Polizei und Stadt nehmen zu Gerüchten Stellung
Versuchte Vergewaltigung am Mangfall-Ufer? Neue Fake-News machen in Kolbermoor die Runde
In Kolbermoor kochen die Emotionen hoch. Nach der Schlägerei im Freibad (15. Juli) soll es am Ufer der Mangfall angeblich zur versuchten Vergewaltigung einer Zwölfjährigen gekommen sein. Was Polizei und Stadt zu dem Gerücht sagen.
Kolbermoor - Erst die aus dem Ruder gelaufene Geburtstagsparty im Freibad vom Samstag, 15. Juli. Jetzt eine versuchte Vergewaltigung am Ufer der Mangfall? Schuld daran sollen Menschen mit Migrationshintergrund sein, heißt es aus Kreisen der Bevölkerung. Entspricht das den Tatsachen? Oder sind es Falschmeldungen? Wir haben nachgefragt.
„Am Freitag muss ein Mann versucht haben, eine Zwölfjährige zu vergewaltigen“, informiert ein besorgter Rentner die Redaktion. Die Mutter selbst habe ihm berichtet, dass Umstehende die Situation beobachtet, ihrem Kind aber nicht geholfen hätten. „Die Mutter selbst ist schließlich eingeschritten, hat den Mann von ihrer Tochter weggerissen und verprügelt“, berichtet der Anrufer von der Unterhaltung, die er in einer Arztpraxis vernommen hatte. Der vermeintliche Täter sei nach Informationen der Mutter iranischer Herkunft. Die Polizei sei vor Ort gewesen.
Einen solchen Polizeieinsatz gab es nicht
„Von einem derartigen Vorfall ist uns nichts bekannt“, heißt es aus dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd auf OVB-Anfrage. „Sobald ein Notruf eingeht und ein polizeilicher Einsatz erfolgt, wird dieser im Einsatzleitsystem dokumentiert“, erklärt Pressesprecher Markus Huber. Nach intensiver Sichtung aller Einsatzberichte der vergangenen Woche der Polizeiinspektionen (PI) Bad Aibling und Rosenheim sowie nach persönlichen Gesprächen mit den Dienststellenleitern kommt er zu dem Ergebnis: „Ein derartiger Fall, wie er von einem OVB-Leser geschildert wird, ist uns nicht bekannt.“
Grundsätzlich sei die Polizei darauf angewiesen, dass Vorkommnisse zur Anzeige gebracht werden, betont Huber: „Falls es also tatsächlich zu einem derartigen Vorfall gekommen sein sollte, bitten wir die Betroffenen dringend darum, bei der Polizei Anzeige zu erstatten.“
Wie sich Falschmeldungen verbreiten
Im konkreten Fall soll die Polizei angeblich vor Ort gewesen sein, wie der besorgte Rentner gegenüber dem OVB geschildert hatte. Nach ausführlichen Recherchen von Polizei und OVB darauf angesprochen, dass es sich offenbar um eine Falschmeldung handelt, ist dieser entsetzt: „Das macht mich sprachlos. Die Mutter ist Krankenschwester, hat vor mehreren Patienten darüber berichtet. Warum sollte sie so etwas denn erfinden? Sie hat ja sogar erzählt, dass ihre Tochter am Donnerstag, 20. Juli, bei der Polizei in Bad Aibling eine Aussage macht.“ Da er selbst jahrzehntelang im Staatsdienst tätig war, ist er zu 100 Prozent davon überzeugt, dass „ein solch schwerwiegender Vorfall in den Einsatzunterlagen dokumentiert wäre, wenn es ihn wirklich gegeben hätte“. Doch auch von dem Aussagetermin war der Polizei nichts bekannt.
Streithähne kamen aus Deutschland, dem Kosovo und Afghanistan
Auch die Schlägerei im Freibad Kolbermoor von Samstag, 15. Juli, stellt sich nach OVB-Recherchen anders dar. Die Gerüchteküche berichtete von afghanischen und syrischen Asylbewerbern als Beteiligte. „Der Stadt Kolbermoor ist nicht bekannt, welche Nationalität die Personen vom Samstag haben. An Spekulationen über ihre Herkunft werden wir uns auch nicht beteiligen“, erklärt Christian Poitsch vom Kolbermoorer Stadtmarketing auf OVB-Anfrage.
Die Einsatzkräfte der Polizei hatten am Samstag die Personalien der Streithähne aufgenommen: „An der Auseinandersetzung waren junge Männer aus Deutschland, dem Kosovo und aus Afghanistan beteiligt“ , informiert Bernd Heller, der stellvertretende Dienststellenleiter der PI Bad Aibling, auf Anfrage des OVB. Die Schwimmbäder im Mangfalltal sind Heller zufolge kein Einsatzschwerpunkt der Polizei. „Bei uns ist es ruhig.“
Erster Vorfall dieser Art im Kolbermoor Bad
In Kolbermoor handelt es sich nach Angaben der Stadtverwaltung „um den ersten Vorfall dieser Art“. „Auseinandersetzungen unter Badbesuchern hat es bis dato nicht gegeben“, informiert Poitsch. Nach dem Vorfall am Samstag „habe es Gespräche mit den Verantwortlichen gegeben, um einen objektiven Überblick über die tatsächlichen Geschehnisse zu bekommen und sie zu analysieren“.
Platzverweise, so Poitsch, müssten die Bademeister aus ganz unterschiedlichen Gründen ab und an aussprechen. Eine Statistik werde darüber nicht geführt. „Sie gelten im Normalfall einen Tag, wurden in einzelnen Fällen aber auch schon für eine ganze Saison ausgesprochen.“ Grundsätzlich erfolgten Ermahnungen zur Einhaltung der Badeordnung oder gar das Erteilen von Platzverweisen bei Verstößen gegen die Badeordnung: „Unabhängig von Alter, Wohnort oder anderen subjektiven Einschätzungen oder gar Bewertungen.“
Auseinandersetzung junger Männer war keine Straftat
Dass es bei der Auseinandersetzung auch Bedrohungen mit dem Messer gegeben habe, entkräftet die Polizei Bad Aibling: „Es war ein Brotzeit-Messer zum Anschneiden des Geburtstagskuchens. Es kam nicht zum Einsatz“, so Heller. Auch wenn die Badeordnung des Kolbermoorer Freibades viele Regelungen zu Ordnung, Sicherheit und guten Sitten hat: „Eine Kontrolle über die Mitnahme von Messern erfolgt nicht, ist in der Badeordnung auch nicht vorgesehen“, informiert Poitsch. „Zudem werden die Speisen am Kiosk ebenfalls mit Besteck ausgegeben. Auch Alkohol ist im Freibad erlaubt, wird am Kiosk unter Einhaltung der grundsätzlichen gesetzlichen Regelungen wie etwa Jugendschutz verkauft.“
70 Prozent aller Straftäter sind Deutsche
In Kolbermoor sind Asylbewerber offenbar zu Unrecht ins Visier der Öffentlichkeit geraten, obwohl sie nicht an der Auseinandersetzung im Bad beteiligt waren. „Es lag auch keine Straftat, sondern nur ein Verstoß gegen die Badeordnung vor“, macht Bernd Heller klar. Ein Blick in die Statistik informiert darüber, dass es im Bereich der Polizeiinspektion Bad Aibling im Jahr 2022 zu insgesamt 2475 Straftaten kam, die zu 70,7 Prozent von Deutschen verübt wurde. 29,3 Prozent der Straftäter waren ausländische Staatsbürger. Nach Informationen des Statistischen Landesamtes liegt der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung im Landkreis Rosenheim bei 10,3 Prozent.
