Die Letzten ihrer Art: Inseltöpferei Klampfleuthner
300 Jahre von Vater zu Sohn weitergegeben: Jetzt übernimmt eine Frau den Traditionsbetrieb
Schwere Zeiten machen auch vor der Traditionstöpferei Klampfleuthner auf der Fraueninsel nicht halt. Gestiegene Kosten, dringend gesuchte Mitarbeiter, ein Meister, der sich dem Rentenalter nähert. Jetzt schlägt der Betrieb neue Wege ein.
Frauenchiemsee – Es ist ein verschlafener Vormittag im Februar am Hafen des Chiemseeufers in Prien. Die Stege sind noch feucht vom nächtlichen Regen, doch die Sonne bricht bereits vereinzelt durch die lichter werdenden Wolken. Der Wind steht sanft auf Nordwest und trägt keine Geräusche der fernen Autobahn übers Wasser. Nur die vereinzelten Schreie der Möwen und das Plätschern der kleinen Wellen gegen die Anlegestelle und die Schiffe dominieren die Geräuschkulisse.
„Rhabarber-Barbara“, ruft eine Frau, die mit ihren beiden Kindern einen Pier betritt und meint damit das Schiff, das am Ende des Stegs Nummer vier auf sie wartet. Die MS „Barbara“ ist eines von 13 Passagierschiffen der Flotte der Chiemsee-Schifffahrt und kann bis zu 395 Personen transportieren. Bei der Abfahrt an diesem Donnerstagvormittag sind es keine zehn. Der Duft der anlaufenden Dieselmaschine der Fähre ersetzt die fehlende Prise Salz in der Luft, um sich ganz an einem Hafen am Meer zu fühlen. Etwa eine halbe Stunde dauert die Überfahrt zur Fraueninsel.
„Noch ist die Insel im Winterschlaf“, sagt Georg Klampfleuthner von der Inseltöpferei auf Frauenchiemsee. Vor seiner Werkstatt stehen die Holzmöbel der Terrasse gegen ein Fenster gelehnt und verbergen dem Keramikermeister den direkten Blick auf den Chiemsee. „Sobald das Wetter schlecht ist oder auch jetzt im Winter, ist niemand da, und das geht so über Wochen und Monate“, berichtet der Ladenbesitzer. Bis zum frühen Nachmittag sind die einzigen Besucher der Werkstatt der Postbote Wolfgang und eine Frau, die sich in der Töpferei nach einer Ferienwohnung erkundigt.
Keramikbetrieb sucht Mitarbeiter
Trotzdem ist die Auftragslage für den Betrieb gut. Doch der Keramiker möchte sich bald aus dem täglichen Betrieb zurückziehen und denkt an den Ruhestand. Seit geraumer Zeit ist die Inseltöpferei auf der Suche nach einem weiteren Mitarbeiter. Bisher jedoch vergebens. An Anfragen für Praktika mangele es nicht, „aber eigentlich suchen wir schon jemanden, der ein Teammitglied werden möchte bei uns“, meint Georg Klampfleuthner. „Am besten mit Ausbildung oder einschlägiger Erfahrung im Bereich Keramik.“
Die Werkstatt als Töpferwerkstatt existiert seit 1609 und wurde vom Kloster Frauenwörth, dessen Gelände etwa ein Drittel der kleinen Insel einnimmt, initiiert. 1723 wurde die Töpferei von der Familie Klampfleuthner übernommen und ist seither in Familienbesitz. Eine Zeit lang schien es so, als würde mit Georg die Klampfleuthner-Linie des Traditionsbetriebs nach über drei Jahrhunderten enden. Bis zu einem Telefonat.
Sieben Tage die Woche Arbeit
„Mein Vater hat mich angerufen und gesagt, ja, es ist schon langsam an der Zeit, dass er mal über die Rente nachdenkt“, erinnert sich Sophia Klampfleuthner. Keramiker sei ein anstrengender Beruf, „einfach von den Massen an Ton, die man bewegt“. Im Winter merke man davon nicht so viel, aber die mentale Belastung im Sommer sei ebenfalls nicht zu unterschätzen, denn dann werde sieben Tage die Woche gearbeitet. „Ich habe am Telefon gesagt: ‚Okay, bevor du aufhörst, komme ich nochmal und probiere es aus‘“, sagt Sophia Klampfleuthner mit einem Lächeln.
