Geldregen in Kolbermoor und Kirchseeon
Null Bock auf Millionen oder Angst vor Bürgern? Darum sind feste Blitzer Mangelware in der Region
Über 1,5 Millionen Euro hat Kolbermoor in nur 21 Monaten mit seinem stationären Blitzer eingenommen, Kirchseeon in einem Jahr auch über eine Million und die Verkehrssicherheit hat sich auch verbessert. Warum gibt es trotzdem in ganz Bayern nur eine Handvoll gemeindliche Radarfallen, in Baden-Württemberg aber weit über 1000? Bürgermeister der Region packen aus.
Landkreis Traunstein/Landkreis Rosenheim – In Kirchseeon denken sie darüber nach, den Geldregen von über einer Millionen Euro für die Sanierung des Hallenbads zu nutzen. Kolbermoor baut mit seinen 1,5 Millionen Euro in 21 Monaten zum Beispiel eine Fahrradstraße aus. Das viele Geld kommt von jeweils einem stationären Blitzer, den beide Gemeinden aufgestellt haben. Und sind der nette Nebeneffekt davon, dass weniger gerast und die Verkehrssicherheit erhöht wird.
Man könnte jetzt vermuten, dass sich andere Gemeinden der Region darum reißen, auch Radarfallen aufzustellen, mit denen sich die Sicherheit der Bürger erhöhen und gleichzeitig das Stadtsäckel füllen lässt. Doch weit gefehlt: In ganz Bayern gibt es nur etwa ein Dutzend in Gemeinde-Hand, davon die genannten zwei als Beispiele im näheren Umland. Im benachbarten Baden-Württemberg dagegen weit über 1000.
Liegt das daran, dass viele bayerische Gemeinden von der erst seit 2020 für sie bestehenden Möglichkeit nichts wissen? Haben die Lokalpolitiker in unserer Region keinen Bock auf einen Geldregen oder sogar Angst vor dem Frust der Bürger?
„Keine Angst vor den Bürgern“
„Wir haben keine Angst vor den Bürgern“, sagt Schlechings Bürgermeister Sepp Loferer auf Anfrage des OVB mit einem Lächeln: „Mit so einem Blitzer triffst du ja keinen persönlich. Es ist eine Erziehungsmaßnahme für die, die zu schnell sind. Und wir machen das ja für unsere Mitmenschen, besonders für die kleinsten.“ Der Ortschef wüsste auch schon zwei Stellen an der viel befahrenen Durchgangsstraße am Ende des Achentals Richtung Österreich. Aber warum stehen die Blitzer dann noch nicht?
„Schau‘n mer mal -in diesem Fall ist die Mentalität der Bayern halt ein Nachteil. Auch ich sage als Bürgermeister, dass wir da zu spät wach geworden ist. Aber das wird bestimmt überall kommen“, glaubt Loferer. Dazu beitragen würden die größeren gesetzlichen Möglichkeiten für Gemeinden, Tempo 30 zu verhängen. Der Bürgermeister gibt außerdem zu, dass sich Schleching erstmal informieren müsste, was so ein stationärer Blitzer überhaupt kostet: „Vielleicht wird das künftig ja auch billiger, wenn es mehr machen und die Künstliche Intelligenz vielleicht die Abrechnung übernimmt.“
Anlage kostet über 100.000 Euro
In Kirchseeon hat die Anlage beispielsweise über 100.000 Euro gekostet, das ist eine ordentliche Investition. Dazu kommen Kosten für die Abwicklung der Strafbescheide bis zu den Mahnverfahren. Dafür bleiben aber auch die gesamten Knöllchen-Einnahmen bei der Gemeinde. So kann sich die Anschaffung in kürzester Zeit finanziell rentieren, wie die beiden Millionen-Beispiele beweisen.
In Sachen Verkehrssicherheit lohnen sich die permanent installierten Blitzer sowieso, wie das bayerische Verkehrsministerium mitteilt: Unfallschwerpunkte würden laut Statistik dadurch entschärft und Geschwindigkeitsverstöße weniger. Allerdings sei es nicht überall automatisch so, dass sich die Radarfallen auch dauerhaft finanziell rentieren. Vor allem in kleineren Gemeinden fehle das Fachpersonal und externe Firmen für die Abwicklung der Strafbescheide kosten viel Geld.
Die aktuellen Strafen bei Tempoverstößen innerorts
bis 10 km/h = 30 €
11 - 15 km/h = 50 €
16 - 20 km/h = 70 €
21 - 25 km/h = 115 €/1 Punkt in Flensburg
26 - 30 km/h = 180 €/1 Punkt in Flensburg
31 - 40 km/h = 260 €/2 Punkte in Flensburg/1 Monat Fahrverbot
41 - 50 km/ = 400 €/2 Punkte in Flensburg/1 Monat Fahrverbot
51 - 60 km/h = 560 €/2 Punkte in Flensburg/2 Monat3 Fahrverbot
61 - 70 km/ = h700 €/2 Punkte in Flensburg/3 Monate Fahrverbot
über 70 km/h = 800 €/2 Punkte in Flensburg/3 Monate Fahrverbot
Quelle: ADAC
Liegt es nur an der Autobahn?
Derlei Bedenken hat man auch im Ordnungsamt von Prien. Dort verweist man darauf, dass Kirchseeon und Kolbermoor an großen Verbindungsstraßen im Autobahn-Umfeld liegen. „Da fahren auch viele Fremde durch, die dann geblitzt werden. Nur für Anwohner lohnt sich das nicht, auch wegen der hohen Anschaffungskosten“, vermutet man am westlichen Chiemsee. Diese Einschätzung wird auch von Übersees Bürgermeister Herbert Strauch geteilt, obgleich seine Gemeinde direkt an der Autobahn liegt und bei Staus auf der A8 von vielen als Umgehung genutzt wird.
„Es stellt sich das Thema Wirtschaftlichkeit eines gemeindlichen Blitzers, vor allem aber die Frage, wie ich die Sicherheit wirklich wirkungsvoll erhöhen kann. Da finde ich flexiblere Blitzer-Lösungen besser – da können wir die Häufigkeit und Stellung selbst beeinflussen“, sagt Strauch dem OVB. Auch Prien setzt deshalb auf immer wieder wechselnde mobile Blitzer-Fallen. Dafür und für die Abwicklung der Fälle muss die Gemeinde eine Bearbeitungsgebühr an den Zweckverband zahlen. Am Ende blieb 2024 ein Plus von 82.000 Euro, wenn auch kein Millionen-Geldregen für die Gemeinde.
In Marquartstein halten sich die Blitzer-Ausgaben für den Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung und die Einnahmen aus den Knöllchen etwa die Waage. Auch Bürgermeister Andreas Scheck sieht das Problem, dass rasende Ortskundige nicht von einem fest intallierten Blitzer erfasst würden und sie „nach dem Bremsen am Gerät genau so schnell weiter fahren.“
Dennoch könnte ein gemeindlicher Blitzer nicht nur von der Einnahmen-Seite Sinn machen, denn auch Marquartstein leidet unter immer mehr (und häufig über dem Geschwindigkeits-Limit) fahrenden Verkehrsteilnehmern: „Auch wenn sie teuer in der Anschaffung sind, finde ich feste Blitzer nicht so ganz schlecht“, sagt Scheck dem OVB: „In Österreich ist das ja auch verbreitet, dort sind sie nicht immer eingeschaltet, das erhöht den Überraschungs-Effekt.“ Klingt alles so, als müssten sich Raser in der Region mittelfristig auf schwerere Zeiten einstellen.



