Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Zeitzeugen erinnern ans Votum im Jahr 2000

Bad Aiblinger Bürgerentscheid vor 25 Jahren schrieb Geschichte – Das Votum wurde nie umgesetzt

Bürgermeister Stephan Schlier zeigt auf die Fläche in der Eulenau, auf der die Firma Kathrein einst ein Logistikzentrum errichten wollte. Bäume und naturbelassenes Feldgehölz befinden sich noch heute am Rand des Grundstücks.
+
Bürgermeister Stephan Schlier zeigt auf die Fläche in der Eulenau, auf der die Firma Kathrein einst ein Logistikzentrum errichten wollte. Bäume und naturbelassenes Feldgehölz befinden sich noch heute am Rand des Grundstücks.

Am 9. April vor 25 Jahren fand der erste Bürgerentscheid in Bad Aibling statt: Die Bürger stimmten mit 51,6 Prozent für die Errichtung einer Logistikhalle der Firma Kathrein an der Autobahn. Gebaut wurde sie jedoch nie. Warum heute sogar damalige Befürworter froh darüber sind.

Bad Aibling - „Es ist gut, dass alles so gekommen ist. Letztlich wurde klar, dass die Vorteile einer solchen Maßnahme für die Stadt nicht so groß gewesen wären, wie wir uns das erhofft hatten,“ sagt Altbürgermeister Felix Schwaller (CSU). Er war damals Stellvertreter seines Amtsvorgängers Dr. Werner Keitz (SPD) und zählte ebenso wie der Rathauschef zu den Befürwortern der Baumaßnahme.

Die Diskussion um das Für und Wider des Logistikzentrums begann mit einem Beschluss des Stadtrates im April 1998, der eine hierfür notwendige Änderung des Flächennutzungsplans auf den Weg brachte und sich zudem für die Aufstellung eines Bebauungsplanes für den Bereich des in der Eulenau benötigten Areals aussprach. Mit 19:3 Stimmen plädierte das Gremium nach Aussage von Keitz dafür, ein 46.000 Quadratmeter großes Grundstück als Gewerbegebiet auszuweisen. Die Fläche gehörte Anton Kathrein.

Umweltgruppe „Rettet das Willinger Weitmoos“ macht Front gegen das Projekt

Front gegen das Projekt machte vor allem die Umweltgruppe „Rettet das Willinger Weitmoos“. Sie befürchtete die Zerstörung einer wertvollen Naturlandschaft. Vorgesehen war, auf einer Fläche von etwa 10.000 Quadratmetern eine Lagerhalle zu errichten, die maximal 12,8 Meter in die Höhe ragen sollte. Das restliche Grundstück wollte der Eigentümer vorerst ungenutzt lassen. Dass neben der Autobahn bei einer Realisierung des Baus gar ein Regionalflughafen entstehen könne, auch diese Befürchtung machte damals die Runde.

Dr. Hubert Weiger, im Jahr 2000 Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern, sprach sich eindeutig gegen das Projekt aus und attestierte dem Bürgerentscheid bei einer Infoveranstaltung in Bad Aibling eine „landesweite Signalwirkung“. Die brauche man, damit die Politik endlich umzudenken beginne.

Der mittlerweile verstorbene Firmeninhaber Anton Kathrein nannte das Logistikzentrum dagegen „überlebenswichtig“ für seinen Betrieb und drohte mit einer Werksschließung in der Region im Falle einer Ablehnung. Dann müsse sich die Firma möglicherweise sogar Alternativen außerhalb Bayerns suchen. 1700 Arbeitsplätze vor Ort stünden auf dem Spiel, sagte Kathrein gegenüber dem Mangfall-Boten. Wie gespalten die Bevölkerung dem Ansinnen gegenüberstand, davon zeugen nicht zuletzt zahlreiche Meinungsäußerungen von Leserbriefschreibern, die die Lokalzeitung veröffentlichte.

Damaliger Landrat nennt Projekt „von größter Bedeutung für den regionalen Arbeitsmarkt“

Mächtige Unterstützer des Vorhabens waren der damalige bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu und Landrat Dr. Max Gimple (beide CSU). Angesichts des Bevölkerungswachstums nannte Gimple das Bauvorhaben „von größter Bedeutung für den regionalen Arbeitsmarkt“.

Richard Lechner, der schon damals für die SPD im Bad Aiblinger Stadtrat saß und auch heute noch Mitglied seiner Fraktion in dem Gremium ist, gehörte zum Zeitpunkt des Bürgerentscheids zu den Gegnern der Baumaßnahme. Er erinnert daran, dass sich die Träger öffentlicher Belange bei der Anhörung im Verlauf des Verfahrens größtenteils gegen das Vorhaben ausgesprochen hätten. Sehr kritische Äußerungen seien nicht zuletzt von der Regierung von Oberbayern zu vernehmen gewesen. „Nur die Industrie- und Handelskammer für Oberbayern war dafür. Deren Vizepräsident war Anton Kathrein“, erinnert er an eine Konstellation, die bei ihm noch immer Schmunzeln hervorruft.

