Vom Bundespräsidenten gewürdigt
Au-pair nur für junge Leute? Wie Kristin Emmerinck in Prien den Spieß umdrehte
Von der Bankerin zur Au-pair-Vermittlerin: Kristin Emmerinck hatte es sich in Prien zur Aufgabe gemacht, Senioren weltweit zu verbinden. Warum nach zehn Jahren Schluss damit war – und wie sie im Berchtesgadener Land ihr Glück fand.
Prien/Berchtesgadener Land – Nach der Schule entscheiden sich Absolventen gerne dafür, vor einem Studium oder dem Eintritt ins Berufsleben eine kurze Auszeit im Ausland zu verbringen. Doch vielen geht es nicht darum, einfach nur die freie Zeit zu genießen, sondern Erfahrungen zu sammeln. Zum Beispiel im Sinne von „Work & Travel“ oder auch als Au-pair.
Doch warum sollen das nur junge Leute machen? Das dachte sich auch Kristin Emmerinck. Sie ermöglichte Senioren, als Au-pair im Ausland zu arbeiten. Wie die Idee zustande kam? „Das hat persönliche Gründe aus meiner Kindheit“, sagt Emmerinck gegenüber der Redaktion.
Verein in Prien konnte Senioren weltweit vermitteln
Die gebürtige Hamburgerin ist ein Einzelkind und ihre Eltern hatten ihr nie gestattet, als Au-pair ins Ausland zu gehen. 2009 ging die gelernte Bankerin mit 62 Jahren in den Ruhestand und dachte sich: „Diese eine Rechnung ist noch offen und da lasse ich mich jetzt vom Alter sicher nicht abschrecken.“ Sie ging für drei Monate nach Paris. „Ich kam mir vor wie eine Studentin. Ich war bei einer französischen Familie untergebracht, in einem kleinen Zimmerchen“, sagt Emmerinck.
Während ihres Aufenthaltes unterstützte sie die Tochter der Familie beim Lernen für ihr Deutsch-Abitur. Die Familie kam ihr dafür bei den Kosten für Unterkunft und Verpflegung entgegen. Doch auch Emmerinck ging jeden Tag zur Schule. „Ich konnte ja überhaupt kein französisch, der Start war daher katastrophal“, sagt sie und lacht.
Als sie zurück in Deutschland war, zeigten sich die Leute begeistert von ihrem Vorhaben, „viele in meiner Altersgruppe sagten, dass sie das auch gerne machen wollen“. Somit war die Idee geboren, Senioren als Au-pair zu vermitteln. Emmerinck startete eine Umfrage bei Freunden, Bekannten und Passanten auf der Straße, um herauszufinden, ob die Leute ein solches Angebot annehmen würden.
Das Ergebnis: „Ich rannte damit offene Türen ein.“ Ebenfalls 2009 zog Emmerinck nach Prien, 2010 gründete sie dort den gemeinnützigen Verein „Madame Grand-Mère“ (dt.: Frau Großmutter). Das Konzept war dabei identisch mit den Au-pair-Vermittlungen für junge Menschen. Interessierte Senioren lassen sich zu Gastfamilien vermitteln. Dort wohnen sie, beaufsichtigen die Kinder, und dafür werden sie bei den Kosten für Aufenthalt, Verpflegung, Schule und Reisen unterstützt.
„Ich musste natürlich im Ausland Familien suchen, die sich beteiligen. Das war nicht einfach, aber es war sozusagen mein Baby und ich habe mich in die Arbeit richtig reingekniet.“ Mit Erfolg: Die Senioren konnten weltweit vermittelt werden. Überwiegend seien es ehemalige Lehrkräfte gewesen, die das Programm des Vereins nutzten. „Wir haben den Kontakt hergestellt zwischen den beiden Parteien, und die Kunden mussten dafür natürlich auch Gebühren zahlen.“ Sonst sei das Projekt nicht stemmbar gewesen.
Corona macht Vereinsarbeit in Prien nicht mehr möglich
Unterstützung bekam sie von Familienmitgliedern und Bekannten. „Jedes unserer sieben Vorstandsmitglieder des Vereins hatte seine eigene wichtige Funktion“, sagt Emmerinck. Und alle waren dabei ehrenamtlich tätig. Ein besonderes Engagement, das 2014 auch in besonderer Weise geehrt wurde. Im Rahmen eines zweitägigen Festes im Schloss Bellevue würdigte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck rund 4000 Bürger, die sich in herausragender Weise um das Gemeinwohl verdient gemacht haben. Auch Kristin Emmerinck.
2020 war mit „Madame Grand-Mère“ jedoch Schluss. Der Auslöser: die Corona-Pandemie, wie Emmerinck erklärt. „Es war nicht absehbar, wann man wieder reisen kann, und wie sich die Situation entwickeln wird. Und da steckt ja doch einiges an Zeit dahinter“. Das war allerdings noch kein Grund für Emmerinck, sich in den Ruhestand zu verabschieden. „Irgendwas habe ich immer gemacht“, sagt sie und lacht dabei. Zum Beispiel war sie beim Priener Ortsverein Bündnis 90/DIE GRÜNEN aktiv.
Im Berchtesgadener Land „angekommen“
Dann kam jedoch ein „wichtiges Ereignis für meine weitere Zukunft“, wie Emmerinck es bezeichnet. Ein Gespräch mit ihrer ältesten Tochter. „Sie guckte meine Unterlagen durch, die ich für meinen Todesfall dokumentiert habe“, sagt die Madame Grand-Mère Gründerin.
Ihre Tochter wollte wissen, ob sich ihre Mutter auch Gedanken über die Zeit davor gemacht hat. „Hatte ich aber nicht“, betont Emmerinck. Sie überlegte, wie sie die Zeit ihres Ruhestandes verbringen will, und vor allem auch wo. „Denn da kann ja auch noch viel Schwieriges auf mich zukommen.“ Sie testete verschiedene Einrichtungen für Betreutes Wohnen. Ihre Wahl fiel letztlich auf das gemeinnützige Senioren-Wohnstift Mozart in Ainring im Berchtesgadener Land. Dieses feiert heuer sein 50-jähriges Jubiläum.
Infobox Wohnstift Mozart:
Das Wohnstift Mozart ist in der Salzstraße 1, 83404 Ainring-Mitterfelden beheimatet. Den Seniorinnen und Senioren stehen dort Wohnungen von 31 bis 71 Quadratmetern zur Wahl. Auch ein Restaurant, Schwimmbad und eine Einkaufsmöglichkeit befinden sich im Haus.
Im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums findet am 1. Mai ein Maibaumaufstellen vor der Einrichtung statt (Ersatztermin 3. Mai), und am 10. Oktober ist ein Tag der offenen Tür geplant.
Weitere Infos unter www.wohnstift-mozart.de.
„Für mich war es wichtig, einen Ort zu finden, wo ich bis zur letzten Stunde wohnen kann und wo sich um mich gekümmert wird“, sagt Emmerinck. Das sei im Wohnstift Mozart möglich. In ihrer eigenen Wohnung könne sie sich jederzeit zurückziehen. Kontakte zu anderen Bewohnern finde sie bei Wanderungen oder Filmabenden, die dort vom Personal, aber auch Bewohnern veranstaltet werden. Ebenso lobt sie das Zusammenspiel von Bewohnern und Mitarbeitern. „Außerdem liebe ich die Berge“, sagt sie begeistert.
Seit März 2023 wohnt Emmerinck dort, und hat somit ihr Glück gefunden, wie sie mitteilt. „Ich bin angekommen, wie man so schön sagt.“
