Hilfsaktion in Ghana
„Wenn keiner was macht, passiert gar nichts“: Drei Traunsteiner Urologen operieren in Ghana
Von einem undichten OP-Saal lässt sich Dr. Josef Schuhbeck aus Kammer nicht aufhalten. Zusammen mit zwei ehemaligen Teammitgliedern aus dem Traunsteiner Klinikum war Schuhbeck für den Verein „Die Ärzte für Afrika“ in Ghana. Dort operierte das Team. Schuhbeck will aber auch die Rahmenbedingungen vor Ort verbessern.
Traunstein – 60 Operationen an Prostata, Blase oder Harnröhre in zehn Tagen. Mehrere Tage Vorbereitung, Untersuchung der Patienten, Kontrolle und Nachsorge, den 7000-Kilometer-Flug nach Ghana und zurück aus eigener Tasche bezahlt. Insgesamt zweieinhalb Wochen weg von daheim. Das ist die Bilanz Dr. Josef Schuhbeck aus Kammer, der im März bereits zum siebten Mal in Ghana half. Er ist Mitglied im Verein „Die Ärzte für Afrika“ und unterstützt seit zehn Jahren die urologische Versorgung im westafrikanischen Staat.
Zusammen mit zwei Kollegen leitete er bis vergangenes Jahr die Urologische Abteilung am Klinikum Traunstein und versorgte mit seinem Team jährlich etwa 2000 Patienten. War er früher nur mit Ärzten aus anderen Teilen Deutschland unterwegs, so konnte er für die beiden letzten Hilfsreisen zwei junge Kollegen aus dem Klinikum Traunstein gewinnen: Dr. Mona Kerling (30), die hier als Assistenzärztin arbeitet, und den gleichaltrigen Urologen Dr. David Rangnick, der ebenfalls in Traunstein tätig war und jetzt im Krankenhaus Salzburg arbeitet. „Rangnick wie der Fußballtrainer?“, die Nachfrage, um den Namen richtig zu notierten. „Der ist sein Vater“, erwidert Dr. Schuhbeck schmunzelnd.
Zweimal im Jahr fliegt ein Ärzteteam des 2007 gegründeten Vereins „Die Ärzte für Afrika“ für etwa drei Wochen in eines der sechs Krankenhäuser, die man unterstützt. Die Vereinsmitglieder leisten so einen wertvollen Beitrag zur urologischen Versorgung der Menschen in Ghana. Dr. Josef Schuhbeck war im Herbst und jetzt im März mittlerweile zum siebten Mal dabei. Ziel war das St. Anthony’s Hospital in Dzodze. Das Krankenhaus wurde 1960 gegründet und hat 230 Betten. Nur drei Ärzte und vier Assistenzärzte stehen für die Versorgung der Patienten bereit.
Undichtes Dach: Überall tropft es von den Decken
Als Dr. Schuhbeck vergangenes Jahr Jahres dort operierte, war Regenzeit. „Im OP-Bereich standen etwa ein Dutzend Plastikeimer, die das von der Decke tropfende Regenwasser auffingen“, berichtet er. Folge des über alle Jahre wiederkehrenden Wassereintritts ist eine massive Schimmelbildung an den Decken. Der Traunsteiner Urologe bat darum, bis zu seinem nächsten Arbeitsbesuch im Frühjahr einen Kostenvoranschlag für die Dachsanierung vorzulegen. Den überreichte ihm ein hochrangiger Beamter jetzt höchstpersönlich: Endsumme: 140 000 Cedi – viel Geld für Ghana. Umgerechnet sind das etwa 9000 Euro.
Für einen Verein wie „Die Ärzte für Afrika“ mit gerade einmal 330 Mitgliedern, von denen die meisten ihre Arbeitseinsätze wie zum Beispiel den Flug selbst finanzieren, ist das Aufbringen solcher Beträge ein Kraftakt. Der Verein um Dr. Schuhbecker ist deshalb auch auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen, auch um besipielsweise die Reparatur des Daches leisten zu können. Um so ingesamt die urologische Versorgung in Ghana zu verbessern.
