Einzigartig in Tuntenhausen: Experten geben Tipps
„Zu lange sicher gefühlt“? So können sich Menschen persönlich auf einen Blackout vorbereiten
Gehen in Deutschland die Lichter aus? Kommt der Blackout? Was vor einem Jahr für die meisten außerhalb ihrer Vorstellungskraft war, gilt nun als eine reale Gefahr. Experten geben schon lange nützliche Tipps und Tricks, wie sich Bürger mit dem Thema auseinandersetzen und vorbereiten können.
Tuntenhausen - Erdig schmecke es, sehr natürlich, jemand findet es sogar „saugut“. Nicht alle haben sich getraut, einen Schluck des Wassers zu nehmen, das kurz zuvor noch gelblich in einer Glaskaraffe schwappte. Nun ist es durch einen Damenstrumpf geronnen, und durch einen ausgeklügelten Aufbau aus Kies, Quarzsand, Grillkohle und Tuch - und auf den ersten Blick sieht es jetzt klar aus.
Erst nach der Kostprobe führt Katastrophenschützer Detlef Hacker vom Medizinischen Katastrophen-Hilfswerk (MHW) die Teilnehmer des Selbsthilfe-Kurses in den Garten - und lüftet das Geheimnis: Das Wasser stammt aus der Regentonne hinter dem Haus, ein paar tote Insekten und undefinierbare Schwebstoffe schwimmen in der trüben Brühe. Kleine Schrecksekunde bei den Teilnehmern - dann Überraschung, wie einfach sich in einem Notfall Trinkwasser gewinnen lässt.
80 Teilnehmer in Tuntenhausen
Die Sorge um einen Blackout hatte die meisten motiviert: Rund 80 Menschen lernten am Samstag beim MHW in Tuntenhausen - der ganze Tag wurde nur mit Ehrenamtlichen gestemmt - Überlebenstechniken: Alternative Trinkwassergewinnung, Bevorratung für Notzeiten und Kochen ohne Strom, aber auch erste Wundversorgung und Brandbekämpfung.
„Mich begeistert das total“, sagte Manuela Maria Thaller, die mit ihrem Mann dabei war. „Wir haben sehr viel gelernt.“ Noch während des Kurses mit dem Shoppen begann Rolf Müller. Einen Gaskocher und andere Koch-Utensilien hatte er in seinen virtuellen Einkaufswagen geladen. „Ich bin Schwabe, ich bin risikoscheu“, witzelte er über seine Anmeldung zum Kurs. Aber ja: Er wolle einfach vorbereitet sein.
Vor allem Entlastung der Einsatzkräfte
Robert Schmitt, Einsatzleiter und Präsident des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks (MHW), leitete am Samstag (8. Oktober) den Selbsthilfe-Kurs, der mittlerweile deutschlandweit durch die Presse geht. „Jeder, der vorbereitet ist und vielleicht auch seinem Nachbarn helfen kann, entlastet uns Einsatzkräfte. Um den müssen wir uns nicht kümmern“, erklärte Schmitt.
Der Staat könne „nicht für alles Vorsorge treffen“. Dabei betonte Schmitt aber zu Beginn des kostenlosen Angebots: „Wir wollen Ihnen heute die Angst nehmen und zeigen, dass Sie egal, was passiert, immer eine Möglichkeit haben, die beste Entscheidung zu treffen, auch wenn die Situation brenzlig wird.“
Bundesweit kein vergleichbares Angebot
Es nutze nichts, „wenn wir die Sirenen wieder einschalten - wenn wir den Bürgern nicht erklären, was sie dann zu tun haben“, sagte Schmitt. Seit 2009 bietet das Medizinische Katastrophen-Hilfswerk derartige Schulungen an. Die Nachfrage sei seit dem Beginn des Ukraine-Krieges massiv gestiegen. Bundesweit gebe es dennoch kein vergleichbares Kursangebot von Hilfsorganisationen.
