Wenn das Konto dauernd im Minus ist
Wasserburger Schuldnerberater: So kommen Sie aus der Geld-Krise
Hohe Inflation, gestiegene Preise: Die Gefahr, dass immer mehr Menschen in die private Überschuldung rutschen, ist groß. Klaus Lanzinger, Berater bei der Caritas in Wasserburg, über die Gründe, vor denen kaum jemand gefeit ist, und Wege aus der Krise.
Wasserburg - Er berät Menschen, die sich von der Last der Schulden erdrückt fühlen und nicht mehr wissen, wie sie aus eigener Kraft wieder ein Plus auf dem Konto erreichen können: Diplom-Sozialpädagoge Klaus Lanzinger von der Caritas spricht im Interview mit der Wasserburger Zeitung über Wege aus der Misere - und welche Rolle das gute alte Haushaltsbuch spielt.
Vieles wird derzeit teurer, müssen Sie deshalb mehr Menschen beraten als früher?
Klaus Lanzinger: Nein, nicht gleich. Preissteigerungen, steigende Arbeitslosigkeit und Ähnlichesführen führen nicht unmittelbar zu einer höheren Nachfrage bei uns. Die Menschen versuchen in der Regel, die Probleme selbst zu regeln, sei es durch diverse Sparmaßnahmen, Verzicht auf geplante Anschaffungen oder auch einfach durch die Inanspruchnahme des Dispokredites.
Wie viele Menschen beraten Sie in Wasserburg im Jahr?
Lanzinger: Wir sind insgesamt sechs Kollegen und Kolleginnen bei der Caritas, die für die Bewohner des gesamten Landkreises Rosenheim zuständig sind. In meinen Bereich fallen die Stadt Wasserburg mit den umliegenden Gemeinden. 2022 wurden von mir 139 Personen persönlich, meist in mehrfachen Terminen, beraten. 29 wurden bis zur Insolvenzantragstellung begleitet. Hinzu kommen knapp 150 telefonische Kurzberatungen weiterer Ratsuchender.
Hat sich das Klientel der Ratsuchenden geändert?
Lanzinger: Ich arbeite seit vielen Jahren bei der Schuldnerberatung. Wesentliche Veränderungen kann ich nicht feststellen.
Was sind die Gründe, dass Menschen in die Überschuldung geraten und dafür, dass die Reserven nicht mehr reichen? Spielen da die gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise eine Rolle?
Lanzinger: Die Gründe, weshalb Menschen in die Überschuldung geraten, sind vielfältig: Krankheit, Arbeitslosigkeit, Trennung und Scheidung, Wegfall eines Einkommens wegen der Geburt eines Kindes und gescheiterte Selbständigkeiten sind hier wohl an erster Stelle zu nennen. Reserven für Notzeiten konnten von vielen Menschen aufgrund von dauerhaftem Niedrigeinkommen nie gebildet werden. Die nun stark gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise verschärfen natürlich die oft schon prekäre wirtschaftliche Lage.
Kann überzogener Konsum auch ein Grund sein? Versandhäuser und Online-Händler locken ja oft mit dem Kauf auf Raten. Ist das gefährlich?
Lanzinger: Es gibt sicher einzelne, die sich von Werbeslogans wie „Weihnachten kaufen-erst Ostern bezahlen“ zu unüberlegten Käufen von vielleicht auch nicht unbedingt benötigten Konsumartikeln verleiten lassen. Aber die Hauptursache von Überschuldung liegt meistens schon an den vorhin bereits genannten Ereignissen.
Was ist mit bargeldlosem Bezahlen? Könnte das zum Problem werden, weil man den Bezug zum Geld verlieren könnte?
Lanzinger: Die Gefahr besteht meiner Meinung nach tatsächlich. Solange man den Überblick über seine bargeldlosen Transaktionen behält, ist alles in Ordnung. Fehlt dieser Überblick, kommt es am Monatsende zum bösen Erwachen und das Konto rutscht ins Minus.
Verändert die Arbeit in der Schuldnerberatung Ihr eigenes Verhalten?
Lanzinger: Ich habe mit meiner Familie längere Zeit ein Haushaltsbuch geführt. Ich weiß daher relativ genau, wofür ich mein Geld ausgebe. Dadurch kann ich gezielt eine Haushaltsplanung durchführen und über eventuelle Investitionen oder Einsparungen entscheiden.
Und wenn man in die Schuldenfalle tappt, ab welchem Punkt sollte man sich von Ihnen beraten lassen?
Lanzinger: Wenn man merkt, dass das Einkommen nicht mehr ausreicht, um die fälligen Zahlungen zu leisten, Ratenzahlungen ins Stocken geraten oder dauerhaft der Dispokredit in Anspruch genommen werden muss.
Wie sieht die Beratung aus?
Lanzinger: Primär wird eine Einnahmen-Ausgabenanalyse durchgeführt. Wir prüfen zusammen mit den Betroffenen, ob Einnahmen gesteigert oder Ausgaben reduziert werden können und ob (ergänzende) Ansprüche auf Sozialleistungen bestehen. Anschließend werden Regulierungsmöglichkeiten eruiert. Das kann im Ergebnis zu einer Ratenzahlungs- oder Vergleichsvereinbarung führen oder aber, wenn es keine andere Lösung gibt, die Einleitung eines Privatinsolvenzverfahrens sein. Auch Fragen zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, zur Abgabe der Vermögensauskunft (früher Eidesstattliche Versicherung) sowie zum Pfändungsschutzkonto sind meist ein Thema.
Welche Tipps haben Sie, dass es gar nicht erst zu einer solchen Notlage kommt?
Lanzinger: Das Aufstellen eines Haushaltsplanes ist wohl das Wichtigste. Nur so kann ich abschätzen, ob ich mir die beabsichtigte Anschaffung oder geplante Finanzierungsrate auch realistisch leisten kann. Eine abgeschlossene Berufsausbildung hilft, das Risiko von Arbeitslosigkeit oder langfristigem Niedrigeinkommen und somit auch die Gefahr einer Überschuldung zu reduzieren. Aufgrund der schon genannten und zum Teil unbeeinflussbaren Lebensereignisse gibt es aber keinen hundertprozentigen Schutz vor einer wirtschaftlichen Notlage. Es kann im Grunde fast jeden treffen.