So berichtete der Mangfall-Bote in seiner Ausgabe vom 10. April 2000 über den ersten Bürgerentscheid in Bad Aibling.

Altbürgermeister Dr. Werner Keitz teilt die Ansicht seines Amtsnachfolgers Felix Schwaller, es sei kein Verlust für die Stadt, dass trotz eines positiven Bürgerentscheides nie die Bagger angerückt seien. „Im Rückblick ist das sicher gut. Wenn man die Entwicklung anschaut, die die Firma Kathrein genommen hat, wäre zu befürchten, dass heute in der Eulenau möglicherweise eine Bauruine stünde.“

„Die Firma Kathrein hat sich aus Sicht der Stadt nicht mehr an Vereinbarungen halten wollen.“ Ebenfalls übereinstimmend nennen Keitz und Schwaller diesen Umstand als entscheidenden Grund, warum sie letztlich entlang der Autobahn nie zum Bauen kam. Zum Zankapfel wurden nach Schwallers Erinnerung rund sechs Millionen Mark an Erschließungskosten. Fünf Millionen hätte der notwendige Kanalanschluss verschlungen, der Rest wäre für die Installation der Wasserversorgung angefallen.

Dass Kathrein plötzlich der Meinung gewesen sei, diese Kosten solle die Stadt tragen, das habe laut Keitz das Meinungsbild im Stadtrat verändert. Auch ursprüngliche Befürworter der Ansiedlung hätten von einem Logistikzentrum nun nichts mehr wissen wollen.

Ein Knackpunkt, der auch Stadtrat Erwin Kühnel (CSU) zum Umdenken bewog. Er gehört genau wie Lechner dem Gremium ebenfalls heute noch an. „Ich war zunächst fest überzeugt, dass eine Ansiedlung des Logistikzentrums ein richtiger Schritt für Bad Aibling ist. Dass seitens der Firma Zusagen plötzlich infrage gestellt wurden, das hat auch die ursprünglichen Befürworter verärgert und umschwenken lassen“, erinnert sich Kühnel.

Viele von uns hatten schon bald nach dem Bürgerentscheid keine große Lust mehr auf das Logistikzentrum.

Felix Schwaller

„Diese Erschließungskosten konnten wir einfach nicht dem Steuerzahler aufbürden“, sagt Felix Schwaller rückblickend. Er weiß, dass damals die Gärtnerei Kefer Richtung Autobahn ausgesiedelt sei. „Der Betrieb musste rund 180.000 Mark Erschließungskosten selber tragen. Schon aus Gerechtigkeitsgründen konnten wir die Vorstellung der Firma Kathrein nicht akzeptieren.“

„Viele von uns hatten schon bald nach dem Bürgerentscheid keine große Lust mehr auf das Logistikzentrum. Sie hatten erkannt, dass die finanziellen Vorteile für die Stadt nicht so groß sind, wie sie gedacht hatten. Mit der Weigerung der Firma, die Erschließungskosten zu tragen, hatten wir dann auch eine rechtliche Handhabe, das Vorhaben abzulehnen“, so Schwaller. Da habe sich bei den Befürwortern durchaus Erleichterung breitgemacht.

Anton Kathrein nimmt nach erster Verärgerung Entscheidung letztlich sportlich

Nach seiner Erinnerung war Anton Kathrein anfänglich über die Meinungsänderung im Stadtrat verärgert, nahm die Entscheidung letztlich aber sportlich. Zwischen ihm und dem Unternehmer sei später sogar eine Freundschaft entstanden. „Die haben wir bei einem Galaabend des ADAC im Bayerischen Hof in München geschlossen, wo wir beide im Rahmenprogramm zufällig gemeinsam bei einem Pantomimenspiel auftreten mussten. Diese Verbundenheit hat bis zum Tod des Unternehmers gehalten.“

Der amtierende Bad Aiblinger Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) war noch ein Kind, als die Wahlberechtigten beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt an die Wahlurnen traten. Unglücklich, dass die Logistikhalle nie gebaut wurde, ist auch er aus heutiger Sicht nicht. Konkrete Pläne für eine Nutzung der Fläche, die sich weiter in Privatbesitz befinde, gebe es derzeit nicht. Schlier plädiert allerdings dafür, zumindest die Tür für Gedanken an eine Gewerbeansiedlung in diesem Bereich „nicht ganz zuzumachen“.

Kommentare