Auswirkungen auf forensische Psychiatrie in Wasserburg
Nach Flucht aus Straubinger Anstalt: Wie sicher ist das Inn-Salzach-Klinikum?
Vier Straftäter sind aus dem Bezirkskrankenhaus Straubing geflohen - inzwischen wurden zwei in Österreich gefasst, die übrigen sind noch auf der Flucht. Wir wollten wissen: Was bedeutet dieser Ausbruch für die Forensik im hiesigen Inn-Salzach-Klinikum im Wasserburger Ortsteil Gabersee? Und wie steht es um die Sicherheitsmaßnahmen in geschlossenen psychiatrischen Abteilungen?
Wasserburg am Inn - Allgemein werde begrifflich und inhaltlich zwischen einem Ausbruch und einer Entweichung nach Lockerungsmissbrauch unterschieden, erklärt Susanne Büllesbach von der Pressestelle des Bezirks Oberbayern als Träger des kbo-Inn-Salzach-Klinikums.
„Ausbrüche kommen extrem selten vor“
„Beispielsweise handelt es sich bei der Entweichung eines Forensik-Insassen des Bezirksklinikums Mainkofen vom 8. August diesen Jahres um einen Lockerungsmissbrauch: Der 24-Jährige war bei einem begleiteten Freigang aus dem Plattlinger Kino geflohen. Von Lockerungsmissbrauch sprechen wir auch, wenn ein Patient nach einem genehmigten Ausgang nicht oder sehr verspätet zurückkommt.“
Im Straubinger Fall, bei dem sich vier Patienten gewaltsam direkt aus der Klinik entfernt haben, handele es sich hingegen um einen Ausbruch.
„Ausbrüche kommen extrem selten vor“, betont Büllesbach. „Von Bedeutung ist dabei, dass die in Straubing entflohenen Personen Therapieabbrecher nach Paragraph 64 des Strafgesetzbuches sind. Sie haben den Ausbruch gemeinsam geplant.“
In der Wasserburger Forensik werden Therapieabbrecher isoliert, um zu verhindern, dass sie sich mit anderen Patienten absprechen und etwas Derartiges planen können.
Büllesbach erklärt in puncto Therapie in Kliniken für forensische Psychiatrie: „Obgleich die medikamentöse Behandlung eine wichtige Säule darstellt, steht vielmehr die intensive psychologische Betreuung im Mittelpunkt, darunter regelmäßige psychotherapeutische Gespräche durch Psychologen und Ärzte. Ebenso gibt es ein ergo- und kreativ-therapeutisches Angebot. Sport und Bewegung spielen eine wichtige Rolle. Alle Mitarbeiter und Berufsgruppen in der Forensik sind ausgebildet im Umgang mit psychisch kranken Menschen.“
Das Ziel: Die Symptome psychisch kranker Straftäter so weit zu bessern, dass sie für die Allgemeinheit keine Gefahr mehr darstellen und ein eigenständiges Leben wieder möglich ist. Der sogenannte Maßregelvollzug verfolgt die Absicht der „Besserung und Sicherung“. Resozialisierung ist der zentrale Aspekt.
Die Regelung der Lockerungsstufen:
Insofern sich eine Besserung einstellt, kann nach ärztlicher Beurteilung im Behandlungsverlauf auch Ausgang gewährt werden. In der Forensik spricht man von Lockerung: „Diese umfasst bestimmte Stufen, angefangen von begleitetem Ausgang auf dem Klinikgelände, bis hin zu unbegleitetem Ausgang - auch nach Hause.“
Diese Lockerungsentscheidungen werden gemeinsam mit allen Berufsgruppen für jeden Patienten regelmäßig in den Lockerungskonferenzen unter Einbeziehung aller wichtigen Behandlungsaspekte besprochen und vom Maßregelvollzugsleiter oder dessen Stellvertreter nach bestem Wissen und Gewissen gefällt.
„Wichtig ist zu wissen, dass Lockerung nach dem Strafgesetzbuch ausdrücklich vorgesehen und zu gewähren ist“, unterstreicht die Pressesprecherin. „Risikominimierung mittels durchgängiger Verwahrung ist demnach widerrechtlich und würde geahndet werden.“
Halten sich Patienten nicht an die Vorgaben, kehren beispielsweise verspätet zurück oder halten sich nicht an Anweisungen, spricht man von einem „Lockerungsmissbrauch“. Der führt in der Regel zur Rücknahme der Lockerung.
Die Frage nach den Sicherheitsmaßnahmen:
Selbstverständlich gebe es in Kliniken für forensische Psychiatrie laut Büllesbach „zahlreiche Sicherungs- und Schutzmaßnahmen, die auch das Klinikpersonal einschließen“.
Die forensischen Kliniken arbeiten sowohl intern als auch regional übergreifend zusammen und versuchen, aktuelle Ereignisse aufzugreifen, Prozesse kontinuierlich zu überprüfen und diese zu verbessern. Dabei besteht regelmäßiger Austausch mit dem Amt für Maßregelvollzug wie auch mit dem zuständigen Sozialministerium.
Hintergrund: Forensische Psychiatrie
Unter dem Begriff „Forensik“ werden Arbeitsgebiete zusammengefasst, in denen systematisch kriminelle Handlungen im Fokus stehen.
Forensikpatienten werden nach Paragraph 63 und 64 des Strafgesetzbuches unterschieden. Paragraph 64 betrifft suchtkranke Straftäter, die aufgrund von legalem oder illegalem Drogenkonsum zum Zeitpunkt der Tat nicht oder vermindert schuldfähig waren. Paragraph 63 betrifft Rechtsbrecher, die aufgrund einer psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt der Tat nicht oder vermindert schuldfähig waren.
Begeht jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (Paragraph 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (Paragraph 21), so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, sofern die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind.
Neuer Maßregelvollzugsbeirat im Inn-Salzach-Klinikum
Am 25. Juli fand die erste gemeinsame Sitzung des neu konstituierten Maßregelvollzugsbeirats am kbo-Inn-Salzach Klinikum statt. Die Maßregelvollzugsbeiräte stehen als Ansprechpartner zur Gestaltung des Vollzugs zur Verfügung und unterstützen die Leitung der Einrichtung durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge.
Vorsitzender ist CSU-Abgeordneter Sebastian Friesinger sowie stellvertretend Josef Lausch von den Freien Wählern. Weitere Mitglieder sind der ehemalige kbo-ISK-Geschäftsführer Dr. Theodor Danzl, der Wasserburger Bürgermeister Michael Kölbl, Barbara Schmitt vom Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. und der evangelische Pfarrer Dr. Richard Graupner aus Großkarolinenfeld.
„Der Maßregelvollzugsbeirat trifft sich regelmäßig, um aktuelle Entwicklungen zu besprechen und Maßnahmen zu optimieren. Wir freuen uns auf eine produktive Zusammenarbeit im Sinne der Sicherheit und des Wohlergehens unserer Patienten“, fasst es Professor Dr. Peter Zwanzger, Ärztlicher Direktor des Klinikums, zusammen. (mb)