Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Aufgefunden am Friedhof in Bad Endorf

Senior landet in Polizeigewahrsam: Wie ein Heimbewohner aus Niedersachsen in den Chiemgau kam

Ein alter Mann sitzt auf einer Bank im Park.
+
Hilflos und verwirrt wurde ein Senior am Mittwoch (26. März) am Friedhof in Bad Endorf aufgefunden. Wie sich herausstellte, lebt der 74-Jährige eigentlich in einem Pflegeheim in Alfeld in Niedersachsen. (Symbolfoto)

Ein reiselustiger Heimbewohner (74) aus Niedersachen ist auf der Priener Polizeiwache gelandet. Mitten in der Nacht war er verwirrt am Bad Endorfer Friedhof gefunden worden. Übernachten durfte er bei der Polizei. War das Menschlichkeit oder Freiheitsberaubung? Die Meinungen dazu gehen auseinander.

Bad Endorf – Es war am späten Mittwochabend (26. März), gegen 23 Uhr, als einer Frau am Friedhof in Bad Endorf ein scheinbar hilfloser, verwirrter Mann auffiel. In einer verregneten, kühlen Nacht wollte sie den 74-Jährigen nicht sich selbst überlassen. Also rief sie die Priener Polizei zu Hilfe. Die fand den 74-jährigen Rentner im polizeilichen Fahndungssystem: Ein Pflegeheim in Alfeld (Landkreis Hildesheim in Niedersachsen) hatte Manfred S. als „abgängig“ gemeldet. Doch wie war er nach Bad Endorf gekommen?

Mit dem Zug von Alfeld nach Bad Endorf

„Offenbar war er mit dem Zug unterwegs und ist in Bad Endorf ausgestiegen“, erkärt ein Sprecher der Polizeiinspektion Prien. Es komme immer mal wieder vor, dass Senioren in der Region strandeten. Dann versuchen die Beamten, anhand der Personalien die Angehörigen oder richtigen Ansprechpartner ausfindig zu machen. Im Falle von Manfred S. fanden sich eine gesetzliche Betreuerin und das Pflegeheim in Alfeld, in dem er lebt. Gegen 1 Uhr erhielten sie die gute Nachricht, dass der 74-Jährige wohlauf und in Bad Endorf in guten Händen ist.

Dass es dem Mann auch wirklich gut geht, hatten die Beamten zuvor in der Klinik in Prien abklären lassen. Sie versorgten ihn mit Essen und Trinken. Und damit er nicht obdachlos in der kalten, regnerischen Nacht herumirrt, durfte er in der Dienststelle übernachten: Ein Bett gibt es dort nur im Schutzgewahrsam, also hinter verschlossenen Türen.

Senior war seit einem Tag „abgängig“

Bei den Kollegen im Polizeikommissariat in Alfeld war der 74-Jährige schon am Dienstag, 25. März, als „abgängig“ gemeldet worden. Mit dem Hinweis, dass er als reiselustig bekannt sei, an einer leichten Persönlichkeitsstörung leide, für sich und andere aber keine Gefahr darstelle und auch durchaus allein klarkomme. „Eine Vermisstensuche war also nicht erforderlich“, informiert ein Sprecher der Alfelder Polizei auf OVB-Anfrage. Der Senior wurde ins polizeiliche Fahndungssystem aufgenommen und so schließlich in Bad Endorf gefunden.

Wie Manfred S. die 670 Kilometer von Alfeld nach Bad Endorf absolvierte, wissen die Priener Beamten nicht genau. Anzunehmen ist, dass er mit dem Zug gefahren, in Göttingen und München umgestiegen und in Bad Endorf schließlich ausgestiegen ist. Warum er ausgerechnet nach Bad Endorf gefahren ist, konnten sie auch nicht herausfinden.

Darf ein „Reisender“ einfach „aufgegriffen“ werden?

In seinem Pflegeheim in Alfeld ist der 74-Jährige als reiselustig bekannt. Es reise viel, auch ins Ausland. Zudem sei der Heimleitung bekannt gewesen, dass er sich am Dienstag auf Reisen gemacht habe, heißt es auf OVB-Anfrage. Bewohner eines Pflegeheimes – in diesem Fall eines Fachpflegeheimes für Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen – seien freie Menschen. „Sie haben die gleichen Menschenrechte wie jeder andere Mensch. Sie leben hier freiwillig, können sich frei bewegen und selbst entscheiden, ob und wann sie verreisen möchten“, betonte die Heimleiterin auf OVB-Anfrage. Sie hält es vielmehr für bedenklich, dass Manfred S. „einfach aufgegriffen und in Polizeigewahrsam genommen“ wurde, obwohl er „sich zu dieser Reise selbst und bewusst entschieden“ habe.

Die Bad Endorferin und die Priener Polizei wiederum haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Sie begegneten in der Nacht an einer abgelegenen Straße einem Menschen, der offenbar in einem verwirrten Zustand, örtlich und zeitlich desorientiert war. Doch auch das, so die Heimleiterin aus Alfeld, sei normal: „In jedem psychischen Erkrankungsbild gibt es ein Auf und Ab.“

Mit dem Zug zurück ins Pflegeheim

Im Polizeigewahrsam konnte der 74-Jährige verschnaufen. Während er schlief, klärten die Beamten mit Heim und Betreuerin ab, wie der Senior wieder nach Hause kommen solle. Eine siebenstündige Autofahrt, um ihn in Bad Endorf abzuholen, kam für das Fachpflegeheim nicht infrage: „Dafür haben wir keine Ressourcen. Und das ist auch nicht erforderlich“, betonte die Heimleitung auf OVB-Anfrage. Also ermöglichten ihm die Polizeibeamten die Rückfahrt nach Niedersachsen und brachten den 74-Jährigen zum Priener Bahnhof. Wohin er fährt und wo er aussteigt, kann er auch bei dieser Reise selbst entscheiden.

Kommentare