Deutliche Worte in Edling
„Aus dem Ruder gelaufen“: Warum der „Rosi“-Chef vor dem Einsatz von Rufbussen warnt
Die Gemeinde Edling will ein Rufbus-System einführen – am liebsten im Stil von „Rosi“. Doch jetzt kommen warnende Stimmen, und das ausgerechnet vom Geschäftsführer der Rosenheimer Verkehrsgesellschaft, Oliver Kirchner. Das Ganze sei aus dem Ruder gelaufen. Wo genau liegt das Problem?
Edling – Ist ein Rufbus-System die Lösung für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in ländlichen Gemeinden wie Edling? Bisher war der Gemeinderat davon überzeugt. Angestoßen von einem Antrag durch die Unabhängige Bürgergemeinschaft (UBG) war das Gremium der Einführung eines On-Demand-Systems, im Stil von „Rosi“, stets positiv gegenüber gestanden. Das Prinzip dahinter: Die Busse fahren ohne festgelegten Fahrplan oder Route. Stattdessen bestellt ein Fahrgast den Bus und bestimmt Zeitpunkt, Abhol- und Zielort selbst. Andere Kunden, die ein ähnliches Ziel haben werden auf dem Weg eingesammelt. Eine gute Idee, fand der Gemeinderat bisher. In der jüngsten Sitzung gab es aber erste warnende Stimmen. Sie kamen von ungewöhnlicher Seite: Oliver Kirchner, Geschäftsführer der Rosenheimer Verkehrsgesellschaft (RoVG) und damit quasi Chef von „Rosi“, stand dem Gemeinderat Rede und Antwort.
„Wir müssen festhalten: Die Grundidee von Rosi war es, den Linienverkehr zu ergänzen und nicht zu ersetzen“, stellte Kirchner fest. Allerdings habe die Umsetzung dieser Idee nicht überall geklappt. „Es ist leider etwas aus dem Ruder gelaufen“, erklärte er. „Manche Kunden sehen Rosi als billiges Taxi.“ Statt wie ursprünglich geplant, „Rosi“ zu benutzen, um beispielsweise Lücken im Linienverkehr zu überbrücken, würden viele den Service bestellen, „bloß, um ein paar hundert Meter zu fahren“, ärgerte sich der Geschäftsführer. Das würde den ganzen Betrieb stören. Denn dadurch könnten die fünf Busse von „Rosi“ oft gar nicht in die Randgebiete vorstoßen. „Unsere Busse kommen gar nicht aus den Hauptorten wie Prien raus, weil sie dort so oft gebucht werden.“ Außerdem würden die Fahrzeuge viele Leerkilometer verzeichnen. „Wenn die Busse raus fahren, müssen sie oft sofort zurück ins Kerngebiet. Das kommt uns sehr, sehr teuer“, stellte Kirchner fest. Noch gebe es keine Abrechnung über die Kosten im ersten „Rosi“-Jahr. „Aber sie werden viel höher sein, als vorher gedacht.“
Dennoch wolle er „Rosi“ nicht schlecht reden. „Sie ist eine Bereicherung für den ÖPNV“, das stehe außer Frage. „Für eine Gemeinde wie Edling ist so ein On-Demand System auch viel leichter zu handhaben als für das Gebiet von Rosi, das immerhin elf Gemeinden umfasst und wo ein Fahrzeug auf drei Gemeinden kommt.“ Allerdings stehe fest: Der Ausbau von ÖPNV koste. „Die Frage ist, wie viel Delta kann sich die Gemeinde leisten?“
Gemeinderat weiter überzeugt
Für die ehrlichen Schilderungen von Kirchner dankte der Gemeinderat, doch abschrecken ließ sich das Gremium davon nicht. „Aus unternehmerischer Sicht kann ich natürlich verstehen, dass sich Rosi rentieren muss“, stellte Florian Prietz (UBG) fest, aber aus Sicht eines Gemeinderats finde er genau das „schwierig“. „Nach den Ausführungen sollte aber die Oma, die zum Arzt muss, mit der Rosi zum Linienbus fahren und dann von der Bushaltestelle nochmal fünfhundert Meter laufen.“ Der große Vorteil von „Rosi“ sei doch, dass der Service genau solche Situationen vermeiden könne. Kirchner hielt dagegen: „ÖPNV ist ein Massenverkehr, aber kein Individualverkehr.“ Solche Probleme müssten durch einen Taxi-Service gelöst werden.
Auch Bürgermeister Matthias Schnetzer (CSU) machte deutlich, dass er weiter an der Idee eines On-Demand-Service festhalten wolle. „Einen Missbrauch, wie er jetzt geschildert wurde, können wir über die Haltestellen regeln, die wir festlegen.“ Beispielsweise könne er sich vorstellen, im Hauptort Edling keine Einstiegsstellen einzuplanen. Dort gebe es genügend Angebote wie den Linienverkehr und die Bahn. Ähnlich sah dies Kirchner. „Wir haben es über eine Mindestfahrtstrecke geregelt.“ Inzwischen müssten alle „Rosi“-Kunden mindestens einen Kilometer fahren.
„Ein sehr komplizierte Thema“
Helmut Hammerbacher (UBG) zeigte sich ebenfalls weiterhin überzeugt. „Unsere bisherigen Überlegungen waren ja, ein paar Gemeinden außen herum aufzunehmen: Rott, Griesstätt oder Wasserburg. Damit fallen für uns aber Strecken von 120 Kilometern weg.“ Günther Weiß (ÜWG) sah dies ähnlich. „Edling ist zu klein, das ist nicht wirtschaftlich. Da müssen wir uns zusammensetzen mit den anderen Gemeinden.“ Bürgermeister Schnetzer stimmte dem zu und erklärte, dass es bereits erste Gespräche mit den nördlichen Nachbarn, also Soyen, Albaching und Pfaffing, gegeben habe. „Die stehen der Sache ebenfalls positiv gegenüber.“
Kirchner ließ es sich aber nicht nehmen, den Gemeinderat noch auf zwei Dinge hinzuweisen. „Aus verkehrsplanerischer Sicht wäre Edling prädestiniert für einen Anschluss zum Stadtbus“, stellte Kirchner fest. Außerdem gebe es ja auch noch ein „klassisches“ Rufbussystem mit hinterlegtem Fahrplan. Das sei leichter umsetzbar als ein On-Demand-System. Prietz schlug daraufhin vor, eine Gemeinde, die bereits Erfahrung mit dem „Rosi“-System habe, zu befragen.
Bürgermeister Schnetzer versprach, sich weiter zu informieren. „Ich glaube, wir haben alle gemerkt, das ist ein sehr kompliziertes und komplexes Thema, das einige Zeit in Anspruch nehmen wird“, meinte der Rathauschef. „Ich werde mit unseren Nachbargemeinden reden und auch Wasserburg nochmal zum Thema Stadtbus befragen.“ Außerdem versprach er Kontakt mit einem Bürgermeister-Kollegen aus dem „Rosi“-Gebiet aufzunehmen, um Erfahrungsberichte zum System zu sammeln.