Die Schulung sei sehr gefragt, das Thema „aktuell wie nie“. „Wenn große Krisen sind, sind die Kurse mehr als ausgebucht.“ Anlässe waren die Atomkatastrophe von Fukushima, die Flut im Ahrtal und nun der Krieg in der Ukraine. „Wir leben in sehr unruhigen und herausfordernden Zeiten.“
„Lange zu sicher gefühlt“
Zivilschutz ist wieder im Blickpunkt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte zum Jahrestag der Flutkatastrophe: „Für mich ist klar, wir brauchen einen Neustart im Bevölkerungsschutz.“ Die Ministerin sprach auch von großen Versäumnissen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. „Wir haben uns zu lange sicher gefühlt.“
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wendet sich auf seiner Homepage an die Menschen: „Sind Sie fit in puncto Notfallvorsorge? Haben Sie einen Vorrat zu Hause, wenn draußen ein Sturm tobt? Sind Ihre wichtigsten Dokumente griffbereit, wenn ein Feuer oder eine Bombenentschärfung Sie aus dem Haus zwingen?“
Für zwei Wochen Wasser und Lebensmittel daheim
Schmitt rät: Für zwei Wochen Wasser und Lebensmittel daheim, das Auto vollgetankt und ein Radio, das mit Batterien läuft, um Informationen der Behörden zu verfolgen. Denn wenn der Strom weg bleibt, geht nichts mehr: kein fließendes Wasser, keine Toilettenspülung, kein Herd, kein Aufzug, kein Telefon und kein Internet.
Wobei Dozent Markus Eichschmid in Tuntenhausen klarstellte, dass es hier nicht um „hamstern“ gehe, sondern darum, wie sich „Otto Normalverbraucher für mindestens zehn Tage selbst versorgen kann“. Am wichtigsten zu nennen, sei hier eben vor allem der Trinkwasservorrat, denn bei einem Stromausfall funktionieren keine Wasserpumpen. Hier schlägt das Bundesamt für Katastrophenschutz zum Beispiel für eine Person einen Zwei-Wochenvorrat von 28 Liter vor – mit eingerechnet ist hier schon Wasser für die Zubereitung von Speisen.
Nicht vergessen dürfe man auch Hygieneartikel und Medikamente, so ein weiterer Tipp. Und in einen sogenannten Notfallrucksack müssen ganz dringend Kopien von allen wichtigen Dokumenten. „Zeugnisse müssen Schulen nur zehn Jahre lang aufheben, wenn das Original weg ist durch Brand oder Hochwasser, hast du offiziell keinen Schulabschluss“. Taschenlampen und Batterien für ein UKW-Radio sind ebenfalls wichtiger Bestandteil einer Bevorratung für Krisenzeiten.
Nicht nur die Energieknappheit könnte einen Blackout auslösen, sondern auch Naturkatastrophen oder Wetterextreme, Sabotage oder Cyberangriffe.
Auch die Behörden stünden vor gravierenden Problemen. Das Digitalfunknetz für Einsatzkräfte könnte zusammenbrechen, wie MHW-Sprecher Matthias Fischer sagt. Die Einsatzfahrzeuge seien deshalb wieder mit analogen Funkgeräten ausgerüstet. Wenn auch Kraftstoff fehlt, wird es brisant. „Man geht unvorbereitet in die kalte Jahreszeit“, warnt Fischer. Die kritische Infrastruktur müsste besser unterstützt und etwa nicht nur Kliniken, sondern auch Altenheime, Feuer- und Rettungswachen mit Notstrom abgesichert sein.
In Südostbayern bereiten sich Landkreise derzeit gemeinsam vor. „Wir müssen uns auf die kritische Infrastruktur konzentrieren“, sagt auch der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch (CSU). Dazu zählten Kliniken, Rettungsdienste, Pflegeheime, digitale Kommunikation, Wasserversorgung, Behörden, Bezahlsysteme und Logistik. „Die Sicherheitslage verschärft sich rasant, wenn die kritische Infrastruktur nicht mehr funktioniert.“
Mancher in dem MHW-Kurs in Tuntenhausen hat schon vorgesorgt: mit Lebensmitteln, Kocher, mancher gar mit eigenem Notstromaggregat - oder mit einem gepackten Rucksack. „Wir haben Notfallrucksäcke zu Hause“, sagte die stellvertretende Landesgeschäftsführerin des ASB, Nadine Naujoks, die mit Mann und zwei Kindern da war.
„Es muss gar keine große Naturkatastrophe sein. Es kann ja einfach sein, dass das Nachbarhaus brennt und man deshalb wegmuss.“ Für sie und ihre Familie sei der Kurs „ein kleiner Survival-Urlaub“ gewesen.
mz/dpa