Die 30-Jährige hatte für zehn Jahre die Insel verlassen, ihren Master in Kulturwissenschaft gemacht und in Regensburg, Washington D.C. und Hamburg gewohnt und gearbeitet. „Rauskommen war für mich elementar“, erzählt die Kulturwissenschaftlerin. Sie wollte ihre Persönlichkeit definieren, „frei davon, dass jemand meinen Nachnamen kennt und mich fragt, ob ich die Töpferei mal weitermache.“ Diese Freiheit sei von ihrem Elternhaus auch immer unterstützt worden: „Dadurch bin ich auch gern wieder heimgekommen.“
Jetzt hat sie sich entschlossen, wieder die Schulbank zu drücken und macht seit September vergangenen Jahres die duale Ausbildung als Keramikerin in Landshut und bei ihrem Vater. „Papa wollte nie, dass ich bei ihm lerne, und ich wollte auch nie bei ihm lernen“, lacht die Auszubildende und blickt zu ihrem Vater, der an der Werkbank steht und eine Kachel formt. „Wenn die Bandbreite der Möglichkeiten mit Keramik ein Meter ist, dann machen wir einen halben Zentimeter davon“, sagt Georg Klampfleuthner. Deshalb sei es wichtig, Erfahrungen in anderen Betrieben zu sammeln.
Keine Meisterpflicht im Töpferhandwerk
Da es aber keine Meisterpflicht mehr für das Töpferhandwerk gibt, sei es für seine Tochter schwierig gewesen, einen anderen Keramik-Betrieb zu finden, der ihr gefalle und auch ausbilde. Außerdem wollte Sophia Klampfleuthner ihren Vater unterstützen und den Familienbetrieb mitgestalten. „Sophia ist unglaublich kreativ. Sie hat wirklich ein gutes Auge für Details und für Proportionen“, schwärmt Klampfleuthner Senior, „das sind so Dinge, die du eigentlich nicht lernen kannst. Und alles andere kann sie sich aneignen.“
Dass Vater und Tochter ein gutes Team sind, macht sich bereits im Gespräch mit den beiden bemerkbar: Wenn sie mit Begeisterung über ihr Handwerk erzählen, führen sie die Sätze des anderen zu Ende, ohne sich dabei ins Wort zu fallen. Ganz wie sie ihre gemeinsame Arbeit in der Werkstatt beschreiben: „Jeder Handgriff geht ineinander über. Keiner macht eine Sache allein, und jedes Teil ist mindestens von zwei Leuten angefasst worden, bis es fertig ist.“
Der Familienbetrieb stellt neben Gebrauchskeramik und Fliesen auch Kachelöfen her. Dazu können sie auch auf traditionelle Formen zurückgreifen, die noch auf die Zeit zurückgehen, bevor die Klampfleuthners die Töpferei übernahmen und demnach mehr als 300 Jahre alt sind. Etwa zehn Kachelöfen fertigt der Betrieb im Jahr, und so manches Projekt bringt die Augen des Meisters zum Leuchten, wie etwa ein Ofen, der als rosa-roter Kubus aus einem Naturstein wachsen soll. „Man ist einfach die ganze Zeit am Entwickeln und am Neudenken. Und das macht einfach schon Spaß“, meint Sophia Klampfleuthner.
Ab Herbst Kurse zum Töpfern
„Ja, die Zeit geht auch an einem Traditionsbetrieb nicht vorbei“, sagt der Keramikermeister: „Wir machen heute andere Sachen als früher.“ Um am Puls der Zeit zu bleiben, „muss sich etwas ändern.“ So sei in den 70er und 80er Jahren noch ein Großteil der Keramik bemalt worden, während die Kundschaft heute einfarbige Glasuren schätze. Auch selber zu töpfern ist in Mode gekommen, deshalb plant die Inseltöpferei, bis zum Herbst Kurse anbieten zu können.
Gestiegene Energiekosten setzen einem kleinen Betrieb mit Elektro-Brennöfen zu, und die Lage auf einer Insel mache den Transport von Rohstoffen kostenintensiv. „Es ist schon eine spannende Phase, in der man steckt. Aber wir sind auf einem guten Weg, glaube ich“, sagt Sophia Klampfleuthner. Sie ist fest entschlossen, den Betrieb ihres Vaters zu übernehmen: „Wenn alles gut läuft, wird die Töpferei bald das erste Mal von einer Frau geführt – seit 1609.“
Gekommen, um zu bleiben
Obwohl sie zurückgekommen ist, um zu bleiben, sei es wichtig, immer wieder mal von der Insel herunterzukommen, „sonst kommt der Inselkoller.“ Die Fraueninsel hat 248 Einwohner, eine Größe von 15,5 ha, eine Handvoll Berufsfischer und lässt sich in weniger als 30 Minuten zu Fuß umrunden. Zur vollen Stunde bringt „Rhabarber-Barbara“ die wenigen Winterbesucher wieder aufs Festland zurück.
Haben Sie einen Traditionsbetrieb, der ebenfalls wie die Inseltöpferei der „letzte seiner Art“ sein könnte? Dann schicken Sie uns Ihre kurze Geschichte an michael.bartel@ovbmedia.de. Mit der Einsendung erteilen Sie die Erlaubnis, dass wir Ihre Geschichte gegebenenfalls veröffentlichen und Sie, wenn nötig, kontaktieren dürfen.









