Wasserburger Frühlingsfest: Von der Bank ins Bierzelt
Toms Passion Wiesnbedienung: Von „Trinkgeldbart“ und Masskrug-Power
Schlag auf Schlag wandern die Krüge an der Schank über den Tresen. 12 Mass auf einmal für zehn durstige Besucher an einem Biertisch - kein Problem für Tom Friesinger. Der Edlinger hat vor sechs Jahren seine Leidenschaft entdeckt: Wiesnbedienung.
Wasserburg am Inn - „Das ist für mich kein Job. Es ist eine Berufung, meine Passion“, erklärt Tom grinsend. „Man sieht es dem Kellner immer an, ob er voll hinter dem steht, was er tut. Viele bedienen wegen des Trinkgelds, die sind nicht selten nach nur einer Saison wieder verschwunden, weil sie fertig sind.“
Von der Bank ins Bierzelt
Ehrliche Worte von einem, der es wissen muss: Vor sechs Jahren hat Tom seinen Beruf als Banker an den Nagel gehängt. Raus aus dem Anzug, rein in die Tracht und schnurstracks ab ins Bierzelt.
„Mein Bruder hatte bereits Erfahrung als Wiesnbedienung auf dem Oktoberfest und ich redete bestimmt schon seit 20 Jahren davon, dass ich das auch unbedingt einmal probieren möchte“, erinnert sich Tom an seinen ersten Einsatz auf dem Münchner Oktoberfest.
Eines Tages hat er die Chance ergriffen - und Blut geleckt. „Ich habe das erste Mal bedient und sofort gewusst: Das ist genau das, was ich will. Damit bin ich glücklich.“ Das war 2018. Seitdem ist der 52-Jährige nicht mehr aus dem Festzelt wegzudenken.
„Am schönsten ist‘s, wenn es richtig voll ist.“
Er kann sich keine andere Tätigkeit mehr vorstellen - auch wenn es durchaus ein gewisses Risiko mit sich brachte, den finanziell gesicherten Banker-Beruf aufzugeben und komplett ohne gastronomische Vorkenntnisse als Kellner im Bierzelt einzusteigen. Doch er habe es „keinen einzigen Tag lang bereut“.
„Der Job macht so viel Spaß, wir sind wie eine große Familie“, betont Tom, dem es am liebsten ist, wenn viel los ist. Stress - für ihn ein Fremdwort: „Am schönsten ist‘s, wenn es richtig voll ist, die Stimmung kocht und wenn‘s an allen Ecken und Enden nach dem Kellner rufen, weil‘s an Durscht haben.“
Mit vollen Händen durch das Zelt zu wuseln, Tom könnte sich nichts Schöneres vorstellen. Dabei sei die richtige Technik ohnehin das A und O. Sechs Henkel in einer Hand und abstemmen an der Brust, das Gewicht um die 30 Kilogramm inbegriffen.
Unterschied zwischen München und Wasserburg
Wenn es nach ihm ginge, würde er noch mehr Festln zu finden sein, war heuer schon auf dem Nockherberg. Die Steinkrüge seien übrigens eine richtige Herausforderung: „Da sieht man den Inhalt nicht und muss direkt mitdenken“, sagt er mit einem breiten Grinsen.
Als Edlinger verbindet er mit dem Wasserburger Frühlingsfest freilich eine Art „Heimatgefühl“. Man kennt sich, trifft sich mit alten Bekannten auf einen Ratsch, es ist gemütlicher und uriger als auf dem Oktoberfest - und weitaus weniger stressig.
12 Mass stemmt er locker, 14 an der Zahl sind im Biergarten im Schottenhammel auf der Wiesn „ein bisserl wie Showlaufen“, erklärt Tom lachend. Genau wie sein „Trinkgeldbart“, der vor allem bei den amerikanischen Gästen zieht. „Great moustache“, bekommt er nicht selten zu hören.
Das Publikum: freilich international und bunt gemischt. „In München haben wir 16 Tage lang die ganze Welt zu Gast. Das gibt es in Wasserburg nicht.“
Tom, der „Tiger“
Was er an der Innstadt oder auch dem Attler Herbstfest schätzt, sind die Stammgäste - und das familiäre Miteinander mit den Kollegen, das im Gegensatz zur Großstadt nicht unter Konkurrenzdruck steht. Dennoch hat für Tom „jedes Festl seinen Reiz - auf seine individuelle Art und Weise“.
Seinen Spitznamen „Tiger“, der in einem blau umrandeten Lebkuchenherzerl auf seiner Weste prangt, hat Tom von seinem Mann bekommen. Die Gäste indes dürfen ihn nur so nennen, wenn das Trinkgeld stimmt, sagt er grinsend und ergänzt augenzwinkernd: „‘Tiger‘ sagen sie schon oft. Im Großen und Ganzen, denke ich, sind alle recht glücklich und zufrieden mit mir.“
mb