Fußballinternat holt Ukrainer nach Deutschland
„Grenzbeamter fuchtelte mit der Pistole herum“ - So hat ein Bad Aiblinger die Rettungsaktion für Ukraine-Flüchtlinge erlebt
Nachdem das Deutsche Fußballinternat (DFI) in Bad Aibling einige Familien aus der Ukraine aufgenommen hat, startete ein Trainer eine weitere Rettungsmission. Was er an der Grenze erlebte und wie er die Stimmung unter den Geflüchteten beschreibt.
Bad Aibling – „Da hatte ich schon mal kurz eine mulmiges Gefühl“, sagt Hans Haslreiter, Trainer des Deutschen Fußballinternats in Bad Aibling. Der 31-Jährige blickt auf aufregende Tage zurück, war er erst vor Kurzem noch an der ukrainischen Grenze unterwegs und erlebte dabei einiges. Wie bereits berichtet engagiert sich das Deutsche Fußball Internat (DFI) für ukrainische Flüchtlinge. „Aktuell wohnen bei uns zwölf Leute, Frauen und Kinder“, sagt der Leiter Andreas Herbst gegenüber dieser Redaktion. Die Kinder unter ihnen seien zwischen acht und 14 Jahre alt.
„Grenzbeamter hat mich angebrüllt“
Doch neben den bereits untergebrachten Flüchtlingen startete das DFI kürzlich eine weitere Rettungsmission. „Am Montag bekam ich von meinem Chef eine Mitteilung aufs Handy, dass jemand eine bekannte Familie aus der Ukraine abholen soll“, erzählt Trainer Hans Haslreiter. Da er gerade Urlaub hatte, erklärte er sich sofort dazu bereit, die Rettungsfahrt zu übernehmen. „Wir wollten natürlich nicht mit einem leeren Bus hochfahren“, sagt Haslreiter, weswegen man um Sachspenden in sozialen Medien gebeten habe. Innerhalb eines Tages hätten so viele Menschen gespendet, dass der Bus bis obenhin beladen war und noch Waren übrig sind. Mit dem internatseigenen Mannschaftsbus fuhr der 31-Jährige am Mittwoch los und übernachtete zunächst in Budapest. „Am nächsten Morgen bin ich dann bis zur Grenze weitergefahren“, berichtet Haslreiter. Ziel war die ungarische Stadt Záhony, nahe der ukrainischen Grenze. „Dort war meine erste Herausforderung, die Materialien in die Ukraine rüber zu bringen“, sagt Haslreiter.
Denn dort sei der Trainer nicht nur mit offenen Armen empfangen worden. „ An der Grenze hat mich ein ungarischer Grenzbeamter angebrüllt, hat mit seiner Pistole rumgefuchtelt und mich wieder weggeschickt“, so Haslreiter. Da er hier also nicht weiterkam, fuhr er zum Bahnhof in Záhony und verteilte dort tütenweise Zahnbürsten, Riegel oder Kaffee. Doch das reichte nicht aus, um den voll beladenen Bus leerzubekommen. Da er am Abend die sechs Flüchtlinge abholen musste und „Zeitdruck“ hatte, organisierte er ein Treffen mit einem in Ungarn lebenden Ukrainer, dem er die Ladung in Grenznähe übergab. „Ich hätte es gerne selber rübergefahren aber so habe ich mir zusichern lassen, dass die Sachen auch wirklich ankommen“, sagt der Trainer aus Bad Aibling. Am Abend klappte dann glücklicherweise alles und er traf die drei Frauen und drei Kinder aus Kiew, die in einer Flüchtlingsunterkunft an der Grenze gewartet hatten.
Eine Stunde Zeit, um sich auf die Flucht vorzubrereiten
„Ich war erstaunt über die kleinen Koffer, die sie dabei hatten“, sagt Haslreiter. Die Ukrainer hätten einige Tage zuvor nur eine Stunde Zeit gehabt, um sich auf die Flucht vorzubereiten. Da nur eine Frau etwas englisch konnte, sei die Kommunikation mit den sechs Geflüchteten nicht leicht verlaufen. Haslreiter habe dennoch die Stimmung unter den Ukrainern mitbekommen. „Das ist schon Wahnsinn, sie wissen einfach nichts, wissen nicht, ob sie in Deutschland arbeiten können, ob die Kinder zur Schule gehen können, wie ihre Zukunft aussieht.“ Sie hätten nur das bei sich gehabt, was sie auch tragen konnten. Dennoch macht Haslreiter eines deutlich: „Sie sind wahnsinnig dankbar.“
Über Wien ging es für Haslreiter und die sechs Flüchtlinge dann wieder rund 1000 Kilometer zurück nach Bad Aibling, von wo die Ukrainer dann ins Allgäu in einer Unterkunft gebracht wurden. „Meine Mission ist hier zwar erstmal beendet, aber wir werden sehen, wie es weiter geht“, sagt Haslreiter. Beispielsweise sollen die übrig gebliebenen Hilfsgüter auf jeden Fall noch in die Ukraine gebracht werden.
Die Frage, ob er die Fahrt ins Grenzgebiet wieder machen würde, stellt sich für den 31-Jährigen jedenfalls nicht. „Ich bin einiges gewöhnt und wäre auch in die Ukraine rüber gefahren.“ Er habe die Stimmung an der Grenze, wo neben vielen Reportern auch zahlreiche Helfer unterwegs gewesen seien, als generell sehr hilfsbereit empfunden. Einzig die aggressive Art der Grenzkontrollen habe ihn abgeschreckt.
DFI platztechnisch ausgelastet
Angefangen hatte alles mit dem Ukrainer Eugen Bantysh, ein Bekannter des DFI, der in der Schule angerufen und um Hilfe gebeten habe, sagte zuvor Leiter Andreas Herbst. Nun habe sich die Situation in der Schule etwas verselbstständigt und es seien zahlreiche Geflüchtete hinzugekommen. „Die zwölf, die hier sind, können erstmal für ein paar Wochen bei uns bleiben, dann müssen wir weiter schauen“, so Herbst, der sich bereits um Folgeunterkünfte kümmert. Zwar sei man mit den zwölf Ukrainern im DFI platztechnisch ausgelastet, allerdings engagiere man sich weiter.
Insgesamt zeigt sich derzeit eine große Solidarität – und das nicht nur in Bad Aibling. So sprach das Landratsamt Rosenheim kürzlich in einer Mitteilung von einer „Welle der Hilfsbereitschaft“. Viele Bürger im Landkreis seien demnach bereit, Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Landrat Otto Lederer sprach von einem „großartigen Zeichen der Solidarität“. Seit vergangener Woche können über ein Online-Formular auf der Homepage www.landkreis-roseheim.de oder per E-Mail unter ukrainehilfe@lra-rosenheim.de Angebote zur Hilfe mitgeteilt werden.

