Folgen des Kriegs
Alle lassen Familien zurück: Brannenburg nimmt die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine auf
Brannenburg hat erste Flüchtlinge aus der Ukraine empfangen. Etwa 50 Personen sind am Mittwoch (9. März) angekommen. Untergekommen sind sie in Containern, die schon während des jüngsten Stroms an Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten aufgebaut worden waren. Im Vorfeld war einiges zu klären.
Brannenburg – Zur Ankunft waren die Unterkünfte schon einsatzbereit. 78 Betten stehen dort zur Verfügung. Theoretisch, denn „es sind meist Vierbettzimmer, und zu einer Mutter mit zwei Kindern wird sicher keine vierte Person ins Zimmer getan“, sagt Brannenburgs Bürgermeister Matthias Jokisch.
Die Container standen noch und waren übers Wochenende gründlich gesäubert und zum Teil neu ausgestattet worden. „Das Landratsamt hat sich intensiv gekümmert, und unser Helferkreis macht gigantisch gute Arbeit“, lobt Jokisch. Für ihn, der zwei Tage durch eine Bürgermeister-Klausurtagung gebunden war, eine riesige Erleichterung.
Auch Gemeindereferentin Barbara Weidenthaler vom Helferkreis in Brannenburg ist zufrieden. Die Kooperation mit dem Landratsamt laufe sehr gut: Möbel aufstellen, Lebensmittel besorgen und anderes habe das Amt übernommen. Aber sie sei im permanenten Austausch gewesen, man habe vieles abgesprochen. Zum Beispiel, ob am ersten Tag ein Arzt da sein sollte und wer dafür schneller einen Übersetzer organisieren kann. Auch Fragen zum Thema Schulpflicht und ob die Geflüchteten alle ihren Wohnsitz in Brannenburg anmelden müssen, habe man besprochen.
Drehscheibe für Neuankömmlinge
Denn die meisten Neuankömmlinge werden nicht in Brannenburg bleiben. „Wir sind die Drehscheibe“, erklärt Rathauschef Jokisch. Die Kriegsflüchtlinge finden in Brannenburg alle erst mal einen Platz, um anzukommen. Und um alle notwendigen Formalitäten zu erledigen. „Da sind unsere Wohncontainer ideal gelegen, denn es sind nur fünf Minuten zu Fuß zum Bahnhof – gut für Fahrten zum Landratsamt“, so der Bürgermeister. Von Brannenburg aus werden die Geflüchteten dann in Wohnungen im gesamten Landkreis verteilt.
Stadt Rosenheim will Leerstände prüfen
Sechs Wohnungen hat der Landkreis Rosenheim, Stand gestern, hierfür bereits anmieten können, berichtet das Landratsamt. Sechs Mitarbeiter seien dort derzeit abgestellt, um weiteren Wohnraum zu finden. Aber auch jeder, der direkt an die Geflüchteten vermieten will, ist dem Kreis willkommen. Denn Ukrainer mit gültigem Pass können sich grundsätzlich 90 Tage ohne Visum im Schengen-Raum aufhalten. Zusätzlich hat der Kreis auch die Sporthallen der Gymnasien Prien und Bad Aibling zu sogenannten Ankunftszentren umbauen lassen.
In der Stadt Rosenheim wiederum soll die Luitpoldhalle künftig diesen Zweck erfüllen. Dort könnten nach Auskunft der Stadt künftig bis zu 200 Personen provisorisch aufgenommen und versorgt werden. Auch in Rosenheim sind bereits die ersten Ukrainer aus den Kriegsgebieten untergebracht worden. 65 Personen wohnten – Stand gestern – derzeit in Rosenheimer Privatunterkünften, berichtet die Stadt. Derzeit prüfe man auch, Leerstände für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen. „Der Freistaat Bayern hat in Aussicht gestellt, dass es in baurechtlichen und Bauordnungsfragen erleichterte, befristete Lösungen geben soll“, heißt es aus dem Rathaus.
Unzählige Hilfsangebote
In Brannenburg zumindest sei der Wille zu helfen sehr groß, sind sich Rathauschef Matthias Jokisch und Gemeindereferentin Barbara Weidenthaler einig. „Ich habe unzählige Hilfsangebote von Spielzeug über Kleidung bis zu Ausstattung für die Zimmer. Bisher habe ich immer gebremst und mir alles notiert, denn wir wissen ja noch gar nicht, wer kommt und was dann tatsächlich gebraucht wird“, sagt Weidenthaler, hauptberuflich Gemeindereferentin im Pfarrverband Brannenburg und dazu ehrenamtlich Flüchtlingsbeauftragte der Gemeinde.
Zumal ja auch nicht klar sei, so Jokisch, wie traumatisiert die Menschen seien, die gestern in Brannenburg ankamen. „Selbst wenn sie nicht dem direkten Kriegsgeschehen ausgesetzt waren: Familie haben sie alle zurückgelassen.“ Das Wichtigste sei zunächst ohnehin, so Weidenthaler, dass es Leute gibt, die sich für die Menschen aus der Ukraine Zeit nehmen, die für sie da sind. „Und ein gefülltes Flüchtlingskonto wäre gut, denn bis die ersten staatlichen Mittel fließen, vergeht sicher eine Woche.“