Dr. Schuhbeck versichert, dass kein Mitglied des Vereins für seine Arbeit bezahlt wird. Er bezahlt seine Flüge selber, den jungen Ärzten, die um der guten Sache Willen ihren Urlaub opfern, finanziert man zumindest den Flug. Eines ist Schuhbeck besonders wichtig: „Wir helfen nicht nur. Wir leisten auch wertvolle Hilfe zur Selbsthilfe.“ Die sieht unter anderem so aus, dass man den wenigen motivierten Ärzten in Ghana die nötigen Geräte und Hilfsmittel beschafft, damit sie ihre Arbeit mit Freude verrichten und nicht auf die Idee kommen, das Land zu verlassen und unter wesentlich besseren Bedingungen in Europa oder Amerika zu arbeiten. Früher haben die Europäer Afrikas Rohstoffe geplündert, jetzt werben wird die Elite abgeworben – Ausbeutung damals und heute
Spendeninformationen
Nicht nur das Dach des Krankenhauses muss saniert werden. Der Verein „Die Ärzte für Afrika“ möchte auch weiterhin die Urologen in Ghana unterstützen und ihnen Werkzeug für endoskopische Operationen zur Verfügung stellen. Das ist für sie eine Motivation, im Land zu bleiben und nicht, wie so viele qualifizierte Kräfte, nach Europa oder Amerika zu gehen und dort zu arbeiten. Wer diese Hilfe zur Selbsthilfe finanziell unterstützen will, kann seine Spende auf das Konto DE94 3006 0601 0007 7441 10, Stichwort „Neues Dach“ einzahlen. Spendenquittungen werden auf Anforderung gerne ausgestellt. Wer den Verein dauerhaft durch eine Mitgliedschaft unterstützen will (Jahresbeitrag 50 Euro schreibt an „Die Ärzte für Afrika e.V., Waldhof 1 in 36169 Rasdorf.
Im St. Anthony’s Hospital in Dzodze hat man es wie überall in Ghana nicht eilig. Zwischen den Operationen bleibt genug Zeit zur Erholung. Bis der OP-Saal desinfiziert und für den nächsten Eingriff vorbereitet ist, dauert es etwa eine dreiviertel Stunde. In Traunstein ist nach 20 Minuten wieder alles für den nächsten Patienten vorbereitet. „Man muss viel Geduld mitbringen und Teil des Teams werden. Nur so funktioniert es“, sagt Schuhbeck. „Die Patienten sind eine Schau“, schwärmt er.
Es gibt keine interkonfessionellen Probleme und alle sind stolz, wenn das Ärzteteam mit ihnen ein Foto macht. So entwickelt sich in kürzester Zeit ein freundschaftliches aber respektvolles Miteinander. Bindeglied im Team sind die „Physician Assistents“, die mehr Kompetenzen und Aufgaben haben als Pflegekräfte hierzulande. Sie sind auch bei der morgendlichen Visite dabei.
Schlüsselerlebnis 2011 in Mauretanien
Josef Schuhbeck hat neben seiner karitativen Arbeit auch schon mehrfach Urlaub auf dem afrikanischen Kontinent gemacht. Ein Schlüsselerlebnis, das letztlich ausschlaggebend für seine medizinische Unterstützung der Menschen in Ghana war, hatte er im Jahr 2011 in Mauretanien. Bei einer Reise durch die Sahara fuhr er auf einer Straße nahe eines großen Hafens, in dem Getreideimporte aus den USA und aus Europa angelandet wurden. Am Straßenrand saßen etwa alle 50 Meter Frauen mit kleinen Sieben.
Die füllten sie mit dem Sand und klaubten nach dem Sieben kleine Körner aus dem Sieb – Getreide, das durch die Ritzen der Ladeflächen der vorbeifahrenden Lkw auf den Boden fiel. „Diese unbeschreibliche Armut kann einen nicht kalt lassen“, sagt Schuhbeck. „Erst wenn man sich das alles angeschaut hat, kann man mitfühlen und mitreden. Und was wir hier als Mediziner tun, ist ein Zeichen für die Leute, dass nicht alle Weißen gleichgültig sind. Wenn keiner was macht, passiert gar nichts“, betont der Urologe.
Wer jetzt meint, die Behörden in Ghana würden die Arbeit der Ärzte aus Europa fördern und unterstützen, ist auf dem Holzweg. Viele bürokratische Hürden werden aufgebaut und selbst für die Einreise ins Land kassiert der Staat die Helfer ab: Die Visagebühren, 100 Euro, müssen alle voll bezahlen. Im Gespräch mit dem OVB erklärte Schuhbeck auch, warum er sich das alles antut: „Man wird gelassener, man lernt Dinge zu akzeptieren, schärft seine Persönlichkeit, kann hinter die Kulissen blicken und erlebt eine große Herzlichkeit.“
Ghana ist etwas kleiner ist als die alten deutschen Bundesländer zusammen und hat etwa 35 Millionen Einwohner. Von dem Verein „Die Ärzte für Afrika“ erfuhr er 2007 von einem Kollegen. In Ghana herrschte damals akuter Mangel an Urologen, denn von den wenigen Medizinern dieses Fachgebiets sind im Jahr 2006 vier bei der Heimfahrt von einem Ärztekongress in einem Pkw tödlich verunglückt. Daraufhin gründete sich der Verein.


