalig“
Mathias Pfeil, Generalkonservator des BLfD, ordnete den Fund als Zentralbau der vorromanischen und romanischen Sakralarchitektur ein. Zentralbauten dieser Art besitzen eine individuell gestaltete Bauform, „die oftmals in der Nachfolge der Pfalzkapelle zu Aachen oder als Imitation der Grabeskirche in Jerusalem gedeutet wird“, so Pfeil. In Bayern seien oktogonale Zentralbauten mit innerem Säulenumgang bislang lediglich mit St. Andreas in Bamberg um 1050 und St. Gallus in Würzburg um 1130 archäologisch nachgewiesen. „Der Fund hier auf der Fraueninsel ist einmalig“, berichtet Pfeil begeistert.
Wie sich der Fund historisch einordnen lässt, wird derzeit spekuliert. Ein Zusammenhang zur Seligen Irmgard wird vermutet, da zeitgleich zur Öffnung ihres Grabes auf Frauenwörth zu Beginn des 11. Jahrhunderts ein grundlegender Klosterneubau errichtet wurde. In diesem Zusammenhang könnte ein Gebäude in Erinnerung an die Selige als Ziel für Pilger entstanden sein. „Es ist sicherlich ein Memorialbau. Und es ist mit dem inneren Säulenumgang und der Form auf jeden Fall etwas, was auf Wirkung bedacht war“, erklärt Mathias Pfeil.
Sterbliche Überreste der Seligen bereits identifiziert
Wie ein Sprecher der Erzdiözese München und Freising auf Nachfrage erklärt, befinden sich die Gebeine der Seligen Irmgard in der Klosterkirche. Die sterblichen Überreste seien auch anhand von DNA-Prüfungen identifiziert worden. Somit werde nicht davon ausgegangen, dass der jüngste Fundort eine neue Pilgerstätte werden könne. „Das Grab und eine Pilgerstätte gibt es ja sozusagen schon in der Klosterkirche“, betont der Sprecher.
Der Fund könnte allerdings trotzdem aus touristischer Sicht viele Vorteile mit sich bringen, meint Christina Pfaffinger, Geschäftsführerin des Chiemsee-Alpenland Tourismus auf Nachfrage der Chiemgau Zeitung. „Durch den Fund können wir ganz andere Besuchergruppen erreichen, zum Beispiel kulturaffine Gäste.“ Auch wenn es sich nachweislich nicht um die Ruhestätte der Seligen Irmengard handelt, werde der Fund neue Besuchergruppen anlocken. Wichtig sei aber, dass die Stelle erkennbar gemacht wird und die Leute müssen dann auch umfassend über die Grabungen und den Fund informiert werden.
Erstmal bepflanzen statt ausgraben
Der Grundriss des Memorialbaus soll im Sommer durch eine Blumen-Bepflanzung visualisiert werden, sagt Armin Krämer, Bürgermeister der Gemeinde Chiemsee. An derselben Stelle, an der jetzt die Fundamente vergangener Jahrhunderte entdeckt wurden, wurde letztes Jahr ein Zeichen für den Frieden gesetzt: 30 Meter Durchmesser und insgesamt 130 Quadratmeter Blumenwiese – so groß war das gut erkennbare Peace-Zeichen von Frauenwörth. „Genau in der Mitte des Friedenszeichens ist der neue Fund“, so Krämer. Dieser Fleck sei noch „total unberührt“, da hier weder Kabel noch Leitungen durch die Erde gehen. Ob künftig Ausgrabungen kommen, steht bisher noch nicht fest. „Also letztlich ist das Belassen im Boden die beste Möglichkeit, nichts zu zerstören“, sagt Mathias Pfeil, „aber wenn man mehr wissen will, wird das sicherlich im Rahmen einer wissenschaftlichen Grabung erfolgen.“

